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Weil, Felix

Mitbegründer des Instituts für Sozialforschung.

Felix Weil

Felix Weil
Fotografie (1963).

© unbekannt. Der/die Fotograf/-in ist auf dem als Vorlage dienenden Originalfoto nicht genannt.
Weil, Lucio Felix José. Dr. rer. pol. Unternehmer. Finanzpolitiker. Mäzen. * 8.2.1898 Buenos Aires (Argentinien), † 18.9.1975 Dover/Delaware (USA).
W.s aus Baden stammender Vater Hermann W. hatte in Argentinien innerhalb weniger Jahre einen weltweit operierenden Getreidegroßhandel aufgebaut.
W. kam 1907 aus Buenos Aires nach Ffm., wo er zunächst bei seiner Großmutter mütterlicherseits wohnte und seitdem das Goethe-Gymnasium besuchte. Seine Familie folgte ihm 1908 nach. Die Eltern wollten hier eine Erkrankung durch die gerade entscheidend weiterentwickelte Chemotherapie behandeln lassen. Während seiner Schulzeit befreundete sich W. mit Leo Löwenthal und lernte vermutlich über ihn auch Theodor W. Adorno und Siegfried Kracauer kennen. Nach dem Abitur immatrikulierte sich W. 1916 an der staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Ffm. Zusätzlich zu seinem Studium, burschenschaftlichem Engagement und einer Assistententätigkeit beim Vater erreichte er es, trotz argentinischer Staatsangehörigkeit in den letzten beiden Kriegsjahren freiwillig und unentgeltlich auf dem Heeresamt als Büro-Offizier und Wirtschaftsreferent Dienst leisten zu können.
Unter dem Eindruck der Novemberrevolution 1918 wandte sich W. dem Sozialismus zu. Ein Schlüsselerlebnis war die Lektüre des Erfurter Programms der SPD. Spontan stellte er sich dem Arbeiter- und Soldatenrat in Ffm. zur Verfügung und beteiligte sich an der Erstürmung eines Maschinengewehrdepots in der Festhalle. Vom Ffter Polizeipräsidenten Hugo Sinzheimer, der W. von dessen Tätigkeit im Studentenausschuss kannte, wurde er zum Kommandanten der polizeilichen Streifenwagen ernannt. 1919 verließ W. Ffm., um an der Tübinger Universität bei dem Sozialisierungsexperten Robert Wilbrandt zu promovieren. Er wurde jedoch noch im selben Jahr als einer der führenden Köpfe der sozialistischen Studentenbewegung und Ausländer wegen politischer Tätigkeit aus Württemberg ausgewiesen und musste nach Ffm. zurückkehren. Das Tübinger Jahr hatte prägenden Einfluss auf W.s spätere politische Zielsetzung. Die Promotion führte W. 1920 in Ffm. bei dem Volkswirtschaftler Adolf Weber zum Abschluss. In seiner Dissertation behandelte er ein Modell der Sozialisierung, das versucht, die planmäßige Verwaltung der Produktion und der Verteilung durch den Staat mit der Beteiligung von Produzenten und Konsumenten in Einklang zu bringen.
Ab 1922 verhandelten W. und sein Vater mit dem Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung über die Gründung eines Instituts für Sozialforschung; als dessen Träger wurde die „Gesellschaft für Sozialforschung e. V.“ ins Leben gerufen. 1923 finanzierte und organisierte W. die „Erste Marxistische Arbeitswoche”, zu der sich u. a. Karl Korsch, Friedrich Pollock, Karl August Wittfogel, Richard Sorge, George Lukács und Konstantin Zetkin im thüringischen Ilmenau trafen. Im Juni 1924 folgte die Eröffnung des der Ffter Universität angegliederten Instituts für Sozialforschung, zu dessen Gründern W. zählte und das er, dank seines beträchtlichen mütterlichen Erbteils, gemeinsam mit dem Vater finanzierte.
Zuvor hatte er sich intensiv mit dem spektakulären Gebäudeentwurf des Architekten Franz Roeckle beschäftigt. Das 1944 schwer beschädigte Institut lag ursprünglich an der Viktoriaallee (heute: Senckenberganlage)/Ecke Bockenheimer Landstraße, etwa schräg gegenüber dem späteren, 1951 eröffneten Neubau. Als erste wissenschaftliche Forschungseinrichtung Westeuropas setzte sich das Institut mit dem Marxismus auseinander. Gleichzeitig bildete es eine Grundlage für die Arbeit der ebenfalls 1924 gegründeten Marx-Engels-Archivgesellschaft mbH zur Förderung und Herausgabe der Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA), deren Geschäftsführung W. gemeinsam mit Friedrich Pollock übernahm. Neben kleineren wissenschaftlichen Arbeiten im Rahmen des Institutsprogramms widmete sich W. dem Aufbau der umfangreichen und wertvollen Bibliothek für die Geschichte der Soziologie, der Arbeiterbewegung und des Sozialismus.
