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Dörr, Willy

Olympiasieger im Tauziehen 1906.

Willy Dörr
Willy Dörr
Fotografie (vermutlich 1920er Jahre; aus FLS 1967, H. 1, S. 20).
© unbekannt. Das Foto wurde in der o. g. Zeitschrift ohne Angabe des Fotografen/der Fotografin 1967 nachgedruckt.
Dörr, Wilhelm, gen. Willy. Tauzieher, Leichtathlet und Sportpädagoge. Diese Angaben konnten anhand von Dokumenten zweifelsfrei bestätigt werden.* 7.8.1881 Ffm., Diese Angaben konnten anhand von Dokumenten zweifelsfrei bestätigt werden.† 5.4.1955 Ffm.
Sohn des Schreiners Jacob D. und dessen Ehefrau Catharina Friederike, geb. Hagloch, gen. Brandstetter. Lebensgefährte der erfolgreichen Ffter Diskuswerferin und Golfsportlerin Emilie, gen. Milly, Reuter (1904-1976).
Erste sportliche Erfolge errang D., der vom Turnen zur Leichtathletik gewechselt war, etwa mit dem Sieg im Dreikampf beim Kreisturnfest 1905 und dem dritten Platz beim Deutschen Turnfest 1903 in Nürnberg. Seinen größten sportlichen Triumph feierte D. bei den Olympischen Zwischenspielen 1906, die zum Anlass des zehnjährigen Bestehens der Olympischen Spiele der Neuzeit vom 22.4. bis 2.5.1906 in Athen ausgetragen wurden. Gemeinsam mit Wilhelm Born (1881 bis nach 1906) aus Karlsruhe, Karl Kaltenbach (1882-1950) aus München, Joseph Krämer (1879-1946) aus Gelsenkirchen, Wilhelm Ritzenhoff (1878-1954) aus Essen, Heinrich Rondi (1877-1948) aus Düsseldorf, Heinrich Schneidereit (1884-1915) aus Köln und Julius Wagner (1882-1952) aus Reutlingen gewann er am 30.4.1906 in Athen die Goldmedaille im Tauziehen; die Silbermedaille ging an den Gastgeber Griechenland. Aufgrund eines Zwists um die Zugehörigkeit des Tauziehens zur deutschen Schwer- oder Leichtathletik bzw. zum Turnen entschied man sich, eine gemischte Mannschaft mit Athleten aus allen drei Bereichen nach Griechenland zu schicken. Ein Schlüssel zum Sieg war ein Trick, den D. bei Wettkämpfen auf den glanzvollen Palmengartenfesten entdeckt hatte: „Wenn man sich beim Start augenblicklich nach hinten fallen ließ (‚ins Rückkreuz gehen‘, nannte man das), wenn man dann die Füße schräg in die Erde stampfte, dann konnte der Gegner ziehen, daß [sic!] die Köpfe rot wurden und die Adern hervorquollen, die Mannschaft stand und blieb stehen.“ (Erich Wick: Hau-ruck, Willi [sic!] Dörr! 1939/40, S. 60.) Als er diese Entdeckung dem Trainer der deutschen Leichtathletik-Mannschaft, Georg Demmler (1873-1931), erklärte, sorgte dieser dafür, dass D.s Ratschläge genauestens befolgt wurden. Mit dieser Taktik kämpfte sich die deutsche Mannschaft über drei Runden gegen die körperlich eigentlich überlegenen Schweden, Österreicher und Griechen bis zur Goldmedaille. D. nahm bei den Olympischen Zwischenspielen 1906 außerdem an den Einzel-Wettkämpfen im Diskuswerfen und im Fünfkampf teil, wobei die leichtathletischen Disziplinen damals allerdings von den US-Amerikanern dominiert wurden. Während D. im Diskuswerfen rasch ausschied, konnte er im Fünfkampf immerhin den 16. Platz belegen. Der Fünfkampf der Männer, der bei den Olympischen Zwischenspielen 1906 zum ersten Mal ausgetragen wurde, bestand damals aus den Disziplinen Standweitsprung (22. Platz für D.), Diskuswerfen (7. Platz für D.), Speerwurf (15. Platz für D.), 192-Meter-Lauf und Ringen im griechisch-römischen Stil; nur die besten acht Athleten durften den Wettkampf nach drei Disziplinen fortsetzen und am Lauf teilnehmen (von denen wiederum die sechs schnellsten Läufer das Ringen bestritten), so dass D. im Laufen und Ringen nicht mehr antrat. Als Mitglied des Athletenclubs Helvetia Fft. wurde D. bei den Meisterschaften des Deutschen Athletenverbands (DAV) am 22.7.1906 in Wiesbaden deutscher Meister im Diskuswerfen. Diesen Erfolg konnte er im Alter von 44 Jahren 1925 wiederholen und wurde mit einer Wurfweite von 42,19 Metern deutscher Meister