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Weinberg, Max

Max Weinberg

Max Weinberg
Fotografie von Barbara Walzer (2014).

© Barbara Walzer, Ffm.
Max Weinberg in seinem Atelier

Max Weinberg in seinem Atelier in der Ostparkstraße in Ffm.
Fotografie von Barbara Walzer (2016).

© Barbara Walzer, Ffm.
Weinberg, Max (auch: Moshe). Maler, Zeichner und Bildhauer. * 19.1.1928 Kassel, † 18.4.2018 Ffm.
Sohn des aus Lodz kommenden Händlers Abraham W. (1894-?) und dessen aus Galizien stammender Ehefrau Nascha (auch: Neti), geb. Krug (auch: Kruk; 1896-?). Die deutsch-polnischen Eltern jüdischen Glaubens waren aus wirtschaftlichen Gründen über Bad Orb 1922 nach Kassel gezogen. W. hatte sechs Geschwister, u. a. den Zwillingsbruder Samy und den mit schwerer Behinderung geborenen Bruder Arno (1926-1941).
Die Familie W. floh vor den Nationalsozialisten 1933 zunächst nach Belgien, unter Zurücklassung des in einem Pflegeheim lebenden Arno, der später im Alter von 14 Jahren in der Tötungsanstalt Hadamar im Rahmen der „Aktion T4“ ermordet wurde. 1935 wanderte die Familie nach Palästina aus, wo W. aufwuchs. Nach eigener Schilderung wusste er bereits mit sieben Jahren, dass er Künstler werden wollte, und mit 13 Jahren verkaufte er erste Bilder auf den Straßen von Tel Aviv. 1945 bezog er sein erstes Atelier in einer Baracke am Strand. 1948 wurde W. zum Militärdienst in der israelischen Armee eingezogen, aus dem er nach der Weigerung, einen Schießbefehl auszuführen, 1950 „unehrenhaft entlassen“ wurde.
Von 1954 bis 1958 studierte W. Malerei an der Akademie für Kultur und Künste in Tel Aviv. Bald darauf kehrte er zurück nach Deutschland, da er nach eigenen Aussagen in Israel keinen Frieden fand und keine Zukunft für sein Schaffen als Künstler sah: „Wo die Kanonen schießen, ist die Muse tot.“ Somit lebte und arbeitete W. seit 1959 als freischaffender Künstler in Ffm., wo er auf eine lange Tradition der jüdischen Kultur traf und zugleich eine offene Atmosphäre zur künstlerischen Entfaltung fand, obwohl ihm – wie er erzählte – die erhoffte Fortsetzung seines Studiums an der Städelschule verwehrt wurde. Von 1961 bis 1963 besuchte er die Zeichenkurse von Walter Hergenhahn an der Städel-Abendschule. Seit 1965 Beteiligung an Gruppenausstellungen. Seit 1970 Einzelausstellungen (in Ffm. u. a. in der Kommunalen Galerie, 1985 und 1995). Seit 1986 Wanderausstellung „Die Vernichtung der Juden“ (mit Barbara Greul Aschanta) mit zahlreichen Stationen, u. a. in Ffm. (am Börneplatz, 1987, und im Museum Judengasse des Jüdischen Museums, 1995-96).
In den letzten 20 Jahren lebte und arbeitete W. in einem Atelier im Ffter Ostend, das ihm die Stadt Ffm. für eine geringe Miete zur Verfügung gestellt hatte. Dort war er täglich und unermüdlich tätig, empfing auch Schulklassen und ausländische Reisegruppen, insbesondere aus Israel. Durch seine schnelle und spontane Arbeitsweise schuf er bis zu 500 Bilder pro Woche, an denen er obsessiv und gleichzeitig arbeitete, um sie möglicherweise viel später noch einmal zu überarbeiten, weshalb seine Werke auch nie datiert wurden. Als eine Muse setzte er die Musik von Beethoven ein, die er seit seiner Kindheit liebte, weil sie ihm die notwendige „schöpferische Kraft“ verlieh: „Beethoven macht dauernd Krach“, so sagte er einmal. „Bei ihm ist immer was los. Ich mag ihn, weil er einfach spontan loslegt: Bu‐u‐ummm!“
