Paradies, Familie zum

Ursprünglich stammte die Familie aus Biedenkopf und war im 14. Jahrhundert unter dem Herkunftsnamen von Biedenkapp in Marburg zu großer wirtschaftlicher und politischer Bedeutung gelangt. Durch Siegfried zum P., Sohn des Marburger Schöffen Siegfried des Reichen von Marburg, und Ludwig zum P. übte die Familie im Spätmittelalter zeitweilig großen politischen Einfluss in Ffm. aus. Seit 1502 in Ffm. erloschen.

Artikel aus: Frankfurter Biographie 2 (1996), S. 121, verfasst von: Reinhard Frost.
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GND: 1213313430 (Eintrag der Deutschen Nationalbibliothek).
2 herausragende Vertreter der Familie in Ffm.

Paradies, Ludwig zum

Paradies, Ludwig zum. Dr. jur. Jurist. Politiker. * um 1430, † 30.8.1502 Ffm.
Nachfahre von Siegfried zum P. aus der wieder nach Marburg zurückgekehrten Familie.
Jurastudium wahrscheinlich in Italien. Übernahm die Ffter Besitzungen der Familie und bewohnte das von Siegfried erbaute Haus zum P. am Liebfrauenberg. 1460 Heirat mit Elisabeth, Tochter des Ffter Ratsherrn Wigand von Heringen, und Aufnahme in die Patriziergesellschaft Alten-Limpurg. Seit 1464 Ratsherr. 1469 im Dienst des Pfalzgrafen bei Rhein und von 1470 bis 1473 im Dienst der Reichsstadt Nürnberg, kehrte Ludwig danach als Stadtadvokat endgültig nach Ffm. zurück. Vertrat die Stadt als Gesandter in zahlreichen Missionen. Besonders wichtig war seine Reise nach Rom (1477), wo er mit dem Vatikan erfolgreich über die Erlangung bzw. Bestätigung geistlicher und weltlicher Privilegien für Ffm. verhandelte. 1486 Stadtschultheiß. Wie schon Siegfried stand auch Ludwig zum P. in enger Verbindung zum kaiserlichen Hof. Kaiser Maximilian I. wohnte bei seinen Ffter Aufenthalten im Haus zum P. am Liebfrauenberg.
In seinem Testament, das Ludwig 1484 anlässlich einer nicht ausgeführten Pilgerfahrt aufsetzte, vermachte er der Stadt seine Büchersammlung (hauptsächlich juristische Schriften sowie die Werke antiker griechischer und römischer Autoren) zum Aufbau einer städtischen Bibliothek. Nachdem Ludwigs letzte Ffter Verwandten verstorben waren, übernahm die Stadt 1527 seine Stiftung. Sie bildete mit der schon damals bestehenden Ratsbibliothek den Grundstock für die spätere Stadt- und Universitätsbibliothek (heute UB Ffm.).
Ludwigs Frau Elisabeth († 1504) vermachte der Stadt weitere Stiftungen, u. a. die „Hering’sche Stipendienstiftung“.
Ehrentafel für Ludwig zum P. in der alten Stadtbibliothek (zerstört 1944).

Literatur:
                        
Friedrich, Markus/Müller, Monika E. (Hg.): Zacharias Conrad von Uffenbach. Büchersammler und Polyhistor in der Gelehrtenkultur um 1700. Berlin/Boston 2020. (Wissenskulturen und ihre Praktiken 4).Fürbeth, Frank: Privater Buchbesitz in Fft. vom Spätmittelalter bis zu Zacharias Conrad von Uffenbach. In: Friedrich/Müller (Hg.): Zacharias Conrad von Uffenbach 2020, S. 93-123, hier S. 97f.
Quellen: ISG, Dokumentationsmappe in der Sammlung S2 (mit Kleinschriften, Zeitungsausschnitten und Nekrologen zu einzelnen Personen und Familien).ISG, S2/3.879.

