Ältester Sohn des aus Büdingen kommenden Kaufmanns Gerson L. (1831-1904) und dessen zweiter Ehefrau Aurelie (auch: Aurelia), geb. Neumann (1848-1922). Zwei Schwestern und zwei Brüder aus der ersten Ehe des Vaters; drei Brüder und eine Schwester aus der Ehe der Eltern, wovon der jüngste Bruder im Säuglingsalter starb. Verheiratet (seit 1908) mit Rosa, gen.
Rosi (später: Rosy), L., geb. Blankenstein (1887-1972). Zwei Kinder:
Gerhart Heinrich Rudolf L. (später: Gerald H. Lisman, 1909-1993), Fotograf, und Lieselotte Mathilde, gen.
Lotte (später: Lotta), L. (seit 1944 verh. Kleiner, 1917-1961). Vetter des Malers
Hermann L.Schulzeit in St. Petersburg und Ffm. Wahrscheinlich Anfänge als Schauspieler. Wohl danach kaufmännische Ausbildung im In- und Ausland. 1897 Eintritt in das Finanz- und Immobiliengeschäft des Vaters („G. Lismann, vorm. Julius Jaffé und Sohn“), das Heinrich L. zusammen mit seinem Bruder Rudolf (eigentl.: Rudolph) L. (1871-1946) im Jahr 1902 übernahm (seitdem unter der Firma „Gebrüder Lismann“). Nach dem Ersten Weltkrieg bauten Heinrich und Rudolf L. das seit 1921 in der Goethestraße 4 (später 4-6) ansässige Geschäft zu einem Bankhaus aus, dem eine Versicherungs- und eine Warenabteilung (Import/Export) angeschlossen waren. Beide Brüder dürften in einigen Aufsichtsräten anderer Unternehmen vertreten gewesen sein; so ist für Heinrich L. belegt, dass er um 1930 Aufsichtsratsvorsitzender der Lederwarenfabrik „S. W. Brody AG“ in Offenbach war. In der NS-Zeit wurden das Bankhaus Gebr. Lismann 1938 geschlossen und der Geschäftssitz in der Goethestraße 4-6 im Zuge der „Arisierung“ um 1940/41 zwangsversteigert. Nachdem Rudolf L. wohl schon bald nach dem Erlass der Nürnberger Gesetze 1935 nach Frankreich emigriert war, folgte ihm sein Bruder Heinrich L. 1938 dorthin. Nach Stationen in Neuilly, Blois, Paris, Marseille und Grenoble floh L. zusammen mit dem Bruder im März 1943 in die Schweiz. Dank ihrer früheren Verbindungen zum Roten Kreuz kamen sie in Genf unter. Von dort aus übersiedelte Heinrich L. im Mai 1946 in die USA, nach Richmond/Virginia, wo seine Kinder mit ihren Familien seit der Emigration 1938 lebten. L. plante zusammen mit den Erben seines Bruders das Wiederaufleben des Bankhauses in Ffm. Kurz vor der beabsichtigten Rückkehr ist er in den USA gestorben.
Bei Beginn des Ersten Weltkriegs baute L. nach eigener Aussage zunächst eine kleine Hilfsorganisation (wohl einen privaten Suchdienst), dann beim Ffter Verein vom Roten Kreuz den Ffter Lokalausschuss für Kriegsgefangenenhilfe und Vermisstennachforschung auf, den er zusammen mit seinem Bruder Rudolf L. leitete. Auf Vermittlung des Preußischen Kriegsministeriums gingen aus dem vorbildhaft organisierten Ffter Ausschuss 1915 die Arbeitsgemeinschaften „Ausschuss für deutsche Kriegsgefangene“ (zur Vermisstennachforschung) und „Hilfe für kriegsgefangene Deutsche“ (zur Gefangenenfürsorge) des Roten Kreuzes für ganz Deutschland mit Zentralen in Ffm. und Hamburg hervor. Unter der Leitung von Heinrich und Rudolf L. war die Ffter Zentrale künftig eine amtliche Auskunftsstelle für Kriegs- und Zivilgefangene, angegliedert an das Zentral-Nachweis-Büro des Kriegsministeriums; zu ihren Aufgaben gehörten etwa die Nachforschung nach vermissten Soldaten, die Verbesserung des Postverkehrs mit Kriegsgefangenen sowie die Nachrichtenvermittlung in den besetzten Gebieten Frankreichs, Russlands und Rumäniens. Zudem setzte sich der „Ausschuss für deutsche Kriegsgefangene“ beim Ffter Verein vom Roten Kreuz für die Verbesserung der Lage ausländischer Kriegsgefangener in Deutschland ein; auch der von Heinrich und Rudolf L. organisierte Suchdienst war nicht auf die Nachforschung nach deutschen Vermissten beschränkt.
Im Juli 1916 gründete Rudolf L. das „Kriegsgefangenen-Archiv“ des „Ausschusses für deutsche Kriegsgefangene“ beim Ffter Verein vom Roten Kreuz, das einer umfassenden Dokumentation über die Kriegsgefangenen des Ersten Weltkriegs dienen sollte [vgl. „Systematische Darstellung des Kriegsgefangenenwesens (Ffter Systematik)“, verfasst von Rudolf L., 1921]; durch Schenkungsvertrag vom 15.8.1922 übergab Rudolf L. die Sammlung als „Archiv für Kriegsgefangenenforschung“ an die Stadt Ffm. (Gesamtbestand aus Archiv- und Bibliotheksgut zunächst in der Stadtbibliothek in Ffm.; Archivgut seit 1931 in der Außenstelle Ffm. des Reichsarchivs, seit 1956 als Depositum im Bundesarchiv in Koblenz).
