Besuch der Volksschulen in Thann, Weißenburg und Straßburg, seit 1903 der Oberrealschule Sankt Johann in Straßburg. 1912 Abitur. Studium der Rechts- und Staatswissenschaften an der Straßburger Kaiser-Wilhelms-Universität. Seit 1913 Mitglied der Straßburger Burschenschaft Germania. Von 1914 bis 1918 Freiwilliger im Ersten Weltkrieg. 1916 Ernennung zum Leutnant der Reserve und Auszeichnung mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse. 1918 Ausweisung aus Straßburg und Übersiedlung nach Ffm. Abschluss des Studiums in Ffm. mit Ablegung des Referendar-Examens (1919). Vereidigung als Gerichtsreferendar. 1922 Promotion in Gießen durch Hans Gmelin; Thema der Dissertation: „Friedensvertrag und Reichsverfassung“. 1923 Assessor-Examen. Bis 1925 richterliche Tätigkeit am Land- und Amtsgericht Ffm. Von 1926 bis 1928 Mitarbeit in der Deutschen Staatsvertretung beim gemischten deutsch-englischen Schiedsgerichtshof in Berlin. 1928 Rückkehr nach Ffm. an das Oberlandesgericht; Ernennung zum Landgerichtsrat in der 4. Zivilkammer (bis 1933).
Frühes politisches Engagement in der „völkischen Bewegung“ (1922-25). 1924 Ortsgruppenleiter einer Ersatzorganisation der verbotenen NSDAP (Deutsche Partei oder Nationalsozialistische Freiheitspartei) in Ffm. 1929 Eintritt in die NSDAP; im selben Jahr Gründer der Ffter Ortsgruppe des „Kampfbundes für deutsche Kultur“. 1932 Abgeordneter der NSDAP im Preußischen Landtag und Reichsratsbevollmächtigter. Ende der juristischen Laufbahn am 13.3.1933, als K. nach dem erzwungenen Rücktritt
Ludwig Landmanns von Gauleiter
Jakob Sprenger kommissarisch zum Oberbürgermeister von Ffm. bestellt wurde. Juni 1933 Bestätigung im Amt, das K. bis 1945 bekleidete. Bis 1937 Kreisleiter der NSDAP in Ffm. 1934 Berufung in den Preußischen Staatsrat und in den Provinzialrat für Hessen-Nassau. Seit 1935 Mitglied in Reichskultursenat und Präsidialrat der Reichsmusikkammer. Im Rahmen seines kulturpolitischen Engagements erhielt K. diverse Auszeichnungen des faschistischen bzw. dem Nationalsozialismus politisch nahestehenden Auslands: Orden „Commendatore della Corona Italia“ (1937), Orden „Steana Romaniei“, Ehrenzeichen der Stadt Sofia (1938) u. a.
Von 1945 bis 1948 Internierung im Lager Darmstadt „CI Camp 91“ durch die US-amerikanische Militärregierung. 1947 Spruchkammerverfahren: Einreihung in die Gruppe der „Minderbelasteten“ mit der Begründung, K. hätte „sein Amt durchaus gerecht, korrekt, sauber und unbeeinflusst durch nationalsozialistische Tendenzen“ ausgeübt. Zahlreiche Entlastungszeugen, meist städtische Repräsentanten, verwandten sich erfolgreich für ihren früheren Chef und Kollegen. 1949 Einreihung K.’ als Mitläufer. Von 1950 bis 1953 Prozesse um eine Zulassung als Rechtsanwalt in Ffm., die durch den Hessischen Justizminister u. a. deshalb versagt wurde, da K. sich 1952 auf einer Kundgebung der national-konservativen Deutschen Partei (DP) als einer der Parteivorsitzenden und Stadtverordneter durch eine Rede mit antidemokratischem Gedankengut und nationalsozialistischem Sprachgebrauch disqualifiziert hatte. Im selben Jahr legte K. sein Mandat in der Ffter Stadtverordnetenversammlung als DP-Abgeordneter nieder; 1953 kündigte er der DP die Mitgliedschaft. November 1953 Zulassung als Rechtsanwalt. Von 1956 bis 1961 Prozesse um seine Pension als Oberbürgermeister. Die Stadt Ffm. bewilligte schließlich die Versorgungsbezüge eines Amts- und Landgerichtsrats.
