Ältestes von vier Kindern des jüdischen Rechtsanwalts Hugo L. (1859-1936) und dessen Ehefrau Thekla, geb. L. (1864-1932). Die Eltern engagierten sich schon früh politisch in der SPD. Hugo L. war 1919 stellvertretender Regierungspräsident in Düsseldorf und Fraktionsführer im Elberfelder Stadtrat. Thekla L. kandidierte 1919 für den Reichstag; sie war Abgeordnete im Elberfelder bzw. (ab 1929) Wuppertaler Stadtrat und im preußischen Provinziallandtag für die Rheinprovinz. Das liberale Milieu im Elternhaus förderte zahlreiche Interessen der Kinder. Alfred L. entwickelte neben seinen naturwissenschaftlichen Neigungen eine große Begeisterung für Musik und Komposition.
L. studierte ab 1908 Physik in Marburg, München und Göttingen, wo er auch
Max Born kennenlernte. Nachdem L. sich zunächst als Experimentalphysiker versucht hatte, wechselte er bald zur theoretischen Physik und widmete sich u. a. der Strahlungs-, Atom- und Quantentheorie. Auf Vermittlung von
Born war er seit 1913 als Assistent von David Hilbert (1862-1943) in Göttingen. 1914 promovierte er bei Arnold Sommerfeld (1868-1951) in München mit einer Arbeit „Zur Methode der Eigenschwingungen in der Quantentheorie“. Im Ersten Weltkrieg war er zwei Jahre im Sanitätsdienst an der Ostfront eingesetzt und anschließend als Assistent von
Max Born in der Artillerie-Prüfungskommission in Berlin, die von Rudolf Ladenburg (1882-1952) geleitet wurde. Zusammen mit
Born kam L. aufgrund der Forschungen über die atomistische Struktur von Körpern zu dem Ergebnis, dass Atome über eine räumliche Struktur verfügen und nicht alle Elektronenbahnen in einer Ebene verlaufen. Nach
Born und L. ist die Gleichung zur Berechnung der Gitterenergie bei Ionenkristallen benannt („Born-Landé-Gleichung“).
Nachdem
Max Born 1919 eine ordentliche Professur in Ffm. erhalten hatte, folgte ihm L. und wurde 1919 Privatdozent am von
Born geleiteten Institut für Theoretische Physik der Ffter Universität. Noch 1919 habilitierte er sich bei
Born mit einer Arbeit zur „Störungstheorie des Heliums“. Da die Stellung als Privatdozent in Ffm. ohne Gehalt blieb, verdiente sich L. seinen Lebensunterhalt als Musiklehrer an der Odenwaldschule und hielt in Ffm. nur seine wöchentlichen Vorlesungen, bevor er um die Jahreswende 1920/21 ganz nach Ffm. übersiedelte. L.s Ffter Zeit wird als „wichtigste Periode“ seines wissenschaftlichen Schaffens angesehen (Azim O. Barut). Seine Forschungen, etwa zu Würfelatomen, beeinflussten Niels Bohr (1885-1962), den L. 1920 in Dänemark besuchte. Von besonderer Bedeutung erwiesen sich seine theoretischen Arbeiten zur Erklärung des Zeeman-Effekts (d. i. der Aufspaltung von Spektrallinien durch ein Magnetfeld), die er zwischen Dezember 1920 und April 1921 in Ffm. unternahm und die zur Entdeckung des „Landé’schen g-Faktors“ führten. Parallel dazu waren am selben Institut
Otto Stern und
Walther Gerlach mit dem später nach ihnen benannten „Stern-Gerlach-Experiment“ befasst, mit dem eigentlich die von Peter Debye (1884-1966) und Arnold Sommerfeld postulierte Richtungsquantelung zur Erklärung des Zeeman-Effekts experimentell widerlegt werden sollte. Die dabei entdeckte Dublettaufspaltung des Atomstrahls konnte zunächst nicht richtig gedeutet werden und fand erst später durch die Entdeckung des Elektronen-Eigendrehimpulses ihre Erklärung. Allerdings hätte L., der eventuell Zeuge des Stern-Gerlach-Experiments mit dem ersten Nachweis der Dublettaufspaltung im Februar 1922 gewesen sein könnte, durch den von ihm ermittelten g-Faktor die Dublettaufspaltung erklären können, doch „vermutlich hat (er) selbst nicht gewusst, dass er eine wichtige Erkenntnis der späteren Quantentheorie hier schon gefunden hatte“ (Schmidt-Böcking/Reich: Otto Stern 2011, S. 81). Denn L. hatte den erst später (1925) entdeckten Elektronenspin, den Sommerfeld bereits als unbestimmten magnetischen Moment k identifiziert hatte, mit dem richtigen Wert 1/2 berechnet und mit g bereits einen Faktor für die Aufspreizung der Spektrallinien bestimmt („Landé’sche g-Formel“).