Paradies, Siegfried zum

Paradies, Siegfried zum. Kaiserlicher Rat. Politiker. * vermutlich in Marburg, † 8.4.1386 Ffm.
Sohn des Marburger Schöffen Siegfried des Reichen von Marburg.
Erziehung am Mainzer Stephansstift. Danach in den Diensten am Hof Kaiser Karls IV. in Wien. Erwarb 1347 das Ffter Bürgerrecht. 1349 Heirat mit einer Tochter des damals reichsten Ffter Patriziers Jakob Knoblauch. 1351 Kauf des Hauses zum Paradies an der Ecke Neue Kräme/Liebfrauenberg. Der Hausname wurde zum Familiennamen; das benachbarte Haus zum Grimmvogel 1366 erworben. 1359 Aufnahme in den Rat. 1360 Kaiserlicher Rat. 1363 Schöffe. 1373, 1379, 1381 und 1385 Älterer Bürgermeister.
Siegfried zum P. ist die wohl außergewöhnlichste Persönlichkeit im Ffm. des 14. Jahrhunderts. Er galt lange Zeit als der Mann, dem Ffm. den Erwerb des Schultheißenamts und damit praktisch die städtische Selbstverwaltung verdankte. Neuere Forschungen lassen Siegfried jedoch eher als geschickten Taktierer für seine Eigeninteressen mit einem stark ausgeprägten Machtinstinkt erscheinen. Seine engen Beziehungen zum kaiserlichen Hof wusste Siegfried glänzend auszuspielen und sicherte sich im Lauf der Zeit eine Reihe von Privilegien. So konnte er 1363 den Ffter Rat durch Kaiser Karl IV. zwingen lassen, die nächste freiwerdende Schöffenstelle an ihn zu vergeben. Im gleichen Jahr verkaufte der Kaiser das Reichsschultheißenamt und Teile des Reichsforsts – der dadurch zum Ffter Stadtwald wurde – an den reichen Patrizier. Für die Zünfte der Stadt, die in dieser Zeit ihren politischen Einfluss auszubauen suchten und gegen die oligarchische Macht in den Händen weniger Patriziergeschlechter ankämpften, war Siegfried der Inbegriff des Emporkömmlings und kaiserlichen Günstlings. Im Juni 1364 stürmte eine Gruppe von Handwerksmeistern sein Haus am Liebfrauenberg, wobei es wohl zu groben Beschimpfungen, aber nicht zu körperlicher Gewaltanwendung kam. In einem langwierigen Prozess wurden die Aufrührer 1365 der Stadt verwiesen; eine Demokratisierung der Ffter Ratsverfassung im Hinblick auf größere Mitbestimmung der Zünfte war auf lange Zeit gescheitert. Siegfried zum P. ging gestärkt aus dem Konflikt hervor. Sein durch Urkunden belegtes selbstherrliches Auftreten rief aber zunehmend das Misstrauen der anderen Patrizierfamilien im Rat hervor. Vertreter der Familien Holzhausen, Frosch und Knoblauch konnten Karl IV. schließlich – nicht zuletzt dank erheblicher finanzieller Zuwendungen – von der Gefährlichkeit der Machtfülle in Siegfrieds Händen überzeugen. Auf kaiserlichen Befehl musste Siegfried daraufhin 1372 das Schultheißenamt und den Forst an die Stadt verkaufen. Wider Willen vollzog er damit für Ffm. den entscheidenden Schritt zur städtischen Selbstverwaltung. Der politische Einfluss Siegfrieds auf die Stadtgeschicke wurde dadurch jedoch kaum geschmälert. Allein viermal bekleidete er noch das Bürgermeisteramt und konnte die Stadt bei Reichstagen, aufgrund seiner diplomatischen Erfahrungen als Gesandter, erfolgreich vertreten. In seinem Haus beherbergte er sowohl Karl IV. als auch dessen Nachfolger König Wenzel, von welchem er die Genehmigung zur Verlängerung der beiden Ffter Messen um jeweils zwei Wochen erreichte.
Siegfried zum P. wurde mit seiner zweiten Frau Katharina, geb. zum Wedel († 1378), in der Kirche des Heiliggeisthospitals begraben, zumal er seit 1382 das Pflegschaftsamt für das Hospital innehatte. Die beiden erhaltenen Grabplatten befinden sich seit dem Abriss der Heiliggeistkirche 1840 in der benachbarten Nikolaikirche. Während das Epitaph für Katharina zum P. aus derselben Werkstatt stammen dürfte, die in den 1370er Jahren das heute im Dom überlieferte Grabmal für Johann von Holzhausen und dessen Ehefrau Gudela, geb. Goldstein, schuf, kommt die vermutlich zwischen 1410 und 1420 entstandene Grabplatte für Siegfried zum P. wahrscheinlich aus der Werkstatt des Dombaumeisters Madern Gerthener; häufig wird sie auch Gerthener als dessen eigenhändiges Werk zugeschrieben, wofür bisher jedoch urkundliche Belege fehlen.
Siegfrieds Wohnhaus zum P. wurde 1775 durch eine spätbarocke Fassade mit dem Nachbarhaus zum Grimmvogel zu dem heute noch erhaltenen Gebäude verbunden.
P.gasse in Alt-Sachsenhausen.

Literatur:
                        
Becher, Werner/Fischer, Roman (Hg.): Die Alte Nikolaikirche am Römerberg. Studien zur Stadt- und Kirchengeschichte. Ffm. 1992. (Studien zur Ffter Geschichte 32).Bauer, Sofie: Die mittelaterlichen Grabdenkmäler. In: Becher/Fischer (Hg.): Alte Nikolaikirche 1992, S. 313-336, hier S. 313-319.
Quellen: ISG, Dokumentationsmappe in der Sammlung S2 (mit Kleinschriften, Zeitungsausschnitten und Nekrologen zu einzelnen Personen und Familien).ISG, S2/5.035.

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Empfohlene Zitierweise: Frost, Reinhard: Paradies, Familie zum. In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), https://frankfurter-personenlexikon.de/node/722
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Stand des Artikels: 21.9.1994