Mit K. war nach dem Regierungsantritt Hitlers 1933 ein Kandidat für das Amt des Ffter Oberbürgermeisters gefunden worden, der aufgrund seiner frühen Parteizugehörigkeit und seines Engagements für die NSDAP als ein politischer Gewährsmann der Nationalsozialisten auftrat. Ein ehrgeiziges Anliegen von K. war die Transformation Fft.s von einem „Vorposten der Demokratie“ zu einer „deutschen“ Stadt. Gerade seine antisemitisch motivierten Entscheidungen lassen sich unter diesem Postulat subsumieren. Denn im Vergleich zu München als „Hauptstadt der Bewegung“ oder Nürnberg als „Stadt der Reichsparteitage“ ließen sich in der Mainmetropole wenige NS-Traditionen nachweisen. Vielmehr war Ffm. bei den neuen Machthabern schon lange als Verlagsort der bürgerlich-liberalen Ffter Zeitung und als „Stadt der Juden und Demokraten“ verpönt. Hatte in der Weimarer Zeit der politische Akzent auf Liberalität gelegen, so führten unter K. Reglementierung und völkisch-rassistische Ideologie zum Verlust dieser Identität. Die Umdeutung und die daraus resultierende Ausgrenzung und Vernichtung der jüdischen Stadtbevölkerung stehen in engem Zusammenhang und kennzeichneten K.’ Amtszeit.
Unmittelbar nach den Märzwahlen 1933 begann die Diskussion um einen geeigneten Beinamen für Ffm. K. und seine Berater suchten nach einem Etikett, das vor allem einen Zweck erfüllen sollte: die jüdische, demokratische und liberale Tradition der Groß- und Handelsstadt seit dem 19. Jahrhundert zu leugnen, die zur Aufhebung des Ghettos, zur Emanzipation der Juden und deren Integration in die städtische Gesellschaft geführt hatte. Schließlich bot 1935 der Reichshandwerkertag Anlass, Ffm. den Titel „Stadt des deutschen Handwerks“ zu verleihen. Zwar spielte das Handwerk traditionell keine herausragende Rolle in Ffm.; die willkürlich entstandene Zuschreibung indes durfte sich einer Wertschätzung der Nationalsozialisten sicher sein. In der Folge bemühte sich K. um die Gründung von Handwerkerinstituten und Veranstaltungen, die sämtlich den Geist eines mittelalterlich-germanischen Gemeinwesens mit der Altstadt als mythisch-ideologischem Zentrum beschwören sollten. Als einen „an hervorragender Stelle der Stadt zu errichtenden Bau“ pries der Oberbürgermeister das „Haus des deutschen Handwerks“ nach – nicht realisierten – Entwürfen des Kölner Architekten Clemens Klotz. Zu dessen Standort wurde symbolträchtig das Areal bestimmt, auf dem das Rothschildpalais sowie das inzwischen von der Deutschen Arbeitsfront besetzte Gewerkschaftshaus waren.
In vorauseilendem Gehorsam verfügte K. bereits zehn Tage vor Inkrafttreten des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7.4.1933 die Beurlaubung oder Entlassung städtischer Beamter oder Angestellter. Dessen Paragraphen 3 und 4 sahen für „Nichtarier“ und „national Unzuverlässige“ die Versetzung in den Ruhestand vor. Der Kultur- und Wissenschaftsbetrieb war von diesen Bestimmungen besonders betroffen. So wurden zahlreiche Künstler der Sparten Oper und Schauspiel wegen angeblich „undeutscher Spielgestaltung“ oder „jüdischer Abstammung“ aus oft jahrzehntelangen Dienstverhältnissen gejagt und die nunmehr freien Posten mit „Linientreuen“ oder Parteifunktionären besetzt. Etwa ein Drittel der Professoren wurde aus der Ffter Universität entfernt.
K. trug entscheidend dazu bei, die Rassengesetzgebung in Ffm. durch Institutionen, z. B. das Universitätsinstitut für Erbbiologie und Rassenhygiene, Ausstellungen und die ausdrückliche Befürwortung von Zwangssterilisationen umzusetzen. Allein im Haushaltsjahr 1934/35 verloren auf Grundlage des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums 19 Ärzte ihre Posten. Auch Stadtrat
Karl Schlosser (SPD) wurde – aus politischen Gründen – zwangsbeurlaubt; auf Vorschlag von K. oder
Sprenger wurde Werner Fischer-Defoy die Leitung des Stadtgesundheits- und Fürsorgeamts übertragen. Unter dessen „Gesundheitsführung“ setzte die Stadt wichtige Leitlinien der NS-Bevölkerungspolitik und vor allem die rassenideologischen Programme um, die auch zum vielfachen Massenmord in den Heil- und Pflegeanstalten führten.
Ab 1935 folgten Straßenumbenennungen und die „Arisierung“ von Stiftungen, die jüdische Namen aus dem Ffter Stadtleben tilgten bzw. beträchtliche Vermögen in „arische“ Hände brachten. Die Stadt bereicherte sich auch umfassend an Privatvermögen. Exemplarisch sei in diesem Zusammenhang auf den Ankauf, genauer zwangsweisen Verkauf der Kunstsammlungen Carl von Weinbergs und
Maximilian Goldschmidt-Rothschilds verwiesen. 1938 hatte sich Carl von Weinberg gezwungen gesehen, u. a. mit der Villa Waldfried seinen Grundbesitz sowie 721 Kunstwerke und -gegenstände zu veräußern; für letztere bot ihm die Stadt 750.000 Reichsmark. Laut K. waren aber nicht alle Stücke für die Sammlungen der Ffter Museen vorgesehen; ein gewichtiger Teil sollte „später versteigert werden und somit zu einer Belebung des Ffter Kunsthandels beitragen“. Die Gegenstände sollten also profitabel für die Stadtkasse veräußert werden. Zu Weinbergs Bleiben in Ffm. äußerte K.: „[Er] wird ja von sich aus über kurz oder lang ausziehen müssen, weil er die Mittel für die Wohnung nicht mehr aufbringen kann. (…) Die Sache wird sich von selbst regeln.“ Carl von Weinberg starb 1943 im Alter von 81 Jahren bei seiner Schwester im römischen Exil.
