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Reich, Philipp

Erster Kirchenmusikdirektor der EKHN.

Philipp Reich (1946)
Philipp Reich
Passfoto (auf einem Kennkartenmeldebogen, Offenbach, 1946).
© HLA, Hessisches Staatsarchiv Darmstadt (Bestand H 3 Offenbach Nr. 148489).
Philipp Reich
Philipp Reich
Fotografie [um 1975; aus Schuberth (Hg.): Singen und Bekennen. FS Philipp Reich 1984].
© privat. Nähere Informationen auf Anfrage bei der Redaktion.
Reich, Philipp. Kirchenmusiker. * 14.8.1909 Ffm., † 16.4.1986 Ffm.
Sohn des Kaufmanns Heinrich R. und dessen Ehefrau Anna, geb. Genz. Verheiratet in erster Ehe (seit 1940) mit Gisela R., geb. Diedrich (um 1919/20 bis 1963), in zweiter Ehe (seit 1965) mit der Kirchenmusikerin und Theologin Christa R., geb. Bars (* 1937).
R. wuchs in Ffm. auf. Die Prägung durch den Christlichen Verein Junger Männer (CVJM) in den 1920er Jahren verhalf ihm zur Gewissheit, dass er Kirchenmusiker werden müsse. Damals übernahm er die Leitung eines Männerchors im CVJM. Von 1924 bis 1927 machte R. eine kaufmännische Lehre, um sich anschließend (1927-31) einer kaufmännischen Tätigkeit zu widmen. Seit 1932 war er Orgelschüler von Helmut Walcha (1907-1991). Von 1933 bis 1937 absolvierte R. ein Studium am Hoch’schen Konservatorium in Ffm.; in dieser Zeit nahm er bereits an Singwochen teil. Seit 1934 arbeitete er als Chorleiter und Organist der Friedensgemeinde in Offenbach und wurde bald darauf Walchas Assistent an der Friedenskirche in Ffm. 1936 legte er die staatliche Prüfung für Organisten und Chordirigenten (A-Examen) an der Akademie für Kirchen- und Schulmusik in Berlin ab.
R.s hoffnungsvolles Wirken als Kirchenmusiker brach im Dezember 1939 ab, als er als Soldat zur Wehrmacht einberufen wurde. Sein letzter Dienstgrad war der eines Unteroffiziers. Im Dezember 1943 erlitt R. infolge eines Kopfschusses eine Lähmung beider Arme und beider Beine. Es folgten 1 ½ Jahre im Lazarett. Mit außergewöhnlicher Willenskraft und Disziplin konnte er seine Beweglichkeit weitgehend zurückgewinnen, wobei eine Lähmung des rechten Beines blieb. R. konnte nicht mehr Orgel spielen und wurde als 80 % körperbeschädigt eingestuft. Auf sein Exlibris setzte er später seinen Wahlspruch aus dem Buch der Sprüche Salomos (16,32): „Praestantior est lentus quam fortis“ (Ein Geduldiger ist besser denn ein Starker), der das Anfangsmotiv von Bachs „Magnificat“ umrahmt.
Im Mai 1946 wurde R. von Pfarrer Lic. René Wallau (1891-1955) und Helmut Walcha als Stadtkantor nach Ffm. geholt. Er gründete noch im selben Jahr die Kirchenmusikschule in Ffm. (zuerst in der Marschnerstraße 5, von 1950 bis 1953 in der Fürstenbergerstraße 147, seit 1953 in der Fürstenbergerstraße 221), die er bis 1977 leitete. Zugleich wirkte er lange als Dozent an der Staatlichen Hochschule für Musik in Ffm. Zudem war er von 1946 bis 1982 Landesobmann, danach bis 1986 stellvertretender Landesobmann des Verbandes evangelischer Kirchenchöre Hessen und Nassau. Auf Initiative von Wallau wurde R. 1947 Geschäftsführer des im Frühjahr 1946 wiedergegründeten Amts für Kirchenmusik mit Sitz in Ffm. Seit der Neugründung des Kirchenmusikerverbands in der EKHN 1947 hatte er auch dessen 600 Mitglieder in musikalischen und persönlichen Fragen zu beraten. Seit 1949 war R. hauptamtlicher Leiter des Amts für Kirchenmusik. Die Titulatur für sein Leitungsamt änderte sich im Lauf seiner Tätigkeit und ist in den Akten nicht übereinstimmend vermerkt. Nach seiner Personalakte war er von 1954 bis 1965 Landeskirchenmusikwart der EKHN; laut Schreiben der Kirchenleitung vom 9.6.1949 trug R. diesen Titel aber schon seit 1949. Im Jahr 1965 wurde er zum Kirchenmusikdirektor der EKHN ernannt. Das Amt hatte er de facto von 1949 bis zu seiner Pensionierung 1977 inne.