im Diskuswerfen des (1919 aus dem DAV hervorgegangenen) Deutschen Athletik-Sportverbandes (DASV). Insgesamt errang D. während seiner Sportlerkarriere mehr als 500 Preise, verbesserte knapp 30 deutsche Rekorde und konnte auch im Alter noch zahlreiche Wettkämpfe gewinnen. Noch während seiner aktiven Laufbahn verfasste er verschiedene sportpädagogische und kriegspraktische Werke, die sich schwerpunktmäßig mit Wurf- und Sprungübungen, aber auch mit dem Laufen und dem Nahkampf im Feld befassten. Nach dem Ende seiner Wettkampfkarriere als Leichtathlet hielt sich D. durch regelmäßige Übungen bei Gesundheit und widmete sich vermehrt dem Golfsport. Am Roßmarkt baute er einen Turnsaal, der vor allem von Betriebssportgemeinschaften aller Altersklassen genutzt wurde.
Beruflich war D. als Sportlehrer und Sportjournalist in Ffm. tätig. Auch arbeitete er wohl schon in den 1920er Jahren als Sportlehrer an der Heeressportschule Wünsdorf, die der Vorbereitung der deutschen Olympiateilnehmer auf die Spiele von 1928, 1932 und 1936 diente. Zudem engagierte er sich spätestens ab den ausgehenden 1920er Jahren als Sportfunktionär, u. a. als Sportrat der Stadt Ffm. sowie als zweiter Vorsitzender und Gauleiter des offenbar von ihm mitbegründeten Verbands Deutscher Sportlehrer (VDS). So unterbreitete er 1935 im Vorfeld der Olympischen Spiele 1936 in Berlin dem Magistrat eine Reihe an Vorschlägen, die dazu beitragen sollten, Ffm. als Olympia-Standort bzw. Vorbereitungsort für olympische Wettkampfteams attraktiv zu machen. Dazu zählten etwa „die Erweiterung oder Ergänzung des Arbeitsgebietes des neuen Lehrstuhls an der Universität (Inh. Prof. [Heinrich] Lampert [1898-1981]) auf Erforschung und Lehre für körperliche Bewegungen im Hinblick auf die Stoffwechselfunktion, Herztätigkeit und Atmung“, „die Verwendung des Parkgeländes Grüneburg angesichts seiner Lage in der Nähe der Universität“ als Sportfläche („vornehmlich für Bäder“) und „die Förderung des privaten Bauvorhabens [‚Sportpalast am Hauptbahnhof‘] auf dem Gelände am Schumanntheater“. D.s Vorschläge wurden zuständigkeitshalber an Stadtrat August Robert Lingnau (1890-1960) als Leiter des Sportamts sowie des Verkehrs- und Wirtschaftsamts, das Kuratorium der Universität, das Bauamt, das Schulamt, das Kulturamt, die Messe- und Ausstellungs-GmbH, das Rechnungsprüfungsamt sowie das Rechneiamt als Finanzverwaltung zur Prüfung weitergeleitet. In einem Brief an Oberbürgermeister Friedrich Krebs versuchte D., noch einmal nachdrücklich die Chancen im sportlichen und gesundheitserzieherischen Bereich für die Stadt herauszustellen, und bezog sich dabei auf seinen Besuch bei den zuständigen Stellen für den Reichssport in Berlin. Er sah eine Möglichkeit für Ffm., führende Kraft in der Gesundheitserziehung zu werden, wenn nur schnell genug gehandelt würde. Das Sportamt begrüßte einige der Vorschläge, z. B. die auch vom Amt selbst verfolgte Öffnung des Grüneburgparks für volkssportliche Zwecke, und ebenso erkannte das Gesundheitsamt die von D. erarbeiteten Vorschläge als wertvolle Ergänzung seiner eigenen Vorkehrungen zur „Bindung“ von Sport („Leibesübungen“) „mit Gesundheitswesen und Medizin“ an. Den Zuspruch der zuständigen Stellen erfuhren D.s Vorschläge hinsichtlich einer stärkeren Fokussierung der Gesundheitserziehung nicht zuletzt, da sie der vom Nationalsozialismus verordneten Hebung der Leibesübungen (etwa im Sinne der Wehrerziehung) entsprachen. Nach weiteren umfassenden Prüfungen standen der Umsetzung von D.s ambitionierten Plänen allerdings verschiedene Probleme entgegen. Gegen die Umwidmung des Grüneburgparks sprach eine projektierte Erweiterung des Palmengartens, und die Universitätsklinik sah eine zusätzliche Belastung auf sich zukommen, die ohne weitere Assistenzkräfte und Räume eine Gefahr für die Ausübung ihrer Hauptaufgabe, die Versorgung klinisch kranker Patientinnen und Patienten, darstelle. Generell äußerte man seitens der Stadt Bedenken an der Ausführbarkeit und Finanzierung größerer Bauvorhaben, die zum Teil als „Wunschvorstellungen“ D.s abgetan wurden. Somit blieb am Ende nur der vage Plan, Fft.s Sportanlagen auszubauen, der dann jedoch kriegsbedingt auf unbestimmte Zeit verschoben wurde.
