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Weidenreich, Franz

Franz Weidenreich

Franz Weidenreich
Fotografie.

© Universitätsarchiv Frankfurt am Main (UAF Best. 854 Nr. 1825).
Weidenreich, Franz. Prof. Dr. med. Anatom und Anthropologe. * 7.6.1873 Edenkoben, † 11.7.1948 New York.
Jüngstes von vier Kindern jüdischer Eltern.
Besuch des Humanistischen Gymnasiums in Landau. Studium der Medizin und verwandter Wissenschaften in München, Kiel, Berlin und Straßburg. 1899 Promotion an der Universität Straßburg. Von 1899 bis 1901 Assistent, später Privatdozent an der Anatomie der Universität Straßburg unter dem bekannten Anthropologen und Erforscher des Neandertalers Gustav Schwalbe. Von 1901 bis 1902 kurzer Aufenthalt in Ffm., wo er im Institut für experimentelle Therapie unter der Leitung von Paul Ehrlich arbeitete. Ehrlich war auf W. durch dessen Habilitationsschrift aufmerksam geworden und hatte ihn daraufhin nach Ffm. geholt. Seit 1903 Extraordinarius, von 1904 bis 1918 ordentlicher Professor für Anatomie in Straßburg. Vorsitzender der Demokratischen Partei von Elsass-Lothringen sowie während des Ersten Weltkriegs Stadtrat in Straßburg. Von 1921 bis 1924 Professor an der Universität Heidelberg.
Zum Wintersemester 1928/29 erhielt W. einen zunächst unbesoldeten Lehrauftrag für Physische Anthropologie und Rassenkunde an der Ffter Universität. Dort gründete und leitete er, seit 1929 als Honorarprofessor, das Institut für Physische Anthropologie, das sich in den Räumen des Senckenbergmuseums befand. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme ließ sich W. für das Sommersemester 1934 ohne Bezüge beurlauben und nahm eine Gastprofessur an der University of Chicago an (April bis Dezember 1934). Im Frühling 1935 emigrierte er zunächst nach Peking, wo er Nachfolger von Davidson Black als Professor am Cenozoic Research Laboratory wurde. Die Lehrbefugnis an der Ffter Universität wurde ihm aufgrund seiner jüdischen Abstammung im selben Jahr entzogen. Das Institut für Physische Anthropologie wurde aufgelöst. Die vorhandenen Einrichtungsgegenstände wurden im noch 1935 neugegründeten Institut für Erbbiologie und Rassenhygiene unter der Leitung von Otmar Freiherr von Verschuer verwendet. Von 1941 bis 1948 war W. Mitarbeiter am American Museum of Natural History in New York.
Auf dem Gebiet der menschlichen Evolution, seinem Hauptforschungsgebiet, war W. einer der wichtigsten und einflussreichsten Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts. Bekannt wurde er aufgrund der Forschungen über den Neandertaler von Ehringsdorf und den Peking-Menschen. Basierend auf seinen Untersuchungen entwickelte er die „Weidenreich-Theorie der menschlichen Evolution“. Diese Theorie vertritt die Ansicht, dass sich der Homo sapiens ortsunabhängig in der alten Welt aus dem Homo erectus entwickelt habe, wobei es im gesamten Entwicklungszeitraum stets Migrationen gegeben habe. Die Gene, die allgemein anpassungsfähig sind (z. B. für Intelligenz oder Kommunikation), würden von einer Weltgegend zur anderen fließen, während die Gene, die nur an einem Ort anpassungsfähig sind (z. B. für die dunkle Haut der Afrikaner), ortsgebunden blieben. W.s Theorie schuf das Fundament für die Entwicklung der multiregionalen Hypothese in der Paläoanthropologie, die im Gegensatz zur Out-Of-Africa-Hypothese steht, welche heute von der Mehrzahl der Wissenschaftler akzeptiert wird.
W.s Interesse war keineswegs auf seine eigene Disziplin beschränkt. Sein Steckenpferd war die Botanik. Zudem interessierte er sich für alle Aspekte der europäischen Kultur.
Mitglied der „Käwwernschachtel“, eines „Vereins für naturwisssenschaftliche Unterhaltung“ in Ffm.
Zahlreiche Publikationen in verschiedenen wissenschaftlichen Fachmagazinen.

Artikel aus: Frankfurter Personenlexikon, verfasst von Simon Götz.