Als Ffter Stadtkantor besuchte R. die Gemeinden, wo die Menschen zu den Abendsingstunden strömten, und sang mit ihnen. Später bekannte er, in den ersten Nachkriegsjahren habe er gelernt, was Gemeindesingen sein könne. Die Veranstaltung zahlreicher Singwochen gehörte zu den Schwerpunkten seiner Arbeit. Auch fanden unter seiner Leitung seit 1949 im Kloster Eberbach Landeskirchengesangstage der evangelischen Kirchenchöre in Hessen und Nassau mit bis zu 4.000 Teilnehmern statt. Dabei war ihm das Erlebnis christlicher Gemeinschaft wesentlich. Junge und ältere Menschen sollten eine Botschaft hören, die in Musik eingekleidet ist: „Es kommt entscheidend darauf an, daß der Mensch wächst an und mit den Dingen, die er tut, wenn er singt und musiziert oder meditiert.“ [Philipp Reich: Hundert Jahre Verband evangelischer Kirchenchöre Deutschlands 1883-1983. Ein Versuch. In: Musik & Kirche 54 (1984), S. 55.] Schon früh brachte R. den Begriff „Meditation“ in die kirchliche Arbeit ein. Seit 1968 veranstaltete er regelmäßig Sing- und Meditationswochen im Kloster Kirchberg bei Sulz am Neckar, in denen er die Singenden zu der Einübung ins Hören und einem bewusst hörenden Singen führte.
Außerdem leitete R. die 1948 gegründete, aus Mitgliedern einer Singfreizeit in der Burg Hohensolms hervorgegangene Hessische Kantorei (bis 1986). Dieser Chor, den Sängerinnen und Sänger aus Hessen bilden, besucht jeden Monat eine kleine, meist ländliche Gemeinde in der EKHN mit einer geistlichen Abendmusik und war in den Anfangsjahren hin und wieder bei Morgenfeiern des Hessischen Rundfunks zu hören.
Als Leiter des Amtes für Kirchenmusik und Landesobmann des Chorverbandes gab R. die Zeitschrift „Kirchenmusikalische Nachrichten“ und zahlreiche Werke der Chorliteratur in Heften heraus. 1952 erschien die Chorsammlung „Das Wochenlied“. Von 1952 bis 1985 war R. auch Mitherausgeber der Zeitschrift „Der Kirchenchor“. 1975 veröffentlichte er zusammen mit dem Mainzer praktischen Theologen Manfred Mezger (1911-1996) und dem Kirchenmusiker Diethard Hellmann (1928-1999) ein Memorandum zur Frage der Ausbildung des theologischen Nachwuchses im Fachgebiet Evangelische Kirchenmusik.
1982 bekam R. vom Hessischen Kultusminister Hans Krollmann (1929-2016) das Bundesverdienstkreuz überreicht.
Die von seinem Amtsnachfolger Dietrich Schuberth (1931-2022) herausgegebene Festschrift für R. unter dem Titel „Singen und Bekennen“ erschien 1984.
R. starb am 16.4.1986 in Ffm. Der Gedenkgottesdienst fand am 23.4.1986 in der Heilig-Geist-Kirche in Ffm. statt.
Philipp R. hat die kirchenmusikalische Arbeit in der EKHN neu aufgebaut und durch seine starke Persönlichkeit geprägt. Zeitzeugen beschreiben ihn als einen eigenwilligen Mann mit Ausstrahlung, der in freier Rede über sich hinauswachsen konnte. Man habe gut mit ihm zusammenarbeiten können, wenn er einen mochte; andernfalls konnte es schwierig sein. Andere haben ihn als warmherzigen Lehrer und väterlichen Freund wahrgenommen. R. habe große Aufbauarbeit geleistet, aber auch unter seinem Amt gelitten, weil es ihm viel Verwaltung abforderte und nur selten Zeit für die Kunst ließ. Seine Chorarbeit hat bis heute Spuren hinterlassen. Nach seinem Tod übernahm seine Witwe Christa R. die Leitung der Hessischen Kantorei, die sie bis Pfingsten 2017 innehatte.
2005 wurde die Philipp-Reich-Chorstiftung gegründet, mit dem Ziel, die kirchliche Chorarbeit in der EKHN zu fördern.