Im Ffter Golf-Club, der sich unter dem Unternehmer und NSDAP-Mitglied Paul Rott bereits am 24.11.1933 auf das nationalsozialistische „Führerprinzip“ umgestellt hatte, wirkte D. als „Dietwart für völkische Schulung“, durchaus mit überregionalem Effekt. So förderte er den Golfsport im Unterricht an der Heeressportschule Wünsdorf und an der 1934 gegründeten Nationalsozialistischen Deutschen Oberschule Starnberger See. Nicht nur damit trug er wesentlich zur Verbreitung des Golfsports in NS-Kreisen bei. Im Sinne der regimetreuen „Volkssportpropaganda“ warb D. in Ffm. engagiert für „Volksgolf“, etwa indem er und Milly Reuter (seine Lebensgefährtin und 1939 deutsche Meisterin im Golf) „Volksgolftage“ mit Vorführungen und Mitmachangeboten auf dem Kleingolfplatz im Waldstadion ausrichteten. Im Zuge der „Dietarbeit“ (Volksarbeit) war D. für die völkische Erziehung zur Ausrichtung auf die Linie der NSDAP im Ffter Golf-Club zuständig, u. a. bei der Ausbildung von Golflehrern, bis diese 1936 beim Deutschen Golf Verband (DGV) zentralisiert wurde. Durch das erzwungene Ausscheiden aller „Nichtarier“ aus den Golfclubs im DGV zum Jahresende 1936 verlor der Ffter Golf-Club so viele Mitglieder, dass er kurz vor dem Aus stand. Daraufhin kurbelte der Ffter „Vereinsführer“ Rott 1937 einen „Werbe-Feldzug“ an, in dem D. als „Geländesportanwalt“ das Golfspiel zum „wertvollen Ahnenerbe“ aus dem „Brauchtum der Germanen“ verbrämte und zu „einer Art Kriegsspiel“ umdeutete. Die Internationalen Golf-Meisterschaften im August 1938 und die Nationalen Deutschen Golf-Meisterschaften im Mai 1939, beide in Ffm., wurden noch von D. propagandistisch begleitet, bevor der DGV 1939 dem Nationalsozialistischen Reichsbund für Leibesübungen angeschlossen und damit der NSDAP unterstellt wurde. Nach 1945 blieb D. ohne Bruch für den Sport und insbesondere für das Golf in Ffm. tätig. Als „Special Service Manager“ für das US-Hauptquartier betreute er offenbar alle von der Militärregierung beschlagnahmten Sportstätten und jedenfalls den Ffter Golfplatz, der erst 1956, im Jahr nach D.s Tod, wieder für den Ffter Golf-Club freigegeben wurde.
Schriften von D.: „Die deutschen Wurfübungen“ (1910), „Soldaten-Taschen-Ratgeber über Lebenskunst im Krieg. Merkbüchlein für unsere Krieger in und außer dem Felde (…)“ (1914), „Wie erwerbe ich das deutsche Sportabzeichen“ (1916), „Wie trainiere ich schwerathletische Wurfübungen“ (1916), „Der Kriegs-Nahkampf. Lehrtafeln nach sportlichen Grundsätzen“ (1916), „Sportliches Handgranatenwerfen“ (1916), „Handgranatenwerfen. Bildertafeln zur Hebung der Wurftechnik“ (1916), „Der Lauf im Bild. Lehrtafeln zur Hebung der Lauftechnik“ (2 Teile, 1921, poln. 1925), „Der Sprung im Bild. Lehrtafeln zur Hebung der Sprungtechnik“ (1921), „Wurfübungen. Geschichten und Wesen des Wurfsports und Anleitung zum Werfen nebst Rekordlisten“ (1923), „Ringkampf in Bildern und Merkworten“ (2 Teile, 1924, poln. 1925), „Das Olympia-Buch“ (mit Kurt Doerry u. a., hg. im Auftrag des Deutschen Reichsausschusses für Leibesübungen, 1927), „Leibesübungen für Alle“ (als Mitverfasser, 1928), „Welt-Olympia 1928 in Wort und Bild. Deutsches Erinnerungswerk über die Olympischen Spiele Amsterdam 1928, gewidmet der Deutschen Jugend zur Belehrung und Begeisterung“ (als Mitherausgeber, 1928).
Herausgeber des „Deutschen illustrierten Sport-Taschenbuchs“ (ab 1919) sowie der Zeitschriften „Deutsche Sportschule“, „Deutsche Sportbedarf-Rundschau“ und „Sport und Sonne“.