Max W. zählte zu den schillerndsten Persönlichkeiten der Ffter Kunstszene. Bis zuletzt sah man ihn auf vielen Veranstaltungen und Ausstellungseröffnungen in der Stadt, blieb er künstlerisch produktiv und informierte über sein Schaffen per digitalem Newsletter, den er stets „Mit herzlichem Shalom“ beendete. Anlässlich seines 80. Geburtstags 2008 wurde eine von Jüdischem Museum, städtischem Kulturamt und dem Verein „Kunst in Fft.“ geförderte Werkschau „Spielraum der Phantasie“ in der „AusstellungsHalle 1a“ in Sachsenhausen gezeigt. Auch danach beteiligte er sich noch gelegentlich an anderen Ausstellungen, u. a. in Ffm. beim „Kunstverein Familie Montez“ (2014). Die Ausstellung in der Ffter Oberfinanzdirektion zu seinem 90. Geburtstag 2018 war seine letzte. Währenddessen befand er sich schon im Krankenhaus, wo er bis zum Ende zeichnete und malte. Der Anschluss an die etablierte, die „große“ Kunstszene war W. allerdings nicht gelungen. Stets hatte er sich (weitgehend erfolglos) für „Gruppenausstellungen für hier ansässige Künstler“ eingesetzt. Sein damit verbundener Traum, einmal im Museum für Moderne Kunst, im Städel oder in der Kunsthalle Schirn ausgestellt zu werden, blieb unerfüllt.
Das Werk von Max W. ist kaum eindeutig einzuordnen. „Ich habe immer das gemacht, was mir gefällt. Ohne Kompromisse“, so sagte er selbst. Dabei gründete sein Schaffen auf „Irrationalität, Zufälligkeit und Zeitlosigkeit“. Der Maler arbeitete oft auf derselben Leinwand direkt mit Mischtechnik: Wachskreide, Kugelschreiber, Bleistift, Ölfarbe, Aquarell, Fugendichtung, Kleber, Graffiti-, Silber- und Glitzerspray, Collage. Sein bevorzugtes Motiv und Markenzeichen waren leuchtend bunte Gestalten, überwiegend mit pinkfarbener Sprühdose aufgetragen und als Gegensatz mit schwarzen Konturen gefasst, mit überzähligen Gliedmaßen, vielen Beinen und verdrehten Armen, phantasievoll angeordneten Augen, anatomisch abstrakt. Bunt, schrill und lebendig – wie er selbst. In seiner Arbeit vermischen sich die Konturen seines Äußeren mit denen seiner Bilder, denn charakteristisch war auch sein Erscheinungsbild mit langem, grauem Haar und Bart und den von Kajal schwarz umrandeten Augen; seine bunte, ohnehin immer etwas farbbefleckte Kleidung pflegte er in den letzten Jahren mit graffitiähnlichen Kritzeleien – gerne in Neonpink – zu besprühen.
Die durch Überzeichnung und Verfremdung gekennzeichnete Kunst von W. kann nie ohne den Hintergrund seiner Vita gesehen werden. Sein Werk wendet sich gegen Gewalt, Sexismus und Rassismus in unserer Gesellschaft, denen mit den Mitteln der künstlerischen Freiheit und Fantasie etwas entgegengesetzt werden soll. In den 1980er Jahren zeigte W. eine Ausstellung „Ästhetik und Gewalt“ in der Kommunalen Galerie im Leinwandhaus in Ffm. (1985) und brachte einen Katalog „Gewalterfahrungen“ mit Arbeiten auf Papier und Leinwand in Mischtechnik und Öl (von 1988/89) heraus. Mit der Zeit wurden seine Gemälde friedlicher und zeigten keine gewalttätigen Szenen mehr. Seine farbintensiven, phantastischen Bildwelten verstand W. als eine Botschaft von einem Erwachsenen an Erwachsene, die mit den Mitteln der spielerischen Vorgehensweise von Kindern bei der Erkundung ihres Lebensumfelds arbeitet. Alle Möglichkeiten der Kunst werden dabei ausgeschöpft: das Spielerische, die Leichtigkeit, bewusste Verfremdung und Entfremdung sowie Dissonanzen, Spannung und Dramatik. Vielleicht aufgrund dieser Vorgehensweise konnte sich W. trotz seines hohen Alters die Lebendigkeit seiner Werke erhalten.
1987 Preis der Internationalen Senefelder Stiftung für Lithografien. 1994 Walter-Schadt-Preis. 2018 (posthum) Goetheplakette der Stadt Ffm.