Artikel aus: Frankfurter Personenlexikon, verfasst von Michael Heymel.

Lexika: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Begr. u. hg. v. Friedrich Wilhelm Bautz (1906-1979). Fortgeführt von Traugott Bautz (1945-2020) u. Uta Timpe-Bautz. Bisher 44 Bde. Herzberg 1975-2022.Michael Heymel in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlex. 47 (2024; Onlinefassung bereits verfügbar, Druck in Vorbereitung).
Literatur:
                        
Heymel, Michael: Eine Geschichte der Kirchenmusik in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). Kamen 2016.Heymel: Geschichte der Kirchenmusik in der EKHN 2016, S. 272-287. | Kirchenmusikalische Nachrichten. Mitteilungsblatt der Abteilung Kirchenmusik, des Verbandes evangelischer Chöre in Hessen und Nassau sowie des Landesverbandes evangelischer Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker in Hessen und Nassau. Bisher 70 Jahrgänge. Ffm. 1956-2019.Reich, Philipp: Kirchenmusik in Hessen und Nassau. Ein Rückblick. In: Kirchenmusikalische Nachrichten 27 (1976), Nr. 3, S. 1-13. | Kirchenmusikalische Nachrichten. Mitteilungsblatt der Abteilung Kirchenmusik, des Verbandes evangelischer Chöre in Hessen und Nassau sowie des Landesverbandes evangelischer Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker in Hessen und Nassau. Bisher 70 Jahrgänge. Ffm. 1956-2019.Nachruf von Dietrich Schuberth in: Kirchenmusikalische Nachrichten 37 (1986), Nr. 2, S. 1-5. | Musik & Kirche. Zeitschrift für Kirchenmusik. Bisher 93 Jahrgänge. Kassel u. a. 1929-44 u. 1947-2023.Reich, Philipp: Hundert Jahre Verband evangelischer Kirchenchöre Deutschlands 1883-1983. Ein Versuch. In: Musik & Kirche 54 (1984), H. 1, S. 54-71. | Reich, Christa: Philipp Reich (1909-1986). Typoskript, o. J., online unter: http://www.chorstiftung-philipp-reich.de/reich/philipp_reich.pdf (abgerufen am 4.12.2023).Reich, Christa: Philipp Reich o. J. | Schuberth, Dietrich (Hg.): Singen und Bekennen. Philipp Reich zum 75. Geburtstag. [Festschrift, hg. für den Landesverband Evangelischer Kirchenchöre Hessen und Nassau.] Ffm. 1984.Schuberth (Hg.): Singen und Bekennen. FS Philipp Reich 1984.
Quellen: ISG, Dokumentationsmappe in der Sammlung S2 (mit Kleinschriften, Zeitungsausschnitten und Nekrologen zu einzelnen Personen und Familien).ISG, S2/9.598.

GND: 118743929 (Eintrag der Deutschen Nationalbibliothek).
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Empfohlene Zitierweise: Heymel, Michael: Reich, Philipp. In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), https://frankfurter-personenlexikon.de/node/13464

Stand des Artikels: 6.12.2023
Erstmals erschienen in Monatslieferung: 12.2023.