Johann Ludwig Fabricius
Kupferstich (im Besitz der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz).
© Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Handschriftenabteilung, Sign. Portr. Slg / Slg Hansen / Reformierte Theologen / Bd. 2 / Nr. 5, Link zum Digitalisat: http://www.portraitindex.de/bilder/zoom/sbb-005738).
Fabricius (auch: Fabritius), Johann (auch: Hans) Ludwig. Pfälzischer Hoftheologe und Kirchenrat. Prof. D. theol. Theologe. Hochschullehrer. Praeceptor. * 29.7.1632 Schaffhausen, † 1.2.1696 Ffm.
F. entstammte einer Familie, die in pfälzischen Diensten unterschiedlichen Aufgaben nachgekommen war. Sein Vater Johannes F. stand zunächst als Konrektor und alsbald als Rektor (1630/34) der Schule in Schaffhausen vor. Er starb bereits 1638.
Nach seiner Schulausbildung, kurz auch in der reformierten Schweiz, ging F. 1647 zu seinem zehn Jahre älteren Bruder nach Köln, um sich in den Artes und der Theologie fortzubilden. Nach 15 Monaten wechselte er in die Niederlande, das damalige Zentrum des europäischen wissenschaftlichen Lebens. In Utrecht durfte er bald über die Anfangsgründe der Schulphilosophie unterrichten. Zugleich lernte er die niederländische reformierte Theologie und Lebensweise kennen. Seine wissenschaftliche Ausbildung vervollständigte und vertiefte er dann während eines vierjährigen Aufenthalts in Paris (1652-56), der ihm auch Einsichten in die französische Welt vermittelte. 1656 ging F. zurück in die Pfalz, nach Heidelberg, wohin seine Mutter gezogen war, und immatrikulierte sich an der dortigen Universität. Nach theologischer und philosophischer Disputation wurde er zum Magister der Philosophie promoviert.
Das brachte ihm die Wertschätzung des Kurfürsten Karl Ludwig (reg. 1648-80) ein, der tüchtige Mithelfer bei der von ihm vorangetriebenen Erneuerung der zerstörten Pfalz um sich scharte. Er zog F. in seine Nähe an den Hof und band ihn an die Universität. 1657 wurde F. auf die außerordentliche Professur für Griechisch berufen und als Ephor des Sapienzkollegs eingesetzt. F. stieg rasch zu einer Schlüsselfigur der Regierungszeit Karl Ludwigs auf. Noch im Jahr 1657 übertrug ihm der Kurfürst die Erziehung seines natürlichen Sohnes Ludwig von Rotenschild (?-1660). Als Praeceptor ging F. über die calvinistische Hochschule Saumur – hier hatte er Verhandlungen mit Moyse Amyraut (auch: Moses Amyraldus, 1596-1664), dem führenden Theologen der französischen Reformierten, über die von Karl Ludwig gewünschte Konkordie zu führen – nach Caen, um bei dem gelehrten reformierten Theologen Samuel Dordrecht die Erziehung seines Anvertrauten fortzusetzen. 1659 zurück in Heidelberg, hatte er sich mit seinem Zögling alsbald wieder auf Reisen zu begeben: über Den Haag, Sitz der Kurfürstenmutter, nach England. Wieder auf dem Kontinent, trennten sich ihre Wege. Ludwig von Rotenschild wandte sich nach Paris, wo er wenig später an einem Fieber starb. F. seinerseits ging nach Leyden, um sich bei Johannes Cocceius (1603-1669) in Theologie zu promovieren. Das eröffnete ihm die Aussicht auf die dritte Heidelberger Theologieprofessur, auf die ihn der Kurfürst berufen wissen wollte. 1664 wurde F. zum Kirchenrat ernannt, was ihm die Oberaufsicht über Kirche und Schulen überantwortete. Innerhalb der Universität rückte er zum ersten Professor der Theologie auf. In vielen theologischen Auseinandersetzungen war er als gelehrter Berater gefragt. Mehrfach übernahm er das Amt des Rektors. Bei den Bemühungen, die Pfalz und die Universität wieder in Blüte zu bringen, erwies F. sich als zuverlässiger Mitstreiter des Kurfürsten. Die irenische Konfessionspolitik seines Herrn entsprach F.’ mildem Calvinismus. Selbst in diplomatischen Missionen bewährte er sich. Die Berufung des Naturrechtsphilosophen Samuel Pufendorf (1632-1694) als Professor für Natur- und Völkerrecht (1661) beförderte er ebenso wie den Versuch, Baruch Spinoza (1632-1677) für Heidelberg zu gewinnen (1673). Nach Karl Ludwigs Tod (August 1680) wurde die konfessionelle Annäherungspolitik abrupt aufgegeben. Vom katholischen Philipp Wilhelm (reg. 1685-90) war nichts anderes zu erwarten. Aber F. konnte dennoch weiterhin dafür wirken, dass die Pfalz trotz Einführung des katholischen Kultus an ihrem reformierten Glauben festhielt.
Die Kriege Ludwigs XIV. führten 1689 zur Besetzung der Pfalz. Die Kanzlei, der Kirchenrat und das Rektorat mussten um ihr Überleben kämpfen. Die Universität war danach faktisch aufgehoben. F. setzte sich als ihr Rektor mit einigen Professoren nach Ffm. ab unter Mitnahme (und Rettung) der Archive von Kirche und Universität. F. hatte dafür seinen eigenen, in Heidelberg verbliebenen Besitz geopfert. Bei Pfarrer Johann August Biermann (um 1656-1724) wurden die geretteten Archivalien zunächst untergestellt. Da Ffm. zu nahe an den Kriegsschauplätzen lag, wurden die Dokumente später vorübergehend nach Marburg gebracht. Nach der Wiedereröffnung der Universität konnten sie die von F. und wenigen weiteren in Ffm. lebenden Kollegen postulierte ungebrochene Fortführung der Universität belegen, deren rechtliche Weiterexistenz dadurch abgesichert war. Von Ffm. aus reiste F. im Auftrag Englands und der Generalstaaten in die Schweiz und in die Niederlande. Obwohl stark geschwächt, wurde er 1695 nochmals zum Rektor der Heidelberger Universität gewählt. Bis zu seinem Tod im Februar 1696 lebte F. in Ffm. Die Wiedereröffnung der Universität 1700 und die Rückkehr des Archivs nach Heidelberg erlebte er nicht mehr.
Artikel aus: Frankfurter Personenlexikon, verfasst von
Notker Hammerstein.
Lexika:
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Literatur:
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Internet:
Historisches Lexikon der Schweiz, Bern. https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/045897/2015-12-22/
Hinweis: Artikel von Roland E. Hofer in der Version vom 22.12.2015.Hist. Lex. d. Schweiz, 8.6.2019.
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Empfohlene Zitierweise:
Hammerstein, Notker: Fabricius, Johann Ludwig. In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), https://frankfurter-personenlexikon.de/node/3390
Stand des Artikels: 8.6.2019
Erstmals erschienen in Monatslieferung: 06.2019.