K. wurde mit seiner Familie 1946 aus Tachau im Egerland/Westböhmen vertrieben und blieb mit Mutter und Schwester in Staufenberg bei Lollar im Landkreis Gießen. Erst als Fünfjähriger lernte er seinen Vater nach dessen Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft kennen. Nach dem Abgang vom Gymnasium im Alter von 15 Jahren begann K. eine Lehre zum Einzelhandelskaufmann in einem Geschäft für Bürobedarf in Gießen. Als 18-Jähriger nahm er eine Stelle bei der US Army in Gießen an, wo er bis zum Personalchef für die 900 deutschen Angestellten aufstieg. Ebenfalls mit 18 Jahren reiste er erstmals nach Paris; es folgten viele Reisen als Anhalter durch ganz Europa. Am 19.8.1971 kündigte K. bei der US Army, um freiberuflicher Schriftsteller zu werden. Nach dem Tod seiner Mutter 1970 lebte er, ab 1975 mit seiner Freundin Sibylle, noch bis 1977 in der früheren Flüchtlingswohnung in Staufenberg. 1977 zog K. nach Ffm., wo er sich, abgesehen von Gelegenheitsjobs, ganz dem Schreiben widmete. 1979 Geburt der Tochter Carina. 1983 Verlust seiner Halbtagsstelle in einem Antiquariat. Ende 1983 Trennung von der Freundin Sibylle. K. war 20 Jahre lang alkoholabhängig; das Schreiben war ihm erfolgreiche Therapie gegen den Alkoholismus. Seit 1993 lebte er überwiegend in Uzès/Südfrankreich. K. starb an den Folgen mehrerer Schlaganfälle.
Nachdem K.s erster Roman von
Siegfried Unseld und dem Suhrkamp Verlag abgelehnt worden war, erschien das Buch unter dem Titel „Der Nußbaum gegenüber vom Laden, in dem du dein Brot kaufst“ 1979 beim Verlag Stroemfeld/Roter Stern in Ffm. und Basel. Von diesem Verlag wurde K. bis zu seinem Lebensende betreut.
Einen Namen machte sich K. nicht zuletzt durch seine Lesungen und Hörbuchproduktionen, z. B. „Ein Sommer, der bleibt. Peter K. erzählt das Dorf seiner Kindheit“ (4 CDs, 2007; ausgezeichnet als „Hörbuch des Jahres 2008“ der „hr2-Hörbuchbestenliste“, 2009), eine fünfstündige Erzählung, die es nicht in schriftlicher Form gibt. Seinen Roman „Vorabend“, den fünften Band der autobiographischen Chronik „Das alte Jahrhundert“, diktierte er 2010 in öffentlichen Sitzungen im Ffter Literaturhaus.
In dem Projekt „Das alte Jahrhundert“, einer auf zwölf Bände angelegten Chronik, wollte K. ein umfassendes Bild der Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg zeichnen (vordergründig auf die Jahre zwischen 1982 und 1984 beschränkt, jedoch weit ausgreifend auf die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts). Fünf Bände sind zu Lebzeiten des Verfassers erschienen („Übers Eis“, 1997; „Als Gast“, 2003; „Ein Kirschkern im März“, 2004; „Oktober und wer wir selbst sind“, 2007; „Vorabend“, 2011), und der sechste Band wurde posthum als Fragment veröffentlicht („Bis er kommt“, hg. v. Rudi Deuble und Alexander Losse, 2015). Nach der Insolvenz von Stroemfeld, K.s langjährigem Verlag, übernahm Ende 2018 der Ffter Verlag Schöffling & Co. sämtliche Rechte am Werk des Autors. Daraufhin brachte Schöffling & Co. die Romanfragmente „Der vorige Sommer und der Sommer davor“ (hg. v. Rudi Deuble und Alexander Losse, 2019) und „Und wo ist mein Haus? Kde domov muj“ (hg. v. Rudi Deuble, 2022), den siebten und achten Band der Chronik „Das alte Jahrhundert“, heraus; als neunter und letzter Band erschien der Roman „Frankfurt – Paris – Frankfurt“ (hg. von Rudi Deuble, 2024).
In der Folge von Walter Kempowski gilt K. als einer der großen Chronisten des bundesdeutschen Alltags der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Stilistisch teilt er mit Marcel Proust den Erinnerungsfuror und mit James Joyce die Technik des unendlichen Bewusstseinsstroms. Seine zentralen Themen sind Zeit und Vergänglichkeit, gegen die er mit detailbesessener Erinnerungsarbeit anschrieb. Seine Texte sind nicht chronologisch geordnet, seine Themen und Motive reihen sich assoziativ aneinander. Schreiben bedeutete für ihn, „sich zu erinnern und die Zeit aufzuheben, die Wirklichkeit literarisch nachzubilden und selbst die scheinbar unbedeutendsten Augenblicke und Lebensäußerungen vor dem Verschwinden zu bewahren“ (Gerrit Bartels in: Tagesspiegel, 27.11.2013). K. war Meister einer austarierten Sprachrhythmik. Kritiker beschreiben sein Werk als großen inneren Monolog, als „musikalische Gebilde, in denen der Klang der Alltagssprache, aber auch Dialekte und Jargons hörbar gemacht werden“ (Ulrich Rüdenauer in: FR, 28.4.2004). K. entwickelte eine eigenwillige Syntax mit kurzen Sätzen, die häufig auf Verben verzichtet, bisweilen auch auf Substantive, was seinem Werk einen ganz eigenständigen, fast magischen „Sound“ verleiht. Nicht von ungefähr bescheinigte ihm die Neue Zürcher Zeitung „Sprachzauber und eine magische Beschreibungsgenauigkeit“ (Roman Bucheli in: NZZ, 27.11.2013). In zahlreichen seiner Texte erzählt K. detailliert von seinen Wegen durch die Stadt Ffm.
Weitere Werke: „Das schwarze Buch“ (1982), „Kein Frühling“ (1987), „Keiner stirbt“ (1990), „Mein Bahnhofsviertel“ (erstmals 1984 in der Zeitschrift „Pflasterstrand“, als Buch 1991) und „Vor den Abendnachrichten“ (1996, erw. Neuaufl. 2015) sowie zwei Hörspiele „Kommt kein Zirkus ins Dorf“ (1987) und „Der Sonntagsspaziergang“ (1992) für den HR (Edition „Die Hörspiele“, 3 CDs, 2014) und Hörbücher.
K. betätigte sich auch als Zeichner und Maler (drei posthume Ausstellungen in Gießen, 2016).
Preise und Ehrungen (in Auswahl): Fabrikschreiber der Ffter Romanfabrik (1985), Alfred-Döblin-Preis (1991), Joseph-Breitbach-Preis (1994), Großer Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste (1999), Stadtschreiber von Bergen (2000/01), Kranichsteiner Literaturpreis (2004), Goetheplakette der Stadt Ffm. (2008), Robert-Gernhardt-Förderpreis (2010), Ehrenbürger der Stadt Staufenberg (2011), Grimmelshausen-Preis (2011) und Großer Sudetendeutscher Literaturpreis (2013).
Grabstätte auf dem Ffter Hauptfriedhof (Gewann F 996).
Peter-K.-Gesellschaft zur Pflege der Erinnerung an Person und Werke des Schriftstellers, gegründet 2014 in Staufenberg unter dem Vorsitz von Otfrid Ehrismann.
Zum 75. Geburtstag 2018 Gedenkmatinee des Hessischen Literaturforums im Mousonturm im Rahmen des Festivals „literaTurm“.
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