Sohn des Pfarrers und späteren Geheimen Kirchenrats D. theol. Georg Sch. (1846-1926) und dessen Ehefrau Marie Luise Elisabeth, geb. Rendtorff (1855-1947).
Nach dem Abitur (1908) absolvierte Sch. eine Kaufmannslehre bei einer Im- und Exportfirma in Hamburg und war seit 1910 im damaligen Britisch-Ostindien kaufmännisch tätig. 1914 kehrte er nach Deutschland zurück und meldete sich freiwillig zum Kriegsdienst, aus dem er wegen einer Verwundung bald wieder entlassen wurde. Am 16.2.1915 trat Sch. als Handlungsgehilfe in die Chininabteilung der „Deutschen Gold- und Silber-Scheideanstalt vorm. Roessler“ (ab 1980 „Degussa AG“) in Ffm. ein, wurde aber kurz darauf wieder zum Kriegsdienst eingezogen und kehrte erst im Dezember 1918 zur Degussa zurück. Im Frühjahr 1919 wurde er von der Degussa für neun Monate in die Niederlande geschickt, von wo aus er das zusammengebrochene Auslandsgeschäft, insbesondere mit den USA, wieder ankurbeln sollte. Erfolgreich nach Ffm. zurückgekehrt, wurde Sch. mit einzelnen Sonderaufgaben in der Degussa betraut, bis er 1922 dort zum Prokuristen und Leiter der Chemikalienabteilung aufstieg. Vor allem baute er das Cyangeschäft wieder auf; hier sicherte er der Degussa durch nationale und internationale Verträge sowie durch Anregung neuer, auf einer USA-Reise (1924) kennengelernter Anwendungsgebiete wieder einen Anteil am Weltmarkt. 1926 wurde Sch. zum stellvertretenden, 1928 zum ordentlichen Vorstandsmitglied der Degussa bestellt. Er übernahm nun nach und nach die kaufmännische Verantwortung für alle Arbeitsgebiete der Degussa mit Ausnahme der Metallabteilung und der für Holzkohle und deren Folgeprodukte zuständigen „Hiag”-Sparte. Seit 1932 förderte er insbesondere das seitdem intensiv von der Degussa betriebene Rußgeschäft.
Als Nachfolger des verstorbenen Ernst Busemann wurde Sch. 1939 zum Vorstandsvorsitzenden der Degussa ernannt. Er widmete sich vorrangig der bereits unter seinem Vorgänger begonnenen Neuorganisation des Konzerns und forcierte insbesondere die praktische Umsetzung der formell schon 1930/31 vollzogenen Fusion zwischen der Degussa, der Holzverkohlungs-Industrie AG („Hiag”) und dem Verein für Chemische Industrie. Bereits 1933 hatte Sch. einen Antrag auf Aufnahme in die NSDAP gestellt, der aber 1934 wegen seiner Zugehörigkeit zu einer Freimaurerloge abgelehnt worden war. Nach seiner Wahl zum Vorstandsvorsitzenden wurde Sch. auf Fürsprache des Betriebsobmanns „durch Gnadenerlaß des Führers” in die Partei aufgenommen. Während des Zweiten Weltkriegs beschäftigte die Degussa unter seiner Leitung viele Tausend Zwangsarbeiter, verarbeitete Raubgold und erzielte große Gewinne mit kriegswichtiger Produktion. Anfang 1943 übernahm Sch. auf Vorschlag der chemischen Industrie die Leitung und die Neuorganisation der „Wirtschaftsgruppe Chemie”, eines der Wirtschaftsgremien, das die früher (bis 1942) zuständigen Reichsstellen ersetzte und das Erreichen der „Kriegsziele” gewährleisten sollte. Wegen dieser Tätigkeit (für die ihn der Verband der Chemischen Industrie 1952 zu seinem Ehrenmitglied ernennen sollte) und wegen seiner Parteimitgliedschaft wurde Sch. im September 1945 von der amerikanischen Militärregierung aus der Degussa entlassen. In der Spruchkammerverhandlung im Juli 1947 wurde er als Minderbelasteter mit zweijähriger Bewährungszeit eingeordnet; dieses Urteil wurde 1948 noch zu seinen Gunsten revidiert. Da er seit 1940 als Mitglied im Verwaltungsrat der Deutschen Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung (Degesch) fungiert hatte, an der die Degussa zu 42,5 Prozent beteiligt war, wurde er 1948 im Zuge der Ermittlungen zum Zyklon-B-Prozess verhaftet, nach wenigen Wochen aber wieder freigelassen.
