Tochter von
Mendel H. Enkelin von
Samson Raphael H.Sechstes von elf Kindern. Besuch der Höheren Töchterschule der Israelitischen Religionsgesellschaft in Ffm., die ihr
Vater als Direktor leitete. 1885 dort Abitur. Ausbildung am Lehrerinnenseminar in Wiesbaden. Nach dem Examen (1889) bis 1898 Tätigkeit als Lehrerin an der Höheren Töchterschule der Israelitischen Religionsgesellschaft in Ffm. Privatunterricht durch Gymnasiallehrer in Ffm. und Zürich zur Vorbereitung auf das Maturitätsexamen und das Universitätsstudium, das für Frauen in Deutschland um die Jahrhundertwende erst nach und nach, an einzelnen Landesuniversitäten, möglich wurde. Von 1898 bis 1903 Studium der Medizin in Zürich, Straßburg, Leipzig und wieder in Straßburg, abgeschlossen mit der Approbation und Promotion (1903). Von 1903 bis 1919 Ärztin an der Charité in Berlin, wo sie als Internistin seit 1908 die Poliklinik der II. Medizinischen Klinik leitete. Am 5.11.1913 wurde H. als dritter Frau in Deutschland, als erster Frau in Preußen und als erster Jüdin in der Medizin der Professorentitel verliehen, bevor es überhaupt ein Habilitationsrecht für Frauen gab. Da ihr jedoch eine Dozentur oder gar ein Lehrstuhl versagt blieb und zudem die bisherige Leitung der Poliklinik zugunsten eines aus dem Krieg heimgekehrten männlichen Kollegen entzogen wurde, schied sie 1919 aus dem Dienst der Charité aus. Seitdem beschränkte sich H. auf ihre Tätigkeit als niedergelassene Ärztin in Berlin. Ihre moderne internistische Praxis mit „großer Röntgeninstallation“ (vgl. H.s „Therapeutisches Taschenbuch der Elektro- und Strahlentherapie“, 1920) konnte sie nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 nur noch eingeschränkt weiterführen. 1938 nach London emigriert, wo sie als Laborassistentin und Übersetzerin arbeitete. H. starb in einer Londoner Nervenklinik.
Zahlreiche wissenschaftliche Publikationen zu pathophysiologischen und klinischen Fragen (1903-19) sowie Vorträge zur „Körperkultur der Frau“ (1913).
Während ihrer Zeit an der Charité erforschte H. vor allem Stoffwechselprozesse und -erkrankungen. Sie wies 1906-08 erstmals nach, dass oral verabreichte großkorpuskuläre Partikel wie z. B. Stärkekörner über das Blutgefäßsystem in den Harn gelangen und damit ausgeschieden werden können (vgl. H.s Fachaufsätze „Über das Vorkommen von Stärkekörnern im Blut und Urin“, 1906, und „Ueber das Uebergehen corpusculärer Elemente in den Harn“, 1908). Diese Untersuchungsergebnisse wurden zunächst von der Fachwelt verlacht und gerieten in Vergessenheit, bis sie nach einem halben Jahrhundert an der Charité zufällig wiederentdeckt und wissenschaftlich bestätigt wurden (1957-60). Dadurch wurde H. fachlich rehabilitiert, und ihre Entdeckung ist seitdem nach ihr benannt („Hirsch-Effekt“).
Gedenkbriefmarke der Deutschen Post aus dem Anlass „100 Jahre Professorentitel Rahel Hirsch“ (2013).
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