Sohn des aus Lodz kommenden Händlers Abraham W. (1894-?) und dessen aus Galizien stammender Ehefrau Nascha (auch: Neti), geb. Krug (auch: Kruk; 1896-?). Die deutsch-polnischen Eltern jüdischen Glaubens waren aus wirtschaftlichen Gründen über Bad Orb 1922 nach Kassel gezogen. W. hatte sechs Geschwister, u. a. den Zwillingsbruder Samy und den mit schwerer Behinderung geborenen Bruder Arno (1926-1941).
Die Familie W. floh vor den Nationalsozialisten 1933 zunächst nach Belgien, unter Zurücklassung des in einem Pflegeheim lebenden Arno, der später im Alter von 14 Jahren in der Tötungsanstalt Hadamar im Rahmen der „Aktion T4“ ermordet wurde. 1935 wanderte die Familie nach Palästina aus, wo W. aufwuchs. Nach eigener Schilderung wusste er bereits mit sieben Jahren, dass er Künstler werden wollte, und mit 13 Jahren verkaufte er erste Bilder auf den Straßen von Tel Aviv. 1945 bezog er sein erstes Atelier in einer Baracke am Strand. 1948 wurde W. zum Militärdienst in der israelischen Armee eingezogen, aus dem er nach der Weigerung, einen Schießbefehl auszuführen, 1950 „unehrenhaft entlassen“ wurde.
Von 1954 bis 1958 studierte W. Malerei an der Akademie für Kultur und Künste in Tel Aviv. Bald darauf kehrte er zurück nach Deutschland, da er nach eigenen Aussagen in Israel keinen Frieden fand und keine Zukunft für sein Schaffen als Künstler sah: „Wo die Kanonen schießen, ist die Muse tot.“ Somit lebte und arbeitete W. seit 1959 als freischaffender Künstler in Ffm., wo er auf eine lange Tradition der jüdischen Kultur traf und zugleich eine offene Atmosphäre zur künstlerischen Entfaltung fand, obwohl ihm – wie er erzählte – die erhoffte Fortsetzung seines Studiums an der Städelschule verwehrt wurde. Von 1961 bis 1963 besuchte er die Zeichenkurse von
Walter Hergenhahn an der Städel-Abendschule. Seit 1965 Beteiligung an Gruppenausstellungen. Seit 1970 Einzelausstellungen (in Ffm. u. a. in der Kommunalen Galerie, 1985 und 1995). Seit 1986 Wanderausstellung „Die Vernichtung der Juden“ (mit Barbara Greul Aschanta) mit zahlreichen Stationen, u. a. in Ffm. (am Börneplatz, 1987, und im Museum Judengasse des Jüdischen Museums, 1995-96).
In den letzten 20 Jahren lebte und arbeitete W. in einem Atelier im Ffter Ostend, das ihm die Stadt Ffm. für eine geringe Miete zur Verfügung gestellt hatte. Dort war er täglich und unermüdlich tätig, empfing auch Schulklassen und ausländische Reisegruppen, insbesondere aus Israel. Durch seine schnelle und spontane Arbeitsweise schuf er bis zu 500 Bilder pro Woche, an denen er obsessiv und gleichzeitig arbeitete, um sie möglicherweise viel später noch einmal zu überarbeiten, weshalb seine Werke auch nie datiert wurden. Als eine Muse setzte er die Musik von Beethoven ein, die er seit seiner Kindheit liebte, weil sie ihm die notwendige „schöpferische Kraft“ verlieh: „Beethoven macht dauernd Krach“, so sagte er einmal. „Bei ihm ist immer was los. Ich mag ihn, weil er einfach spontan loslegt: Bu‐u‐ummm!“
Max W. zählte zu den schillerndsten Persönlichkeiten der Ffter Kunstszene. Bis zuletzt sah man ihn auf vielen Veranstaltungen und Ausstellungseröffnungen in der Stadt, blieb er künstlerisch produktiv und informierte über sein Schaffen per digitalem Newsletter, den er stets „Mit herzlichem Shalom“ beendete. Anlässlich seines 80. Geburtstags 2008 wurde eine von Jüdischem Museum, städtischem Kulturamt und dem Verein „Kunst in Fft.“ geförderte Werkschau „Spielraum der Phantasie“ in der „AusstellungsHalle 1a“ in Sachsenhausen gezeigt. Auch danach beteiligte er sich noch gelegentlich an anderen Ausstellungen, u. a. in Ffm. beim „Kunstverein Familie Montez“ (2014). Die Ausstellung in der Ffter Oberfinanzdirektion zu seinem 90. Geburtstag 2018 war seine letzte. Währenddessen befand er sich schon im Krankenhaus, wo er bis zum Ende zeichnete und malte. Der Anschluss an die etablierte, die „große“ Kunstszene war W. allerdings nicht gelungen. Stets hatte er sich (weitgehend erfolglos) für „Gruppenausstellungen für hier ansässige Künstler“ eingesetzt. Sein damit verbundener Traum, einmal im Museum für Moderne Kunst, im Städel oder in der Kunsthalle Schirn ausgestellt zu werden, blieb unerfüllt.
