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Schermann, Henny

Henny Schermann

Henny Schermann
Haftfoto (1940) mit „Diagnose“ des Arztes Friedrich Mennecke auf der Rückseite.

© Staatsarchiv Nürnberg.
Schermann, Henny (laut Geburtseintrag: Henni). Verkäuferin. * 19.2.1912 Ffm., † vermutlich zwischen Februar und April 1942 Tötungsanstalt Bernburg/Saale.
Älteste Tochter des Feintäschners Julius Chil Sch. (1890-1948) und dessen Ehefrau Selma, geb. Stern (1894-nach 1941). Zwei jüngere Geschwister: Herbert Sch. (1914-1942), Tapezierer und Täschner, und Regina Sch. (1916-nach 1941), Verkäuferin.
Über Henny Sch.s Kindheit ist so gut wie nichts bekannt. In amtlichen Quellen wird Sch. oft als polnische Staatsangehörige bezeichnet, da der Vater aus Radom, einer Großstadt etwa 100 Kilometer südlich von Warschau, stammte. Er war 1911 in Offenbach am Main ansässig, die Mutter stammte aus Ober-Ramstadt. Die Familie wohnte um 1916 in der Kleinen Friedberger Straße 6 in Ffm., ab etwa 1925 (ohne den Vater) in der Heiligkreuzgasse 13 und um 1935 in der Mainstraße 17. Als die Eltern sich 1931 endgültig trennten, zog Julius Chil Sch. mit dem Sohn Herbert nach Paris; die Mutter übernahm das Schuhgeschäft ihrer Eltern in der Meisengasse 6, musste es im Zuge antisemitischer Boykottaufrufe aber bald aufgeben. Offenbar arbeitete Henny Sch. – ebenso wie ihre Schwester Regina – zeitweise in diesem Geschäft. Auch in den folgenden Jahren war sie als Verkäuferin tätig. Falsch ist die gelegentlich in Übersichtsartikeln verbreitete Behauptung, Henny Sch. sei in den 1930er Jahren Mutter eines Sohnes geworden, der nach dem Zweiten Weltkrieg auf Antrag des nicht-jüdischen Vaters für ehelich erklärt wurde. Bei Walter Sch. (1933-?) handelte es sich um einen Neffen Sch.s, den Sohn ihrer Schwester Regina.
Am 13.1.1940 wurde Henny Sch. unter nach wie vor ungeklärten Umständen verhaftet und am 1.3.1940 in das Konzentrationslager Ravensbrück eingeliefert, wo sie die Häftlingsnummer 2883 erhielt. In den Papieren wurde sie als politische Gefangene und Jüdin geführt. Am 14.6.1940 wurde Sch. vom Amtsgericht Ffm. offenbar in Abwesenheit wegen „Vergehen gegen das Gesetz vom 17.8.1938“ zu zehn Tagen Haft verurteilt. Folglich dürfte sie gegen die nationalsozialistische Namensänderungsverordnung verstoßen haben, nach der jüdische Frauen ihrem Vornamen den Zusatz „Sara“ hinzuzufügen hatten. Sch. wurde am 10.10.1940 zur Verbüßung ihrer Haftstrafe in das Gerichtsgefängnis Prenzlau verbracht, von dort jedoch Anfang des Monats November 1940 in das KZ Ravensbrück rücküberführt. Im Zuge einer Untersuchung durch den Arzt und Psychiater Friedrich Mennecke (1904-1947) wurde sie mit den herabsetzenden Worten charakterisiert: „Triebhafte Lesbierin, verkehrte nur in solchen Lokalen. Vermied den Namen ‚Sara‘. Staatenlose Jüdin“. Unbekannt ist, welche Einrichtungen mit „solchen Lokalen“ gemeint waren, da Ende der 1930er Jahre kaum noch „einschlägige“ Gaststätten und Treffpunkte für Homosexuelle im Ffter Raum existierten.
In der Folge wurde Henny Sch. ein Opfer der mörderischen und menschenverachtenden Maßnahmen, die unter der Bezeichnung „Aktion 14f13“ bekannt wurden. Durch Selektionen sollten zunächst kranke und damit arbeitsunfähige Häftlinge aus überfüllten Lagern „entfernt“ und getötet werden; später fielen dieser „Aktion“ auch Frauen und Männer zum Opfer, die aus „rassischen“ oder politischen Gründen oder wegen ihres sozial abweichenden Verhaltens verfolgt wurden. Henny Sch. wurde vermutlich zwischen Februar und April 1942 zusammen mit 1.600 anderen Frauen in der „Heil- und Pflegeanstalt“ Bernburg/Saale mit Giftgas getötet. Nach Angaben der Lagerleitung starb sie hingegen am 30.5.1942 im Konzentrationslager Ravensbrück. Es dürfte sich hierbei um fiktive Angaben gehandelt haben, die gemacht wurden, um die Mordaktion und den eigentlichen Tötungsort geheim zu halten.
Seit Frühjahr 2010 erinnern Stolpersteine, die auf Initiative des Frauenprojekts Fft.-Ravensbrück im Studienkreis Deutscher Widerstand vor dem Haus Meisengasse 6 in Ffm. verlegt wurden, an die vier ermordeten Mitglieder der Familie Sch. Die Mutter Selma und ihre Tochter Regina Sch. wurden am 19.10.1941 mit dem ersten Transport aus Ffm. in das Ghetto Lodz („Litzmannstadt“) verschleppt, wo sich ihre Spuren verlieren. Der Sohn Herbert Sch. wurde 1941 in Frankreich verhaftet, in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort am 23.9.1942 ermordet. Laut amtlichen Unterlagen soll er einen „plötzlichen Herztod“ erlitten haben.
Julius Chil Sch., der Vater Henny Sch.s, überlebte als einziger seiner nächsten Angehörigen die Shoah. Er wurde 1944 in Auxerre (Frankreich) verhaftet und dort von den Alliierten befreit. Er starb 1948 in Paris an den Nachwirkungen der Verfolgung.

