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Spyglass, James Elmer

James Elmer Spyglass

James Elmer Spyglass
Fotografie, möglicherweise von August Heerdt (um 1910).

© Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg Ffm. (Sign. S 36/F06653).
Spyglass, James Elmer. Konzertsänger. Dolmetscher. Diese Angaben konnten anhand von Dokumenten zweifelsfrei bestätigt werden.* 1.11.1877 Springfield/Ohio (USA), † 16.2.1957 Schwalbach/Taunus, begraben in Yellow Springs/Ohio.
Freude am Gesang und Achtung vor den Mitmenschen waren für den Afroamerikaner S. lebensbestimmende Werte, die bereits im Elternhaus in ihm geweckt worden waren. Er wuchs bei Zieheltern auf. Der Vater Augustus S., Schmied und nebenberuflich Organist seiner Kirchengemeinde, begann dem Jungen im Alter von vier Jahren, das Orgelspiel beizubringen.
Von dem Geld, das S. als Schüler nebenbei und später als Arbeiter in verschiedenen Berufen verdiente, gab er viel für Musikunterricht und Musikalien aus. Schon vor Aufnahme seines Musikstudiums in Toledo/Ohio 1905 war er oft als Sänger und Chorleiter aufgetreten, und 1901 hatte er in Buffalo ein preisgekröntes „Sängerfest“ – ausdrücklich unter Verwendung dieses deutschen Wortes – organisiert. 1906 reiste S. nach England, um seine Gesangstechnik zu vervollkommnen. Doch seine Ersparnisse und das Geld, das Freunde und Förderer für ihn gesammelt hatten, waren aufgebraucht, ehe er einen Studienplatz gefunden hatte, so dass er Engagements als Sänger, der sich selbst am Klavier begleitete, in Music Halls annehmen musste. Ende August 1907 gastierte S. nachweislich zum ersten Mal in Ffm., im Café van Dyk, Neue Zeil 21; möglicherweise trat er auch schon früher in der Stadt auf, denn „Die Fackel“ vom 6.4.1907 erwähnt, dass ein „Negersänger“ im Kabarett Oskar Klein zu hören gewesen sei, vielleicht S., bevor sein Name dem Publikum geläufig war. Über den Auftritt im August 1907 schrieb der Rezensent der „Fackel“: „(...) für seine hübschen Lieder dankt man ebenfalls mit lebhaftem Händeklatschen dem Negersänger Mr. Spyglass, der aber durchaus keine Niggersongs, sondern vornehme Kunstleistungen bringt.“ (Die Fackel, 31.8.1907, S. 3.)
S. tourte durch alle Länder und Regionen, in deren Sprachen er singen konnte: Englisch, Französisch, Deutsch, Italienisch, Holländisch, Dänisch und den Dialekten der Hessen, Bayern, Sachsen, Berliner und Rheinländer. Dazu kamen Gastspielreisen ins heutige Tschechien, nach Ungarn, Skandinavien und möglicherweise nach Russland. Während seiner seltenen Heimatbesuche in den USA stand anlässlich einer Konzertankündigung in der New York Age vom 5.9.1912, er sei „vielleicht der beste lyrische Bariton der Afroamerikaner“. Zwar soll S. in seiner Zeit in Europa auch Spirituals gesungen haben, doch dürften die religiösen Lieder der Afroamerikaner, die sicher einen großen Teil seines Repertoires in den USA gestellt haben, kaum fester Bestandteil seiner Darbietungen in den europäischen Varietés und Kabaretts gewesen sein. Dagegen hatten beliebte Opernarien immer ihren Platz in seinem Programm. „O du, mein holder Abendstern“ aus „Tannhäuser“ hatte er schon bei seiner Schulabschlussfeier gesungen, und belegt ist, dass er die Arie des Vaters Germont aus „La Traviata“ im Varieté vorgetragen hat. Den größten Teil seines Repertoires bildeten populäre Lieder, oft wohl gedacht als eine Art Gastgeschenk an sein Publikum, z. B. „An der Weser“, „Schön ist die Jugend“, „Mädel, ich bin dir so gut“, „Es zogen drei Burschen wohl über den Rhein“ wie überhaupt Lieder von Rhein und Wein. Zum Dank an sein Publikum in Holland, wo er von 1914 bis 1925 lebte, komponierte und textete er ein Lied mit dem Titel „Waardering“.
Häufig gastierte S. in Ffm., besonders in den Jahren 1910 bis 1914, etwa im „Intimen Theater“, „Trocadero“, „Kristall-Palast“ und „Chat Noir“. Nach 1925, als Varietés an Zuspruch verloren hatten, kam er seltener in die Mainstadt. Als S. um 1932 seine Bühnenkarriere beendete, wählte er seinen ständigen Wohnsitz in Ffm., unter der Adresse Goethestraße 10, wo er in einer Pension lebte. Deren Wirtin Helene Patt wurde seine Lebensgefährtin; von seiner Frau Mary Alice S., geb. Stewart, lebte er bereits seit etwa 1912 getrennt. Zwischen 1933 und 1944 hat er Ffm. lt. dem im ISG überlieferten Hausstandsbuch nur zu Auftritten in Holland und Reisen nach Nizza 1934, 1935 und 1938 verlassen. Ende März 1944, nach den schweren Bombenangriffen auf Ffm., zog S. nach Schwalbach am Taunus, wo er Freunde hatte. Als 1945 die US-Armee dort einrückte, löste es bei ihr – von den schwarzen Soldaten der Panzereinheit an der Spitze bis zu den Angehörigen der nachrückenden Militärverwaltung – großes Erstaunen aus, dass ein Schwarzer die nationalsozialistische Herrschaft offenbar unbehelligt überstanden hatte und sich noch dazu für die Ortsbewohner einsetzte. Auf die Frage des Korrespondenten einer Wochenzeitung der Afroamerikaner, wie er es geschafft habe zu überleben, antwortete S.: „Perhaps it was because I had lived there off and on since 1907. (...) I knew all of old Frankfurt from the bank directors down to the police. And I never mixed in politics.“ (Pittsburgh Courier, 26.3.1955, magazine section, S. 8). Schon im letzten Kriegsjahr hatte S. die Schwalbacher bei der Beseitigung der unmittelbaren Kriegsschäden unterstützt, und in der Nachkriegszeit half er ihnen erst recht, ihre wirtschaftliche Not zu lindern. Er gab Englischunterricht, für Kinder kostenlos, und für die bedürftigen Kinder hat er auch Geld gesammelt. Von 1946 bis zum Eintritt in den Ruhestand 1953 arbeitete S. als Empfangschef beim US-amerikanischen Konsulat in Ffm., wobei ihm seine Sprachkenntnisse, das Frankfurterische eingeschlossen, wieder gute Dienste taten. Nicht zuletzt wegen seiner Ausgeglichenheit und seiner Freundlichkeit war er geschätzt bei Klienten wie Kollegen. Seine letzten Geburtstage wurden feierlich begangen. Zu seinem 75. Geburtstag 1952 hat S. noch einmal im Radio – sowohl im HR als auch im AFN – gesungen.
Die Erinnerungen, an denen S. Ende der 1940er Jahre schrieb und die gleichzeitig in einem amerikanischen und einem deutschen Verlag erscheinen sollten, gelten als verloren.
Zum Dank für seine Hilfeleistungen in den Kriegs- und Nachkriegsjahren wurde S. 1954 die Ehrenbürgerschaft der Stadt Schwalbach verliehen. Auch lobte Schwalbach 1975 einen Preis für multikulturelle Verdienste aus, der den Namen von S. trägt.
Gedenktafel (2013) an S.’ letztem Wohnhaus im Steinweg 7 in Schwalbach.