1929 zog W. nach Berlin. Neben verschiedenen mäzenatischen Tätigkeiten ermöglichte er dort Erwin Piscator die zweite Gründung der Piscator-Bühne. Um die Publikation linker theoretischer Literatur zu fördern, gründete W. noch 1929 die Soziologische Verlagsanstalt, in der u. a. die Werke von Franz Mehring herausgegeben wurden. Er unterstützte den Maler George Grosz und den Malik-Verlag.
Aufgrund des Wahlerfolgs der Nationalsozialisten in Ffm. traf W. 1931 Vorbereitungen, eine Zweigstelle des Instituts für Sozialforschung in Genf zu gründen. Noch im selben Jahr übersiedelte er vorrangig aus geschäftlichen Gründen nach Argentinien. Ab 1932 beriet W. die dortige Regierung in Wirtschaftsangelegenheiten und war an der Ausarbeitung der Steuergesetzgebung für Argentinien beteiligt. Er hielt Vorlesungen am College of Superior Studies über Rationalisierungs- und Steuerfragen und war Mitbegründer der Pestalozzi-Schule in Buenos Aires. 1935 jedoch hatten die Widerstände gegen seine politische Tätigkeit in Argentinien so gefährliche Züge angenommen, dass W. sich gezwungen sah, in die Vereinigten Staaten zu emigrieren. In New York traf er erneut mit Max Horkheimer und Theodor W. Adorno sowie Erich Fromm, Herbert Marcuse und anderen Mitarbeitern des 1933 von Nationalsozialisten beschlagnahmten Instituts für Sozialforschung zusammen, das seinerseits tatsächlich zunächst in Genf, ab 1934 an der Columbia University in der Emigration arbeitete und nunmehr als International Institute of Social Research breite wissenschaftliche Anerkennung erwarb. W., der auch während seiner Abwesenheit das Institut mit einem großen Teil seines Vermögens unterstützt hatte, wirkte dort in den folgenden Jahren zuerst als „guest member”, nach seiner endgültigen Wohnsitznahme in New York 1941 als Vollmitglied. 1945 nahm er die US-amerikanische Staatsbürgerschaft an und ließ sich in Kalifornien nieder. Er führte zwar gemeinsam mit Friedrich Pollock 1946 noch die ersten Verhandlungen über die Rückkehr des Instituts nach Ffm., schloss jedoch eine Rückkehr für sich selbst aus.
In Kalifornien erwarb sich W. in den folgenden Jahren einen Ruf als Sachverständiger der Demokratischen Partei für Fragen des öffentlichen Haushalts und als Fachkolumnist für Steuerfragen. Nach Ffm. kam er zweimal kurz zurück, 1951 als Besucher zur Einweihung des neuen Gebäudes des Instituts für Sozialforschung und 1969 als Durchreisender auf dem Weg nach Ramstein/Rheinland-Pfalz, wo er bis 1973 Kurse am Education Center der US-amerikanischen Luftwaffe zu politischen, sozialwissenschaftlichen und steuerrechtlichen Themen hielt. Bei seiner Ankunft auf dem Ffter Flughafen 1969 zollte er in einem Interview den damaligen Studentenunruhen Respekt. 1975 starb W. während der Niederschrift seiner „Erinnerungen” in Delaware.
Veröffentlichungen zu gesellschafts- und finanzpolitischen Themen. Hauptwerk: „The Argentine Riddle” (1944).
Das zweiteilige Typoskript seiner fragmentarisch gebliebenen „Erinnerungen”, die unter dem Titel „Aus der Art geschlagen” beim Fischer Verlag in Ffm. erscheinen sollten, ist im ISG überliefert.
1963 Ehrenplakette der Stadt Ffm. und Ehrenmitgliedschaft im Institut für Sozialforschung.
Gemälde „Porträt eines jungen Mannes” („Porträt Dr. Felix Weil”; von George Grosz, 1926) im Los Angeles County Museum of Art. Porträtrelief (von David Fahrner, 1951) im Foyer des Instituts für Sozialforschung in Ffm.