Im Herbst 1922 wurde L. als Extraordinarius nach Tübingen berufen, auch aufgrund seiner spektroskopischen Arbeiten, bei denen er sich weiterhin u. a. mit den Röntgenspektren, der Quantentheorie der Strahlung und wellenmechanischen Fragen beschäftigte; er veröffentlichte u. a. experimentelle Arbeiten über die Kohärenz von Lichtquanten (teilweise mit
Walther Gerlach, 1925/26). Nachdem L. seit 1929 mehrmals Einladungen an die Ohio State University in Columbus (USA) erhalten hatte, nahm er 1931 dort eine Professur an. Nicht zuletzt das sich zuspitzende politische Klima in Deutschland angesichts des wachsenden Einflusses der Nationalsozialisten, aber auch Vorbehalte und Anfeindungen in Tübingen aufgrund von L.s jüdischer Herkunft motivierten seine Entscheidung. Bis zu seiner Emeritierung 1960 widmete sich L. in den USA vor allem der Lehre und verfasste zahlreiche Lehrbücher. Daneben beschäftigte er sich weiterhin mit Fragen zur Kernphysik und zur Quantenfeldtheorie. Seit Mitte der 1950er Jahre bemühte er sich, in kritischer Auseinandersetzung mit der Kopenhagener Deutung zur Quantenmechanik (Teilchen-Welle-Dualismus), die Quantentheorie auf eine einheitliche Grundlage zu stellen.
Veröffentlichungen (in Auswahl): „Über die absolute Berechnung der Kristalleigenschaften mit Hilfe Bohrscher Atommodelle“ (mit
Max Born, in: Sitzungsberichte der Preußischen Akademie der Wisenschaften zu Berlin, 1918), „Über die Berechnung der Kompressibilität regulärer Kristalle aus der Gittertheorie“ (mit
Max Born, in: Verhandlungen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, 1918), „Über ein dynamisches Würfelatommodell“ (mit
Erwin Madelung, in: Zeitschrift für Physik, 1920), „Über den anomalen Zeemaneffekt“ (2 Teile, in: Zeitschrift für Physik, 1921), „Zur Theorie der Röntgenspektren“ (in: Zeitschrift für Physik, 1923), „Ein Experiment über Kohärenzfähigkeit von Licht“ (mit
Walther Gerlach, in: Zeitschrift für Physik, 1926), „Principles of quantum mechanics” (1937) und „From dualism to unity in quantum physics” (1960).
L. war seit 1922 verheiratet mit der Kinderärztin Dr. med. Elisabeth L., geb. Grunewald (1893-1985). Aus der Ehe stammten die Söhne Arnold L., Mediziner, und Carl Herman L. (1928-2005), Professor für politische Wissenschaften.
Zu Beginn der NS-Zeit emigrierte L.s Vater Hugo L. in die Schweiz, wo er sich 1936 das Leben nahm. L. unterstützte seine beiden Schwestern, die Ärztin Dr. med. Charlotte, gen. Lotte, L., verh. Czempin (1890-1977), und die Kindergärtnerin und Reformpädagogin Eva L., verh. Stedeli (1901-1977), bei der Auswanderung in die USA. Der Bruder, der Musiker und Dirigent Franz L. (1893-1942), war zunächst nach Frankreich emigriert, wurde 1942 an das Deutsche Reich ausgeliefert, nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
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