Bereits seit 1947 war Sch. in beratender Funktion wieder für die Degussa tätig. 1949 wurde er erneut in den Vorstand gewählt, und im Februar 1950 wurde er wieder zum Vorstandsvorsitzenden bestellt. In dieser Position (bis 1959) machte sich Sch. um den Wiederaufbau und die Erweiterung des Unternehmens besonders verdient. So bemühte er sich um die Rückeroberung von dessen führender Stellung auf dem Cyanmarkt und befürwortete die Errichtung eines neuen zentralen Forschungszentrums in Hanau-Wolfgang. Außerdem gründete er die „Degussa-Lehrlingsausbildung”. Von 1959 bis 1965 als Aufsichtsratsvorsitzender, seit 1965 als Ehrenvorsitzer blieb Sch. bis zu seinem Tod dem Unternehmen verbunden. Seine Gesamtleistung für die Degussa ist darin zu sehen, dass er aus der alten
Roessler’schen „Scheideanstalt”, der später dazugekommenen „Hiag” und den weiter hinzuerworbenen Beteiligungsgesellschaften einen kaufmännisch durchorganisierten, einheitlichen Konzern mit einer wesentlich erweiterten Produktpalette aufbaute und dessen internationale Stellung festigte.
Aufsichtsratsmitglied weiterer Unternehmen, u. a. der BASF (1952-65) und der Dresdner Bank (zunächst 1952-57 der Rhein-Main Bank AG, dann bis 1965 als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Dresdner Bank AG). Mitglied in Fachverbänden, u. a. als Begründer (1960) und Präses (seit 1960) des Ältestenrats im Verband der Chemischen Industrie. Mitglied im Verwaltungsrat des Freien Deutschen Hochstifts in Ffm. Förderer der Vereinigung der „Freunde der Kirchenmusik”, wofür er 1967 mit der von der Vereinigung gestifteten und von
Georg Krämer gestalteten Johann-Sebastian-Bach-Plakette ausgezeichnet wurde. Mitglied (seit 1935) und Ehrenmitglied des Rotary Clubs Ffm.
Zahlreiche weitere Auszeichnungen und Ehrenmitgliedschaften, u. a. Ehrenplakette der Stadt Ffm. (1954), Großes Bundesverdienstkreuz mit Stern (1965) und Ehrenbürgerschaft der Stadt Gießen (1965).
Teilnachlass im Konzernarchiv der „Evonik Industries AG“ in Hanau.
Das 1955 von der Degussa aus städtischem Besitz erworbene und auf Sch.s Initiative original erhaltene klassizistische Bürgerhaus am Untermainkai 4 (erbaut von
Friedrich Hess, 1823), das dem Unternehmen bis 2009 als repräsentatives Traditionshaus mit Firmenmuseum diente, hieß von 1965 bis 2001 „Hermann-Sch.-Haus” (jetzt „Main Palais“ im Main Tor Quartier). Hermann-Sch.-Stiftung zur Förderung des beruflichen Aufstiegs von Nachwuchskräften für die chemische und pharmazeutische Industrie sowie die Nichteisenmetall-Industrie und verwandte Industrien, gegründet von der Degussa anlässlich von Sch.s 40. Arbeitsjubiläum 1955; dem Stiftungsvorstand gehörte Sch. bis zu seinem Tod als Ehrenvorsitzender an. Die Stiftung ist zunächst in der Degussa-Stiftung und diese 2009 in der Evonik Stiftung aufgegangen.
Frankfurter Biographie 2 (1996), S. 297-299,
(redigierte Onlinefassung für das Frankfurter Personenlexikon).