Artikel aus: Frankfurter Biographie 2 (1996), S. 541-543, verfasst von: Felix Blömeke (überarbeitete Onlinefassung für das Frankfurter Personenlexikon von Heike Drummer).

Lexika: Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933 / International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933-1945. 3 Bde. München/New York/London/Paris 1980-83.Emigrantenlex. II.2, S. 1217f. | Neue Deutsche Biographie. Hg. v. d. Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Bisher 27 Bde. (bis Wettiner). Berlin 1953-2020.Heike Drummer in: NDB 27 (2020), S. 611f.
Literatur:
                        
Bausteine zur Tübinger Universitätsgeschichte. [Hg. v. Volker Schäfer.] 4 Folgen. Tübingen 1981-89. (Werkschriften des Universitätsarchivs Tübingen / Reihe 1, Quellen und Studien, H. 6, 9, 12 u. 14).Eisenbach, Helmuth Robert: Millionär, Agitator und Doktorand. Die Tübinger Studienzeit des Felix Weil (1919). In: Bausteine zur Tübinger Universitätsgeschichte 3 (1987), S. 179-216. | Erfolgreiche Kooperation: Das Ffter Institut für Sozialforschung und das Moskauer Marx-Engels-Institut (1924-1928). Korrespondenz von Felix Weil, Carl Grünberg u. a. mit David Borisovič Rjazanov, Ernst Czóbel u. a. aus dem Russischen Staatlichen Archiv für Sozial- und Politikgeschichte Moskau. Hamburg/Berlin 2000. (Beiträge zur Marx-Engels-Forschung NF, Sonderband 2).Das Ffter Institut für Sozialforschung u. das Moskauer Marx-Engels-Institut 2000. | Erazo Heufelder, Jeanette: Der argentinische Krösus. Kleine Wirtschaftsgeschichte der Ffter Schule. Berlin [2017].Erazo Heufelder: Der argentinische Krösus 2017. | Migdal, Ulrike: Die Frühgeschichte des Ffter Instituts für Sozialforschung. Ffm./New York 1981. (Campus Forschung 207). Migdal: Die Frühgeschichte d. Ffter Instituts für Sozialforschung 1981. | Reijen, Willem van/Schmid Noerr, Gunzelin (Hg.): Grand Hotel Abgrund. Eine Photobiographie der kritischen Theorie. Hamburg 1988.Reijen/Schmid Noerr (Hg.): Grand Hotel Abgrund 1988, S. 128-131, 145-147. | Schembs, Hans-Otto: Jüdische Mäzene und Stifter in Ffm. Hg. v. d. Moses Jachiel Kirchheim’schen Stiftung. Mit einer Einführung von Hilmar Hoffmann. Ffm. [Copyright 2007].Schembs: Jüd. Mäzene u. Stifter 2007, S. 145f. | Wiggershaus, Rolf: Die Ffter Schule. Geschichte, theoretische Entwicklung, politische Bedeutung. München/Wien 1986.Wiggershaus: Die Ffter Schule 1986, 7. Aufl. 2008. | Wittebur, Klemens: Die deutsche Soziologie im Exil 1933-1945. Eine biographische Kartographie. Münster/Hamburg 1991. (Soziologie 20; Beiträge zur Geschichte der Soziologie 1).Wittebur: Die dt. Soziologie im Exil 1991.
Quellen: Deutsche Nationalbibliothek, Ffm.DNB, Deutsches Exilarchiv, Nachlass Hermann M. Görgen, Korrespondenz von Felix Weil mit Hermann M. Görgen. | Deutsche Nationalbibliothek, Ffm.DNB, Deutsches Exilarchiv, Nachlass Paul Leser, Korrespondenz von Felix Weil mit Paul Leser. | Deutsche Nationalbibliothek, Ffm.DNB, Deutsches Exilarchiv, Nachlass Joseph und Alice Maier, Archiv der Hermann Weil Memorial Foundation. | ISG, Bestand Chroniken mit chronikalischen Schriften aller Art (Zeugenschrifttum wie Annalen, Tagebücher, Erlebnisberichte, Memoiren, Denkschriften), 1034-heute; erschlossen über Archivdatenbank.Weil, Felix: Erinnerungen. Fragmentarisches Typoskript. 2 Teile. ISG, Chroniken, S5/421a (Teil I) u. 646 (Teil II). | ISG, Einwohnermeldekartei („Nullkartei“), ca. 1870-1930.ISG, Nullkartei. | ISG, Dokumentationsmappe in der Sammlung S2 (mit Kleinschriften, Zeitungsausschnitten und Nekrologen zu einzelnen Personen und Familien).ISG, S2/1.503. | Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Berlin.Staatsbibliothek zu Berlin, Handschriftenabt., Verlagsarchiv J. C. B. Mohr, Korrespondenz von Felix Weil mit Paul Siebeck. | Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg, vorm. Stadt- und Universitätsbibliothek, Ffm.UB Ffm., Nachlass Alfons Paquet, Korrespondenz von Felix Weil mit Alfons Paquet. | Universitätsarchiv Tübingen.Universitätsarchiv Tübingen, Studentenakte Felix Weil.
Internet: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. https://de.wikipedia.org/wiki/Felix_WeilWikipedia, 7.1.2018.

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Empfohlene Zitierweise: Blömeke, Felix/Drummer, Heike: Weil, Felix. In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), https://frankfurter-personenlexikon.de/node/1697

Stand des Artikels: 8.1.2018
Erstmals erschienen in Monatslieferung: 01.2018.