Artikel aus: Frankfurter Personenlexikon, verfasst von Hans Pehl.

Lexika: African American National Biography. Ed. in chief by Henry Louis Gates Jr./Evelyn Brooks Higginbotham. Oxford 2008.Lotz, Rainer E.: Spyglass, Elmer. In: African American National Biography 2008, Bd. 7, S. 163f.
Literatur:
                        
Füllgrabe, Jörg: Wer war James Elmer Spyglass. Schwalbach o. J. [um 1975].Füllgrabe: Wer war James Elmer Spyglass [um 1975]. | Zwischen Main und Taunus. Jahrbuch des Main-Taunus-Kreises. [Untertitel auch: MTK-Jahrbuch.] Hg. v. Kreisausschuss des Main-Taunus-Kreises. Bisher 22 Jahrgänge. Hofheim 1993-2015.Higman, Charles: Der Schwalbacher Ehrenbürger James Elmer Spyglass. In: Zwischen Main u. Taunus 1996, S. 151-157.
Quellen: Die Neue Zeitung (NZ). München (1945-51)/Ffm. (1949-53)/Berlin (1953-55) 1945-55.Jameson, Egon: Ein Troubadour darf sich nicht zur Ruhe setzen. In: Die Neue Zeitung 8 (1952), Nr. 210, 6./7.9.1952, S. 17. | Doctor Jazz Magazine. Utrecht 1963-heute.zur Heide, Karl Gert: James Elmer Spyglass. In: Doctor Jazz Magazine 21 (1983), Nr. 100, S. 41f. | Doctor Jazz Magazine. Utrecht 1963-heute.Lotz, Rainer E.: Elmer James Spyglass – singer, instrumentalist, and diplomat – an update. Part 1 & 2. In: Doctor Jazz Magazine 44 (2006), Nr. 195, Dez. 2006, S. 10-17, und 45 (2007), Nr. 196, März 2007, S. 5-11. | Doctor Jazz Magazine. Utrecht 1963-heute.Toornstra, Aldert: Elmer Spyglass in Holland. In: Doctor Jazz Magazine 52 (2014), Nr. 226, Herbst 2014, S. 9-16. | Heimat u. Geschichte Schwalbach am Taunus. Mitteilungen des Arbeitskreises gegr. 2005. [Schwalbach ca. 2005-09.]Peters, Richard: J. Elmer Spyglass, Ehrenbürger von Schwalbach. Geboren vor 130 Jahren, gestorben vor 50 Jahren. In: Heimat u. Geschichte Schwalbach am Taunus, Ausgabe 3, Nov. 2007, S. 13-20. | ISG, Dokumentationsmappe in der Sammlung S2 (mit Kleinschriften, Zeitungsausschnitten und Nekrologen zu einzelnen Personen und Familien).ISG, S2/16.762. | Life Magazine. New York City 1883-2000/07.Lang, Will: J. Elmer Spyglass: ex-cabaret singer helps teach Germany about the US and its democracy. In: Life, 3.11.1947, S. 4. | Life Magazine. New York City 1883-2000/07.Spyglass, J. Elmer: Dankesbrief. In: Life, 12.1.1948, S. 8. | Pittsburgh Courier. Pittsburgh/Pennsylvania (USA) 1907-66.Model, Frank P. : Elmer Spyglass, salesman for democracy. In: Pittsburgh Courier, 26.3.1955, magazine section, S. 8.

GND: 118924814X (Eintrag der Deutschen Nationalbibliothek).
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Empfohlene Zitierweise: Pehl, Hans: Spyglass, James Elmer. In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), https://frankfurter-personenlexikon.de/node/7906

Stand des Artikels: 8.5.2016
Erstmals erschienen in Monatslieferung: 05.2016.