Bereits 1915 beteiligten sich Heinrich und Rudolf L. an der Spendenaktion „Adler in Eisen“ zur Nagelung einer Adlerskulptur zugunsten der „Hilfe für kriegsgefangene Deutsche“ in Ffm. Um Mittel für die Kriegsgefangenenfürsorge beschaffen, schlug Heinrich L. dem Kriegsministerium eine „Volksspende für die deutschen Kriegs- und Zivilgefangenen“ vor, deren Organisation ihm übertragen wurde. Nachdem diese „Volksspende“ in zwei Sammelaktionen 1916/17 je rund 15 Millionen Mark erbracht hatte, wurde L. mit der Organisation weiterer nationaler Sammlungen beauftragt, u. a. der „U-Boot-Spende“ (als Mitglied im Hauptarbeitsausschuss, 1917), einer „Kronprinzessinnenspende für notleidende Mütter“ und der „Ludendorffspende“ für Kriegsbeschädigte (als Mitglied im Hauptarbeitsausschuss, 1918).
Nach dem Krieg blieb L. in Ffm. in der Wohlfahrtspflege tätig und kümmerte sich gerade in den Notjahren der frühen Nachkriegszeit vor allem um Kriegsbeschädigte und -hinterbliebene, Flüchtlinge, Kinder und Erwerbslose. Er gehörte weiterhin dem Vorstand der „Centrale für private Fürsorge“, des Roten Kreuzes und des Bürgerhospitals in Ffm. an. Er organisierte Geldsammlungen für karitative Zwecke in Ffm., u. a. für die Ffter Winterfürsorge (als Mitglied im Arbeitsausschuss, 1920), die Kinderhilfe (1921-23), die Ffter Erwerbslosenhilfe (1922), den Ffter Verein Winternot (als stellvertretender Vorsitzender des Finanzausschusses und Mitglied des Arbeitsausschusses, 1922), die Ffter Notgemeinschaft (1923), die „Zeppelin-Eckener-Spende des deutschen Volkes“ in Ffm. (1925 und 1926) und die Mittelstandshilfe (1926/27), eine Jugendwohlfahrtslotterie und die Brücken-Bau-Lotterie für den Neubau der Alten Brücke (als Vorstandsmitglied des Brücken-Bau-Vereins, 1924/25), oft mit Unterstützung seines Bankhauses Gebrüder Lismann, das als Zahlstelle für die Spenden diente. Auf L. soll die Einführung des „Muttertags“ in Deutschland zurückgehen. Für die Ffter Kinderhilfe gestaltete er einmal ein großes Kinderfest im Palmengarten (1921) und eine Weihnachtsfeier (1922), und er unterstützte Sammlungen, die notleidenden Ffter Kindern einen Aufenthalt im Schullandheim Wegscheide ermöglichten, ebenso wie die Aktionen des „Bunds tätiger Altstadtfreunde“ für die Altstadtkinder, etwa zur Gründung eines Freizeitheims am Mainwasen. Zudem wirkte L. an der Organisation von Ausstellungen („Hof und Garten“ in und an der Festhalle, 1919; „Aus Alt-Ffter Bürgerhäusern“ des Historischen Museums, 1928), Festen („Maskenfest der Farbe“ für den Bund tätiger Altstadtfreunde, 1925; Sommerfest „Presse-Bühnen-Olympiade“ des Vereins Ffter Presse und der Mitglieder der Städtischen Bühnen auf der Rennbahn, 1925; Fest des Patronatsvereins von Dr. Hoch’s Konservatorium, 1927) und anderen Veranstaltungen („Ffter Frühjahrsflüge“ am Rebstock, 1925) für die Stadtgesellschaft mit. Dem Ffter Lokalschriftsteller
Adolf Stoltze machte er ein großzügiges Geldgeschenk in Höhe von 1.000 Mark zum 85. Geburtstag 1927. Beim Freien Deutschen Hochstift engagierte sich L. für den Erhalt des
Goethehauses und für die Erneuerung des Goethe-Museums im Zuge der Planungen für das
Goethejahr 1932, u. a. als Mitglied im vorbereitenden Ausschuss für die „Deutsche Volksspende für
Goethes Geburtsstätte“ (ab 1929).
Insgesamt soll L. rund 250 Goldmillionen für karitative und kulturelle Zwecke gesammelt haben. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 schied er aus allen Wohltätigkeitsorganisationen, für die er bisher gewirkt hatte, aus. Er organisierte noch eine Sammlung für das Jüdische Lehrhaus und unterstützte die Jüdische Winterhilfe, bevor er seine Heimatstadt Ffm. 1938 verlassen musste.
Rudersportler. Seit 1897 aktives Mitglied des Ffter Rudervereins von 1865 (FRV), dessen Vorstand er lange angehörte, zeitweise (1906-09) als Erster Vorsitzender und seit 1909 als Ehrenvorsitzender. Seit 1923 passives Mitglied der Ffter Rudergesellschaft „Germania“. Zweiter Vorsitzender, dann Vorsitzender (1927-33) des Ffter Regatta-Vereins und Vorsitzender des Bunds süddeutscher Regattaverbände (seit dessen Gründung bis 1933). Auch der Bruder Rudolf L. war im FRV aktiv.
Zahlreiche Orden und Ehrenzeichen, u. a. Roter Adlerorden IV. Klasse, Rote-Kreuz-Medaille III. und IV. Klasse sowie Hessisches Ehrenzeichen für Kriegsverdienste. 1930 Ehrenplakette der Stadt Ffm.
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Frankfurter Biographie 1 (1994), S. 463,
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