In Folge der Verdrängung aus dem gesellschaftlichen Leben sowie zur Finanzierung ihrer Flucht sahen sich viele Ffter Juden dazu gezwungen, ihren Grundbesitz zu veräußern. Die Stadt beteiligte sich an solchen „Arisierungsgeschäften“, zuletzt auch mit der Jüdischen Gemeinde selbst. Die Erlöse lagen zumeist weit unter Wert und wurden den Verkäufern nach 1938 nicht mehr direkt ausbezahlt, sondern auf Sperrkonten überwiesen. Von den freiwerdenden „Judenwohnungen“ profitierte auch K.: 1940 bezog er die Liegenschaft Schaumainkai 55/Ecke Städelstraße 28. Stadtkämmerer
Friedrich Lehmann erstattete den Ratsherren Bericht über die geplante Aneignung: „Das Gebäude eignet sich sehr gut für die Unterbringung leitender Beamter und soll für die Folge als Oberbürgermeister-Dienstwohnung zur Verfügung stehen. (…) Da die jüdischen Eigentümer sich im Ausland aufhalten und Verhandlungen zu keinem Ergebnis führten, musste die Zwangsentjudung gemäß § 6 der Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens vom 3.12.1938 durchgeführt werden.“ Viele dieser verbrecherischen Maßnahmen traf die Stadtverwaltung im zeitlichen Umfeld der Pogromnacht vom 9./10.11.1938, die in Ffm. im reichsweiten Vergleich eine „besonders radikale und brutale Färbung“ hatte, und im engen Kontext mit der Ermordung des Attachés Ernst vom Rath in Frankreich durch den jungen Juden Herschel Grynszpan zu betrachten ist: hatten doch Opfer wie Täter des Pariser Attentats persönliche Beziehungen zur Mainmetropole.
Auf maßgebliche Initiative von K. wurde 1941 in Ffm. das „Institut zur Erforschung der Judenfrage“ und damit die erste Außenstelle einer „Hohen Schule der NSDAP“ eröffnet. Knapp sechs Monate vor Beginn der Massendeportationen aus Ffm. bezeichnete K. die Einrichtung als „geistige Waffenschmiede für den Endkampf gegen das Weltjudentum“. Über die von der Geheimen Staatspolizei organisierten gewaltsamen Verschleppungen jüdischer Menschen aus Ffm. ließ sich der Oberbürgermeister regelmäßig Bericht erstatten. Laut Zeugenaussagen machte er sich am Sammelplatz in der Großmarkthalle persönlich ein Bild. Die Bilanz nach zwölfjähriger Amtszeit von K. im Frühjahr 1945 liest sich heute wie folgt: Vernichtung der Ffter Jüdischen Gemeinde, Zerstörung ihrer Einrichtungen, Raub, fiskalische Ausplünderung, Deportation von mehr als 10.000 Jüdinnen und Juden aus Ffm. Nur wenige Überlebende kehrten aus den Konzentrations- und Vernichtungslagern nach Ffm. zurück. Bis heute ist der Verlust in der Stadtgesellschaft spürbar.
Da das Stadtoberhaupt gleichzeitig herausragender NSDAP-Funktionär war, schließlich wirkte K. bis 1937 in Personalunion als NSDAP-Kreisleiter, ist der bislang in der Literatur überstrapazierte Interessenkonflikt – hier Amt, dort Partei – vor dem Hintergrund der „Gleichschaltung“ sämtlicher Bereiche des öffentlichen Lebens nicht länger aufrechtzuerhalten; er dient vielmehr als Konstrukt zur Verharmlosung von Komplizenschaft, Zustimmung und Indifferenz. K.’ Politikverständnis, das lange vor 1933 Prägung und Ausformung erhalten hatte, desavouierte sich besonders nach 1945. In einem diktatorischen Staat und in der Konfrontation mit radikalen Parteifunktionären erschien K.’ antidemokratischer Gestus gemäßigt, weil er als selbstverständliche Grundvoraussetzung nationalsozialistischer Herrschaft nur unauffällig und in bürokratischer Weise in Erscheinung trat.
Grabstätte auf dem Ffter Hauptfriedhof.
Teilnachlass im ISG.
Frankfurter Biographie 1 (1994), S. 427f.,
).