W. kam als Tochter von Benjamin Friedeberg (1830-1915) in Birnbaum, der „Wiege der Warenhäuser“, zur Welt. Ihre Mutter Johanna Tietz (1835 oder 1853-1879) entstammte der gleichnamigen Kaufhausdynastie und war eine Schwester der Warenhausgründer Leonhard (1849-1914) und Oscar Tietz (1858-1923) sowie die Nichte von Hermann Tietz („Hertie“; 1837-1907). 1891 heiratete W. den Kaufmann
Hermann W. (1867-1942) aus Kähme und zog mit ihm nach Ffm. Die Eheleute bekamen drei Kinder: Max (1892-1966), Erich (1894-1918) und Alice (seit 1921 verh. Engel, 1898-1985). Erich W. starb jung an den Folgen einer Tuberkulose, die er sich als Garde-Ulan an der Weltkriegsfront in Russland zugezogen hatte.
Der Ehemann
Hermann W. eröffnete 1891 in Ffm. auf der Zeil 14-16 ein erstes eigenes Warenhaus, mit dem er nach fünf Jahren einen Neubau in der Hasengasse 15-17 bezog. Später war er Eigentümer, Direktor und Vorstandsmitglied der Warenhauskette „Wronker“ mit dem ab 1907 erbauten prächtigen Geschäftsgebäude Zeil 101-105, seinerzeit dem größten Ffter Warenhaus, das 1910 und 1926 weiter ausgebaut und modernisiert wurde (Kaufhausgebäude weitgehend kriegszerstört, lediglich Reste der rückseitigen Fassade zum Holzgraben erhalten). Es bot den Kundinnen und Kunden ein komplettes und branchenübergreifendes Sortiment. Zu der 1921 in Mannheim gegründeten „Hermann Wronker AG“ gehörten auch mehrere, teilweise schon ab der Jahrhundertwende bestehende Filialen, etwa auf der Leipziger Straße in Ffm.-Bockenheim, in Hanau, Nürnberg und Pforzheim. Das Unternehmen beschäftigte in seiner Blütezeit etwa 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zeitweise führte der Ehemann den Betrieb gemeinsam mit Sohn Max W., und W. war dort als Prokuristin tätig.
W. trat als soziale Wohltäterin hervor. So arbeitete sie mit ihrem Ehemann regelmäßig für das Rote Kreuz. Der frühe Tod ihres Sohnes mochte W. dazu bewogen haben, sich ab 1918 als Ehrendame im Gumpertz’schen Siechenhaus für die Bewohnerinnen und Bewohner zu engagieren;
Hermann W. gehörte dem Vorstand der Einrichtung an. Ebenfalls ehrenamtlich betätigte sich W. für das Heim des Jüdischen Frauenbunds in Neu-Isenburg, das ab 1907 sozial gefährdete Mädchen, alleinstehende Schwangere sowie ledige Mütter aufnahm und betreute. Während des Ersten Weltkriegs und in der Notzeit bis zum Ende der Inflation 1923 versorgten die Eheleute W. täglich bedürftige Kinder im Erfrischungsraum des Warenhauses.
Die Familie wohnte ab 1911 in einer großbürgerlichen Villa, Hohenzollernplatz 76-78 (heute: Senckenberganlage 10-12; nicht erhalten, an der Stelle seit 1952 das Chemaghaus). Zur Sommerfrische fuhr sie regelmäßig in ihr Königsteiner Landhaus, Rombergweg 4, erworben 1927 (ehem. Villa Flinsch; erhalten).
