Richter, Willi (eigentl.: Willy). Feinmechaniker. Gewerkschafter. Politiker. * 1.10.1894 Ffm., † 27.11.1972 Ffm.
Als Sohn eines zugewanderten Maschinenschlossers wuchs R. in Bornheim auf.
Von 1901 bis 1909 Besuch der Kirchnerschule (Volksschule). Anschließend absolvierte R. eine dreijährige Lehre als Feinmechaniker. 1913 Beitritt zum Deutschen Metallarbeiterverband. Teilnahme am Ersten Weltkrieg. Im Dezember 1918 Angestellter bei der Ffter Stadtverwaltung als Mechaniker im Maschinenamt. 1919 Eintritt in die SPD. 1920 Betriebsratsvorsitzender seiner Dienststelle. Seit Juli 1922 Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats der Ffter Stadtverwaltung. Gleichzeitig Gasthörer an der Ffter Universität durch den Besuch der Akademie der Arbeit (1923/24). Von 1926 bis 1933 war R. Sekretär im Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund in Darmstadt; dort wirkte er von 1928 bis 1933 auch als Stadtrat. Enger Kontakt zu Wilhelm Leuschner. Nach der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ wurde R. aller Ämter enthoben. Rückkehr nach Ffm. Dort im Sommer 1934 kurzzeitig verhaftet. Vorübergehend in Berlin. Seit 1938 wieder in Ffm., wo er als Teilhaber eines Großhandels für Metzgereibedarf bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs einigermaßen unbehelligt lebte. Ab etwa 1941 bemühte sich R., in Verbindung mit Wilhelm Leuschner eine illegale Bezirksleitung der Gewerkschaften in Hessen aufzubauen. In den letzten Kriegswochen zum „Volkssturm“ verpflichtet.
Nach Kriegsende widmete sich R. umgehend dem Wiederaufbau des deutschen Gewerkschaftswesens. Im August 1946 wurde er zum ersten Landesvorsitzenden des Freien Gewerkschaftsbunds Hessen (bei dessen Gründungsversammlung im Volkshaus Bergen-Enkheim) gewählt. Seit 1950 Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB). Von 1956 bis 1962 DGB-Vorsitzender. Gleichzeitig Vizepräsident im Internationalen Bund Freier Gewerkschaften.
In der Entstehungsphase der Bundesrepublik entwickelte R. ein umfangreiches politisches Engagement. 1946 Mitglied des Beratenden Landesausschusses, dann der Verfassungberatenden Landesversammlung Groß-Hessen. Von 1947 bis 1949 Mitglied im Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebiets. Von 1949 bis 1957 Bundestagsabgeordneter (SPD) und Vorsitzender des Ausschusses für Sozialpolitik. 1949 Mitglied der 1., 1954 der 2., 1959 der 3. Bundesversammlung.
Daneben Landesarbeitsrichter in Hessen, Vorsitzender der Hans-Böckler-Gesellschaft und Senator der Max-Planck-Gesellschaft.
1959 Ehrenplakette der Stadt Ffm. 1961 Großes Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband. 1966 Wilhelm-Leuschner-Medaille des Landes Hessen.
Sonderbriefmarke der Deutschen Bundespost zu R.s 100. Geburtstag (1994).
Artikel aus: Frankfurter Biographie 2 (1996), S. 195f.,
verfasst von: Reinhard Frost.
Dieser Artikel wurde noch nicht abschließend für das Frankfurter Personenlexikon überarbeitet.