Das Werk von Max W. ist kaum eindeutig einzuordnen. „Ich habe immer das gemacht, was mir gefällt. Ohne Kompromisse“, so sagte er selbst. Dabei gründete sein Schaffen auf „Irrationalität, Zufälligkeit und Zeitlosigkeit“. Der Maler arbeitete oft auf derselben Leinwand direkt mit Mischtechnik: Wachskreide, Kugelschreiber, Bleistift, Ölfarbe, Aquarell, Fugendichtung, Kleber, Graffiti-, Silber- und Glitzerspray, Collage. Sein bevorzugtes Motiv und Markenzeichen waren leuchtend bunte Gestalten, überwiegend mit pinkfarbener Sprühdose aufgetragen und als Gegensatz mit schwarzen Konturen gefasst, mit überzähligen Gliedmaßen, vielen Beinen und verdrehten Armen, phantasievoll angeordneten Augen, anatomisch abstrakt. Bunt, schrill und lebendig – wie er selbst. In seiner Arbeit vermischen sich die Konturen seines Äußeren mit denen seiner Bilder, denn charakteristisch war auch sein Erscheinungsbild mit langem, grauem Haar und Bart und den von Kajal schwarz umrandeten Augen; seine bunte, ohnehin immer etwas farbbefleckte Kleidung pflegte er in den letzten Jahren mit graffitiähnlichen Kritzeleien – gerne in Neonpink – zu besprühen.
Die durch Überzeichnung und Verfremdung gekennzeichnete Kunst von W. kann nie ohne den Hintergrund seiner Vita gesehen werden. Sein Werk wendet sich gegen Gewalt, Sexismus und Rassismus in unserer Gesellschaft, denen mit den Mitteln der künstlerischen Freiheit und Fantasie etwas entgegengesetzt werden soll. In den 1980er Jahren zeigte W. eine Ausstellung „Ästhetik und Gewalt“ in der Kommunalen Galerie im Leinwandhaus in Ffm. (1985) und brachte einen Katalog „Gewalterfahrungen“ mit Arbeiten auf Papier und Leinwand in Mischtechnik und Öl (von 1988/89) heraus. Mit der Zeit wurden seine Gemälde friedlicher und zeigten keine gewalttätigen Szenen mehr. Seine farbintensiven, phantastischen Bildwelten verstand W. als eine Botschaft von einem Erwachsenen an Erwachsene, die mit den Mitteln der spielerischen Vorgehensweise von Kindern bei der Erkundung ihres Lebensumfelds arbeitet. Alle Möglichkeiten der Kunst werden dabei ausgeschöpft: das Spielerische, die Leichtigkeit, bewusste Verfremdung und Entfremdung sowie Dissonanzen, Spannung und Dramatik. Vielleicht aufgrund dieser Vorgehensweise konnte sich W. trotz seines hohen Alters die Lebendigkeit seiner Werke erhalten.
1987 Preis der Internationalen Senefelder Stiftung für Lithografien. 1994 Walter-Schadt-Preis. 2018 (posthum) Goetheplakette der Stadt Ffm.
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