Artikel aus: Frankfurter Personenlexikon, verfasst von Marcel De Capitani.

Lexika: Kürschners Deutscher Literatur-Kalender. Hg. v. Joseph Kürschner u. a. Berlin/Leipzig 1905-1973.Kürschner: Lit. 1926, Sp. 185; 1928, Sp. 212.
Literatur:
                        
Frankfurt – Lebendige Stadt. Vierteljahreshefte für Kultur, Wirtschaft und Verkehr. Hg. v. Ernst A. Ihle unter Mitwirkung des Verkehrs- und Wirtschaftsamtes der Stadt Ffm. 34 Jahrgänge. Ffm. 1956-90.Nebhut, Ernst: Sterne unterm goldenen Lorbeer. Ffter Sportler, die sich Weltruhm erkämpften. In: FLS 1967, H. 1, S. 18-24 (m. Abb. auf S. 20). | 100 Jahre Golf in Deutschland. Illustrierte Chronik in vier Epochen und vier Bänden von der Vorgeschichte bis zur Gegenwart. Hg.: Deutscher Golf Verband aus Anlass des 100. Gründungstages. Konzeption und Redaktion: Dietrich R. Quanz. 4 Bde. Oberhaching 2007.Quanz (Hg.): 100 Jahre Golf in Deutschland 2007, Bd. 2, S. 48, 82, 92, 94, 96, 102, 117-119, 121, 124, 174.
Quellen: ISG, Magistratsakten (Best. A.02.01), Serien 1868-1930 und 1930-69.ISG, MA 9.002 (Umgestaltung der Leibesübungen, Vorschläge von Sportrat Willy Dörr, 1935). | ISG, Dokumentationsmappe in der Sammlung S2 (mit Kleinschriften, Zeitungsausschnitten und Nekrologen zu einzelnen Personen und Familien).ISG, S2/6.038. | ISG, Sammlung Manuskripte, 1864-heute; erschlossen über Archivdatenbank.Wick, Erich: Hau-ruck, Willi [sic!] Dörr! Ein Olympiasieger von 1906. In: Wick, Erich/Tillenburg, H. P./Wollenberg: Aus der Geschichte des Ffter Sports. Ffm. 1939/40. ISG, Sammlung Manuskripte, S6a/113, S. 59-62.
Internet: Olympedia, Olympiadatenbank, hg. v. d. Gruppe MADmen aus Olympiahistorikern und -statistikern, die meist der International Society of Olympic Historians (ISOH) angehören. https://www.olympedia.org/athletes/79623Olympedia, 8.6.2023. | Wikipedia, Die freie Enzyklopädie, Hg.: Wikimedia Foundation Inc., San Francisco/Kalifornien (USA). https://de.wikipedia.org/wiki/Willy_Dörr - https://de.wikipedia.org/wiki/Olympische_Zwischenspiele_1906 - https://de.wikipedia.org/wiki/Fünfkampf_(Leichtathletik) - Wikipedia, 8.6.2023.

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Empfohlene Zitierweise: Capitani, Marcel De: Dörr, Willy. In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), https://frankfurter-personenlexikon.de/node/4975

Stand des Artikels: 25.7.2024
Erstmals erschienen in Monatslieferung: 06.2023.