Array
(
[de] => Array
(
[0] => Array
(
[value] => literfasst
)
)
)
Lexika:
Lengemann, Jochen: Das Hessen-Parlament 1946-1986. Biographisches Handbuch des Beratenden Landesausschusses, der Verfassungberatenden Landesversammlung Groß-Hessen und des Hessischen Landtags. 1.-11. Wahlperiode. Ffm. 1986. (Die Hessen-Bibliothek im Insel Verlag).Lengemann: Hessen-Parlament, S. 361. |
Hessische Landesregierung: Im Dienste der Demokratie. Die Trägerinnen und Träger der Wilhelm-Leuschner-Medaille. Hg. v. d. Hessischen Staatskanzlei. Wiesbaden 2004.Trägerinnen u. Träger d. Wilhelm-Leuschner-Medaille 2004, S. 51f.
Literatur:
Beier, Gerhard: Arbeiterbewegung in Hessen. Zur Geschichte der hessischen Arbeiterbewegung durch 150 Jahre (1834-1984). Ffm. 1984. (Die Hessen-Bibliothek im Insel Verlag).Beier: Arbeiterbewegung 1984, S. 533f. |
Beier, Gerhard: Willi Richter. Ein Leben für die soziale Neuordnung. Köln 1978.Beier: Willi Richter 1978. |
Genealogie. Deutsche Zeitschrift für Familienkunde. Jahrgänge 11/12-67. Göttingen, später Neustadt/Aisch, dann Insingen 1962/63-2018.Huschke, Wolfgang: „Mir komme von unne ruff, und schaffe’s uns selber“. Zur Herkunft des DGB-Vorsitzenden Willi Richter (1894-1972). In: Genealogie, H. 3/1985, S. 478-487. |
Parisius, Bernhard/Scholl-Seibert, Jutta: „...der Demokratie entgegengehen“. Die Sitzungsprotokolle des Beratenden Landesausschusses von Groß-Hessen im Jahr 1946. Eine Dokumentation. Wiesbaden 1999. (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau 65; Vorgeschichte und Geschichte des Parlamentarismus in Hessen 11).Parisius/Scholl-Seibert: Beratender Landesausschuss von Groß-Hessen 1999, S. 44f. |
Republik, Diktatur und Wiederaufbau. Hessische Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Hg.: Hessische Landeszentrale für politische Bildung. Wiesbaden [1995]. (Kleine Schriftenreihe zur hessischen Landeskunde 4).Beier, Gerhard: Sozialstaat als realutopische Perspektive im Kampf gegen den Hitlerismus und für eine soziale Demokratie. Vergleichende Lebensbeschreibung von Willi Richter (1894-1972) und Wilhelm Leuschner (1890-1944) (...). In: Republik, Diktatur u. Wiederaufbau. Hess. Persönlichkeiten d. 20. Jh.s 1995, S. 61-66. |
Riedle, Peter Joachim (Hg.): Wiesbaden und der 20. Juli 1944. Beiträge von Gerhard Beier, Lothar Bembenek, Rolf Faber, Peter M. Kaiser und Axel Ulrich. Wiesbaden 1996. (Schriften des Stadtarchivs Wiesbaden 5).Riedle (Hg.): Wiesbaden u. der 20. Juli 1944, S. 113-117 u. ö. |
Stamm, Christoph [Bearb.]: Die SPD-Fraktion im Ffter Wirtschaftsrat 1947-1949. Protokolle, Aufzeichnungen, Rundschreiben. Bonn 1993. (Archiv für Sozialgeschichte / Beiheft 13).Stamm: Die SPD-Fraktion im Ffter Wirtschaftsrat 1993.
Quellen:
ISG, Dokumentationsmappe in der Sammlung S2 (mit Kleinschriften, Zeitungsausschnitten und Nekrologen zu einzelnen Personen und Familien).ISG, S2/4.208.
GND: 118600559 (
Eintrag der Deutschen Nationalbibliothek).
© 2024 Frankfurter Bürgerstiftung und bei dem Autor/den
Autoren
Empfohlene Zitierweise:
Frost, Reinhard: Richter, Willi. Artikel aus der Frankfurter Biographie (1994/96) in: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), https://frankfurter-personenlexikon.de/node/888
Stand des Artikels: 27.2.1995