Noch im hohen Alter erzählte Enkelin Ruth Maynard, geb. Engel (1924-2019): „An Ida, die Großmutter, erinnere ich mich als eine ziemlich eindrucksvolle Dame. Sie war sehr klug, und mir sagte man, dass sie Großvater dabei helfe, ‚nach den Büchern zu sehen‘. Ihr Stadthaus war sehr geschmackvoll, sie waren eben Leute mit Kultur. Ida sah immer sehr gepflegt aus, und auch das Haus war gut organisiert. Ich sehe noch den Wäscheschrank vor mir – das ganze Leinen war gefaltet und festgeschnürt mit kleinen rosa-grauen Schleifen. Wenn ich so zurückblicke, trug Ida stets dunkle Kleidung und spitze Schuhe. Um den Hals hatte sie eine goldene Kette mit einer Art Medaillon und trug immer eine kleine silberne Schachtel mit sich mit verschiedenen Dingen, die Menschen zwecks Erhaltung ihrer Gesundheit nehmen, wie etwa getrocknete Feigen.“ (Initiative Stolpersteine Ffm., 15. Dokumentation 2017, S. 46, Übersetzung aus dem Englischen von Alfons Maria Arns.)
Nach der „Machtübernahme“ durch die Nationalsozialisten wurden auch die Kaufhäuser der W.-Kette ab 1.4.1933 boykottiert. Ein Jahr später folgte die erzwungene „Arisierung“. Sohn Max W. war bereits 1933 mit seiner Frau und den beiden Kindern über Paris nach Ägypten emigriert; ab 1949 lebte er in den USA. Tochter Alice rettete sich mit ihrem Ehemann Dr. Hermann Engel (1886-1971) nach Kairo und später in die USA. Ida und
Hermann W. hatten ihre Tochter 1937 noch in Ägypten besucht, kehrten jedoch in das Deutsche Reich zurück, um gesammelte Spenden an den Hilfsverein für jüdische Lungenkranke „Etania“ in Davos zu übergeben. 1939 zogen Ida und
Hermann W. kurzfristig nach Berlin, kehrten jedoch nach Ffm. zurück. Die Liegenschaften in Ffm. und Königstein waren zwischenzeitlich verfolgungsbedingt verkauft oder zwangsweise entzogen worden. Die Eheleute wurden ohne Angabe von Gründen verhaftet. Während
Hermann W. nach wenigen Tagen freikam, blieb W. für sechs Wochen im Untersuchungsgefängnis Preungesheim inhaftiert. Zuvor hatte W., um beider Lebensunterhalt im Exil zu sichern, Geld und Schmuck in die Schweiz transferieren lassen. Ohne Wissen ihres Ehemannes versuchte sie damit, die Jüdinnen und Juden diskriminierenden Vermögensabgaben zu umgehen. Der Verstoß flog auf, und das Ehepaar musste sich vor der Zollfahndungsstelle verantworten.
Im Lauf des Jahres 1939 flohen die Eheleute nach Paris, in der Hoffnung, von dort aus doch noch zu Sohn und Tochter gelangen zu können. Obwohl sie irgendwann Fahrkarten nach Kairo besaßen, durften sie die inzwischen von der deutschen Wehrmacht besetzte Zone Frankreichs nicht mehr verlassen. Zuletzt lebte das Ehepaar W. in Sauray im westfranzösischen Département Vienne. 1942 wurden Ida und
Hermann W. von Clermont-Ferrand zuerst in das Lager Poitiers, dann in das Internierungslager Drancy und von dort am 23.9.1942 in das Vernichtungs- und Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Sie wurden wahrscheinlich nach der Ankunft im Vernichtungslager sofort ermordet. Die Todesdaten sind nicht bekannt.
Seit 2017 Stolpersteine für Ida und
Hermann W. sowie für das Kaufhaus Wronker vor dem früheren Standort des Warenhauses auf der Ffter Zeil. Gedenkstein auf dem Jüdischen Friedhof Rat-Beil-Straße in Ffm. Die Gedenkstätte Neuer Börneplatz erinnert an Ida W.,
Hermann W. und deren Nichte Johanna W. (1889-1943). Für Johanna W. wurde 2018 ebenfalls ein Stolperstein – vor ihrem einstigen Wohnhaus in der Hammanstraße 3 im Nordend – verlegt.
„Lili Wronker Family Collection“, Sammlung zur Familiengeschichte aus dem Besitz von Lili W., geb. Cassel (* 1924), der Ehefrau von Erich W. (1921-1997), dem Enkel von Ida und
Hermann W., im Leo Baeck Institute in New York (digitalisiert und online einsehbar).
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