Lexika: Bergmann, E. (Hg.): Ffter Gelehrten-Handbuch. Ffm. [1930].Bergmann: Ffter Gelehrten-Hdb. 1930, S. 155. | Drüll, Dagmar: Heidelberger Gelehrtenlexikon 1803-1932. Berlin/Heidelberg/New York/Tokyo 1986.Drüll: Heidelberger Gelehrtenlexikon 1803-1932, S. 290.
Literatur:
                        
American Anthropologist. Bisher 117 Jahrgänge. Hoboken/New Jersey (USA) 1888-2015.Gregory, W. K.: Franz Weidenreich 1873-1948. In: American Anthropologist 51 (1949), S. 85-90. | Arnsberg, Paul: Die Geschichte der Ffter Juden seit der Französischen Revolution. Hg. v. Kuratorium für Jüdische Geschichte e. V., Ffm. Bearb. u. vollendet durch Hans-Otto Schembs. 3 Bde. Darmstadt 1983.Arnsberg: Gesch. d. Ffter Juden 1983, Bd. III, S. 514f. | Benzenhöfer, Udo/Birkenfeld, Monika: Angefeindete, vertriebene und entlassene Assistenten im Bereich der Universitätsmedizin in Ffm. in der NS-Zeit. Ulm 2016.Zur Biographie der Tochter Ruth Weidenreich, verh. Piccagli (1907-?): Benzenhöfer/Birkenfeld: Assistenten d. Universitätsmedizin in der NS-Zeit 2016, S. 75f. | SNG (Hg.): 175 Jahre Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft. Jubiläumsband. 2 Bde. Ffm. 1992. (Senckenberg-Buch 68).Franzen, Jens L.: Franz Weidenreich 1873-1948. In: FS 175 Jahre SNG 1992, Bd. 1, S. 330-334. | Hansert, Andreas: Das Senckenberg-Forschungsmuseum im Nationalsozialismus. Wahrheit und Dichtung. Göttingen 2018.Hansert: Senckenberg-Forschungsmuseum im Nationalsozialismus 2018, S. 53, 59-61, 65, 105f., 128, 212, 223, 234. | Hartkopf, Herbert: Franz Weidenreich – ein pfälzischer Weltbürger. Arzt – Politiker – Menschenforscher. [Hg.: Heimatbund Edenkoben e. V.] Ubstadt-Weiher u. a. 2012.Hartkopf: Franz Weidenreich 2012. | Heuer, Renate/Wolf, Siegbert (Hg.): Die Juden der Ffter Universität. Mit einem Vorw. v. Notker Hammerstein. Unter Mitarbeit von Holger Kiehnel u. Barbara Seib. Ffm./New York 1997. (Campus Judaica 6).Heuer/Wolf (Hg.): Juden d. Ffter Univ. 1997, S. 383-385. | Kobes, Jörn/Hesse, Jan-Otmar (Hg.): Ffter Wissenschaftler zwischen 1933 und 1945. Göttingen 2008. (Schriftenreihe des Ffter Universitätsarchivs 1).Hertler, Christine: Franz Weidenreich und die Anthropologie in Fft. Weidenreichs Weg an die Ffter Universität. In: Kobes/Hesse (Hg.): Ffter Wissenschaftler 1933-45, S. 111-123; vgl. auch S. 108f. | Reitz, Dirk (Hg.): „Exodus der Wissenschaften und der Literatur“. Dokumentation der Ringvorlesung des Evenari-Forums für Technik-, Natur-, Geschichts- und Kulturwissenschaften an der Technischen Universität Darmstadt im Wintersemester 2003/04. [Hg. v. Präsidenten der Technischen Universität Darmstadt.] Darmstadt 2004. (TUD-Schriftenreihe Wissenschaft und Technik, Bd. 88).Hertler, Christine: Anthropologie: Der Humananatom Franz Weidenreich (1873-1948). In: Reitz (Hg.): „Exodus der Wissenschaften u. der Literatur“ 2004, S. 183-206.
Internet: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. http://de.wikipedia.org/wiki/Franz_WeidenreichWikipedia, 12.4.2015.

GND: 117239798 (Eintrag der Deutschen Nationalbibliothek).
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Empfohlene Zitierweise: Götz, Simon: Weidenreich, Franz. In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), https://frankfurter-personenlexikon.de/node/4221

Stand des Artikels: 15.7.2016
Erstmals erschienen in Monatslieferung: 06.2015.