Artikel aus: Frankfurter Personenlexikon, verfasst von Claudia Olbrych.

Literatur:
                        
Die bildenden Künstler in Ffm. Hg. v. d. Stadt Ffm., Dezernat für Kultur und Freizeit, Amt für Wissenschaft und Kunst. Bearb. v. Kurt Lotz u. Rudi Seitz. Ffm. 1982, 2. Aufl. 1989.Die bildenden Künstler in Ffm. 1989. | Kern, Margit/Kirchner, Thomas (Hg.): Geschichte und Ästhetik. Festschrift für Werner Busch zum 60. Geburtstag. München/Berlin 2004.Lahusen, Margarita Clara: Die „Überirdische Frau“. Aspekte der Kabbala im Werk von Max Weinberg. In: Kern/Kirchner (Hg.): Geschichte u. Ästhetik 2004, S. 518-530. | Knieper, Caspar (Hg.): Atelier Max Weinberg. Spielraum der Phantasie. Bremen 2008.Knieper (Hg.): Atelier Max Weinberg 2008. | [Weinberg, Max:] Da muss Kunst stark sein. Max Weinberg. Ausdrucksmalerei Fft. Eastside. Ein Atelierbesuch. Ffm. [2003].Weinberg: Da muss Kunst stark sein 2003.
Quellen: Die Welt. [Tageszeitung.] Berlin 1946-heute.Wölfelschneider, Markus: Anarchischer Spaß. In: Die Welt, Internetausgabe (www.welt.de), Regionales Fft., 31.7.2014. | Ffter Allgemeine Zeitung. Ffm. 1949-heute.Schütte, Christoph: Max Weinberg. Malerei von einem anderen Planeten. In: FAZ, Internetausgabe (www.faz.net), Rhein-Main, 21.5.2012. | Ffter Rundschau. Ffm. 1945-heute.Blosche, Max: Maler Max Weinberg. Große Ausstellung zum 80. Geburtstag. Artikel der dpa in: FR, Internetausgabe (www.fr.de), Kultur, 13.8.2008. | Ffter Rundschau. Ffm. 1945-heute.Göpfert, Claus-Jürgen: Max Weinberg. Auf einem anderen Planeten. In: FR, Internetausgabe (www.fr.de), Fft., 19.8.2016. | Höchster Kreisblatt. Höchst bzw. (ab 1928) Ffm. 1921-41 u. 1949-heute.Kramer, Brigitte: Werke von Künstler versetzen Sodener Stadtgalerie in Farbenrausch. Max Weinberg in Pink. In: HKB, Internetausgabe, 3.4.2017. | ISG, Sammlung Druckschriften, darin: Programmzettel, Einladungen zu Veranstaltungen, Flyer und sonstige kleine Drucksachen zu Kirchen, Parteien, Vereinen, Stiftungen, Firmen u. a. in Ffm., 1878-2018.ISG, Druckschriften, S10/404 (Atelier Max Weinberg, ca. 2010-18). | ISG, Dokumentationsmappe in der Sammlung S2 (mit Kleinschriften, Zeitungsausschnitten und Nekrologen zu einzelnen Personen und Familien).ISG, S2/8.042. | Journal Fft. [Ffter Stadtmagazin.] Ffm. 1990-heute.Nachruf von nb in: Journal Fft., Internetausgabe (www.journal-frankfurt.de), Panorama, 18.4.2018. | Jüdische Allgemeine. [Vorheriger Titel u. a.: Allgemeine Jüdische Wochenzeitung (1973-2002).] Düsseldorf, dann (ab 1985) Bonn, schließlich (seit 1999) Berlin 1946-heute.Max Weinberg: „Ich falle auf“. Aufgezeichnet von Annette Wollenhaupt. In: Jüd. Allgemeine, Internetausgabe (www.juedische-allgemeine.de), 3.7.2008 (https://www.juedische-allgemeine.de/allgemein/ich-falle-auf/, abgerufen am 10.2.2019). | Kreis-Anzeiger. [Tageszeitung für Wetterau und Vogelsberg.] Nidda 1792-heute.Eichenauer, Monika: Ein richtiges Wow-Erlebnis. In: Kreis-Anzeiger, Internetausgabe (www.kreis-anzeiger.de), Lokales Büdingen, 18.1.2018. | Rhein-Main Extra Tipp. Anzeigenzeitung für Fft., Offenbach, Dieburg, Hanau sowie den Taunus und den Wetteraukreis. Offenbach/Main 2007-heute.Drusche, Janine: Platzt Max Weinbergs Traum zum 90. Geburtstag? In: Rhein-Main Extra Tipp, 10.12.2017.
Internet: Website der Ausstellung „ART Wesertor“, Kunst im Wesertor, Kassel. http://www.artwesertor.de/kuenstler/max-weinberg
Hinweis: Künstlerbiographie von Max Weinberg.
Art Wesertor, 10.2.2019.
| Feuilleton Fft., Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt, gegr. v. Erhard Metz, hg. v. Petra Kammann, Ffm. http://www.feuilletonfrankfurt.de/2018/04/19/max-weinberg/
Hinweis: Nachruf auf Max Weinberg, verfasst von Erhard Metz am 19.4.2018.
Feuilleton Fft., 9.2.2019.
| Künstlerseite zu Max Weinberg, hg. v. Jonatan Weinberg, Berlin. https://maxweinberg.deGalerie Max Weinberg, 23.1.2020. | Internetausgabe der „hessenschau“, Hessischer Rundfunk, Ffm. https://www.hessenschau.de/kultur/frankfurter-kuenstler-max-weinberg-mit-90-jahren-gestorben,trauer-um-max-weinberg-100.html
Hinweis: Nachruf auf Max Weinberg vom 19.4.2018.
hessenschau.de, 10.2.2019.
| Website der Heussenstamm-Galerie, hg. v. d. Heussenstamm-Stiftung, Ffm. http://heussenstamm.de/uploads/media/2009-04-weinberg.pdf
Hinweis: Künstlerinformation: Max Weinberg, 2009.
Heussenstamm-Galerie, 10.2.2019.
| Stolpersteine in Kassel, Internetdokumentation der Initiative Stolpersteine in Kassel e. V., Kassel. https://www.kassel-stolper.com/biografien/familie-weinberg/
Hinweis: Artikel von Jochen Boczkowski/Margrit Stiefel/Jürgen Strube: Arno Weinberg, seine Eltern Abraham und Nascha und seine Geschwister Rosel, Regina, Helene, Max, Samy und Bernhard, April 2016.
Stolpersteine in Kassel, 9.2.2019.
| Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Weinberg_%28Maler%29Wikipedia, 10.2.2019.

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Empfohlene Zitierweise: Olbrych, Claudia: Weinberg, Max. In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), https://frankfurter-personenlexikon.de/node/10558

Stand des Artikels: 3.4.2020
Erstmals erschienen in Monatslieferung: 02.2019.