Goethe, gen. Göthé (eigentl.: Göthe), Friedrich (eigentl.: Friederich) Georg. Schneidermeister, später Gasthalter. ~ 6.9.1657 Kannawurf im heutigen Landkreis Sömmerda/Thüringen, Diese Angaben konnten anhand von Dokumenten zweifelsfrei bestätigt werden.† 10.2.1730 Ffm.
Sohn des Hufschmieds Hans Christian Göthe (um 1633-1694), der später auch Ratsherr von Artern (im heutigen Kyffhäuserkreis/Thüringen) war, und dessen Ehefrau Sibylla, geb. Werner (1635-1689), einer Lehrerstochter.
G. wuchs seit 1659 in Artern auf, wo er die Lateinschule besuchte und eine Lehre als Schneider absolvierte. Nach Abschluss der Ausbildung, etwa 1673, lange Wanderzeit: zunächst vier Jahre in Ober- und Niedersachsen, dann weitere vier Jahre im Reich, zuletzt etwa viereinhalb Jahre in Frankreich, hauptsächlich in Lyon, aber auch in Paris. In Frankreich legte sich G. einen Accent aigu auf dem letzten Buchstaben seines Namens zu. Ende 1685/Anfang 1686, nach gut zwölfjähriger Wanderschaft, Rückkehr nach Artern. 1686 Niederlassung in Ffm. und Antrag auf Bürgerrecht. Am 14.12.1686 Zulassung zum Bürgerrecht, am 28.2.1687 Ablegung des Bürgereids und Eintrag ins Bürgerbuch. Am 24.2.1687 Zulassung zum Meisterstück. Heiratete am 18.4.1687 in der Barfüßerkirche Anna Elisabeth(a) Lutz (1667-1700), Tochter des Schneidermeisters Sebastian Lutz (?-1701), die ihm fünf Söhne gebar. Als Damenschneider war G. in Ffm. von Anfang an geschäftlich sehr erfolgreich, zumal er bald zum Orakel der Pariser Mode bei den Gattinnen der Ffter Patrizier und Handelsherren avancierte. Bereits 1687 zählte auch der Darmstädter Hof zu seinen Kunden. 1691 kaufte G. das Haus zum Goldenen Rad in der Großen Sandgasse, wo er im Hinterhaus seine Werkstatt betrieb. Ab 1695 musste er einen Prozess vor dem Schöffen- und dem Reichskammergericht gegen den Stadtsyndikus
Johann Wolfgang Textor (den Ururgroßvater
Goethes von mütterlicher Seite) führen, wegen unbezahlter Rechnungen über die stattliche Garderobe, die
Textors zweite Ehefrau und dessen älteste Tochter im Atelier von G. hatten arbeiten lassen.
Am 6.8.1700 Tod von G.s Ehefrau Anna Elisabeth. Nach längerer Witwerschaft schloss G. am 4.5.1705 eine zweite Ehe, und zwar mit der Schneiderstochter Cornelia Schelhorn, geb. Walther (1668-1754), der Witwe von Johann Schelhorn (auch: Schellhorn; ?-1704), dem Wirt des „Weidenhofs“ auf der Zeil. G. gab sein lukratives Handwerk als Schneider für betuchte Kundschaft auf und wurde Gasthalter des „Weidenhofs“, den er „auf die Höhe eines Hotels ersten Ranges“ hob (
Rudolf Jung); nebenher betrieb er einen Weinhandel. Am 29.7.1710 wurde als drittes Kind der zweiten Ehe und jüngster Sohn
Johann Caspar G. geboren. Ihm galt der besondere Ehrgeiz des Vaters:
Johann Caspar wurde mit 14 Jahren auf das Gymnasium Casimirianum nach Coburg geschickt und sollte studieren, was G. jedoch nicht mehr erlebte. Am 13.2.1730, drei Tage nach seinem Tod, wurde Friedrich Georg G. auf dem Peterskirchhof beigesetzt, wahrscheinlich in der (erhaltenen) Grabstätte der Familie Walther, wo später auch seine zweite Ehefrau Cornelia und sein Sohn
Johann Caspar G. bestattet wurden.
G. hatte es zu ansehnlichem Wohlstand gebracht und damit den Grundstein zum Vermögen der Familie G. gelegt, von dem der Sohn
Johann Caspar und der Enkel
Johann Wolfgang Goethe gut und wohlversorgt lebten. Schon während seiner Zeit auf dem Gymnasium Casimirianum in Coburg hatte
Johann Caspar die Schreibung seines Nachnamens von „Göthé“ in die latinisierte Form „Goethe“ geändert. Da der Zinngießer Hermann Jacob G. (1697-1761), sein Halbbruder aus erster Ehe des Vaters, bereits Mitglied des Ffter Rates war, blieb
Johann Caspar G. die Ratsmitgliedschaft und damit die Grundlage für eine Ämterlaufbahn in seiner Heimatstadt verwehrt. Er führte daher ein Leben als Privatier und widmete sich der Erziehung seiner Kinder, insbesondere des Sohnes
Johann Wolfgang G., des späteren Dichters. Dieser erzählt in seiner Autobiographie „Dichtung und Wahrheit“ (DuW, 1811-14/33), dass er als Junge von anderen Kindern verspottet worden sei, weil sein Großvater väterlicherseits nur „Gastgeber zum Weidenhof“ gewesen sei. Er habe erwidert, dass er „davon keineswegs beschämt sei, weil gerade darin das Herrliche und Erhebende unserer Vaterstadt bestehe, dass alle Bürger sich einander gleich halten dürften“ (DuW I,2). Dass jener Großvater ursprünglich ein Schneidermeister war, verschweigt der Dichter auch in seiner Autobiographie jedoch lieber.
Das Haus zum Goldenen Rad, das G. nach seinem Wechsel in den „Weidenhof“ weiterveräußert hatte, wurde spätestens im ausgehenden 18. Jahrhundert abgerissen; ungefähr an seiner Stelle in der Sandgasse ist eine Gedenktafel (um 1960) an der Rückwand des Helvetia-Hauses angebracht. Der „Weidenhof“ auf der Zeil wurde 1735 von G.s Witwe Cornelia verkauft und 1843 für den Bau des „Hauses Mozart“ niedergelegt; an dessen Stelle befindet sich heute der „Kaufhof“.
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