Artikel aus: Frankfurter Personenlexikon, verfasst von Raimund Wolfert.

Literatur:
                        
Eschebach, Insa (Hg.): Homophobie und Devianz. Weibliche und männliche Homosexualität im Nationalsozialismus. 2. Aufl. Berlin 2016. (Forschungsbeiträge und Materialien der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten 6).Schoppmann, Claudia: Elsa Conrad – Margarete Rosenberg – Mary Pünjer – Henny Schermann. Vier Porträts. In: Eschebach (Hg.): Homophobie und Devianz 2016, S. 97-111 (https://sexualityandholocaust.files.wordpress.com/2018/09/claudia-pc3bcnjer.pdf, abgerufen am 5.3.2021).
Internet: Stolpersteine in Ffm., Internetdokumentation der Initiative Stolpersteine in Ffm. e. V., Ffm. https://stolpersteine-frankfurt.de/media/pages/dokumentation/74ac16c350-1624115957/doku2010_web.pdf
Hinweis: Initiative Stolpersteine Ffm., 8. Dokumentation 2010, S. 22.
Stolpersteine in Ffm., 7.2.2022.
| Internetseiten des United States Holocaust Memorial Museum, u. a. mit einer „Holocaust Encyclopedia“, Washington. https://encyclopedia.ushmm.org/content/en/id-card/henny-schermannUnited States Holocaust Memorial Museum, 5.3.2021. | Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. https://en.wikipedia.org/wiki/Henny_Schermann
Hinweis: Artikel aus der englischsprachigen Wikipedia.
Wikipedia, 5.3.2021.


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Empfohlene Zitierweise: Wolfert, Raimund: Schermann, Henny. In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), https://frankfurter-personenlexikon.de/node/12067

Stand des Artikels: 9.3.2021
Erstmals erschienen in Monatslieferung: 03.2021.