Tochter des Kaufmanns Joseph Kahn (1854-1905) und dessen Ehefrau Henriette, geb. Maier (1860-1918). Eine ältere Schwester: Dora Kahn (seit 1910 verh. Neumond, 1884-1965). Die Familie war jüdisch und wohnte im Ffter Westend.
Nach dem erfolgreich abgeschlossenen Besuch der höheren Mädchenschule bzw. des Realgymnasiums an der Ffter Elisabethenschule begann Rosy Kahn 1910 ihr Studium an der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften in Ffm. Die Akademie verließ sie bereits 1911, um in Heidelberg Nationalökonomie zu studieren. Nach einem Semester wechselte sie im Wintersemester 1911/12 an die Königliche Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin und zum Fach Kunstgeschichte, das sie anschließend in Freiburg im Breisgau und München studierte. Mit der Gründung des Kunstgeschichtlichen Instituts in Ffm. kehrte Kahn im Sommersemester 1915 in ihre Geburtsstadt zurück. Neben Kunstgeschichte belegte sie hier die Nebenfächer Geschichtliche Hilfswissenschaften und Deutsche Philologie. Am 3.8.1916 bestand sie, dreimal mit der Note „sehr gut“, ihre mündlichen Abschlussprüfungen. Die 1917 bei Rudolf Kautzsch (1868-1945) eingereichte Dissertation mit dem Titel „Die frühen Stiche des Lucas van Leyden in ihrem Verhältnis zur niederländischen Kunst“ erhielt in Form und Inhalt das Lob des Professors; den sprachlichen Stil kritisierte er. Neben Anna Landsberg war Rosy Kahn somit die erste Studentin, die ihre Dissertation am Kunstgeschichtlichen Institut der Universität Ffm. verfasste und die Doktorwürde erhielt.
Nach Abschluss des Studiums blieb Rosy Kahn zunächst im Verband der Universität und arbeitete von Januar 1917 bis April 1919 als Volontärin am Hessischen Landesmuseum Darmstadt. Zu ihren Aufgaben im durch den Kriegsdienst verkleinerten Team um Direktor Friedrich Back (1860-1932) gehörten Inventarisierungen, aber auch die Einrichtung der Skulpturensammlung der Renaissance und des Barock und die Ausstellung von Neuerwerbungen der Kriegsjahre. Als freiwillige Hilfsarbeiterin am Kunstgewerbemuseum in Ffm. unter Leitung von Robert Schmidt (1878-1952) erhielt sie von 1919 bis 1921 weiteren Einblick in den zeitgenössischen Museumsbetrieb und half bei der Inventarisierung, der Bearbeitung von Neuerwerbungen und bei Sonderausstellungen mit. Neben der Museumstätigkeit stellte Kahn zwischen 1918 und 1922 im Auftrag des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft (DVfK) unter
Georg Swarzenski ein Fotoarchiv zur „deutschen Buchmalerei romanischer Zeit“ zusammen, für das sie vielerorts im deutschsprachigen Raum Bibliotheken aufsuchte, dort recherchierte, sammelte und selbst fotografierte. Das Projekt für den DVfK war auch direkter Vorläufer des großen Bandes, der als Sch.s Hauptwerk angesehen werden kann: „Die illuminierten Handschriften und Einzelminiaturen des Mittelalters und der Renaissance in Ffter Besitz“, welcher 1929 unter Herausgabe
Georg Swarzenskis (der nur das Vorwort beigetragen hatte) veröffentlicht und vielfach rezensiert wurde.
1922 heiratete Rosy Kahn den Kunsthistoriker und Leiter der Graphischen Sammlung am Städel, Edmund Sch. (1888-1974). Der gemeinsame Sohn
Peter Edmund Joseph Sch. kam am 24.7.1923 in Ffm. zur Welt. Zunächst im Westend wohnend, zog die kleine Familie Anfang 1931 nach Ginnheim, in den Fuchshohl 69; Margarete (1903-1945) und Ernst Kantorowicz (1892-1944) waren ihre direkten Nachbarn. Zwischen 1921 und 1933 veröffentlichte Sch., neben ihrem oben genannten Hauptwerk, mindestens zwei Monographien sowie mehrere Aufsätze in Zeitschriften und Sammelbänden. Themenschwerpunkte waren Buchmalereien und Handschriften des Mittelalters sowie lokale Themen aus Ffm. wie die Alten Meister im Städel Museum und die „spätromanische Malerei“ im Historischen Museum.
In den 1920er und frühen 1930er Jahren war Sch. zusätzlich im florierenden Ffter Kunstmarkt tätig, so zwischen 1923 und 1937 freiberuflich als Beraterin beim Ffter Kunst- und Buchantiquar Heinrich Eisemann (1890-1972). Dort bearbeitete sie „Einzelminiaturen“ und „frühe Manuskripte“. Zudem war sie von ca. 1925 bis 1937 in der Ffter Zweigstelle des renommierten Auktionshauses Hugo Helbing freiberuflich tätig, insbesondere beim Erstellen der umfangreichen Auktionskataloge. „Die Bearbeitung der kunstgewerblichen Teile dieser Kataloge lag ausschliesslich in ihren Händen“, wie Hugo Helbing (1863-1938) selbst bescheinigte.
Der Nationalsozialismus stellte für Sch. einen tiefen Einschnitt in ihr privates und berufliches Leben dar. Im „Beiblatt zum Entschädigungsantrag auf Grund nationalsozialistischer Verfolgung“ vom 1.9.1954 formulierte sie: „Ich habe zwar keinen leiblichen Schaden erlitten, bin aber nach und nach jeder Arbeits- und Verdienstmöglichkeit verlustig gegangen, und die Atmosphäre der Rechtslosigkeit, die sich steigernde Einschränkung der seelischen und körperlichen Bewegungsfreiheit, hat neben äusseren Schwierigkeiten die Fähigkeit zu geistiger Arbeit aufs Schwerste beeinträchtigt.“ Nach Repressalien und Diskriminierungen emigrierte zunächst ihr Ehemann Edmund Sch. 1937 nach London, wo er während des Krieges auf der Isle of Man interniert war, später aber seine museale, sammlerische und beratende Tätigkeit wieder aufnehmen konnte. Der Sohn Peter Sch. emigrierte 1938 zunächst nach Liestal bei Basel und weiter nach Chésières im Kanton Waadt, um dort eine höhere Schule zu besuchen. Im gleichen Jahr zog Rosy Sch. letztmals innerhalb Fft.s um und emigrierte, ihres gesamten Besitzes enteignet, kurz darauf nach London.
Ab 1942 konnte Sch. in Großbritannien einzelne Aufsätze in Kunstzeitschriften, bis Kriegsende ausschließlich in englischer Sprache, publizieren. Spätestens 1944 wurde sie von Edmund Sch. geschieden. Seit 1948 war Sch. britische Staatsbürgerin. In den 1950er und 1960er Jahren erstritt sie sich, vertreten durch ihren Freund, den Rechtsanwalt
Friedrich Lehmann, in einem Entschädigungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland unter hohem bürokratischen Aufwand eine geringe monatliche Zahlung. Zwischen 1948 und 1967 schrieb sie, bis ins hohe Alter, Aufsätze in englischer und deutscher Sprache; Themenschwerpunkt blieb die mittelalterliche Buchmalerei Mitteleuropas. Nur vereinzelt ergab sich die Möglichkeit zu Gelegenheitsarbeiten wie Beraterinnentätigkeiten. Rosy Sch. starb mit 83 Jahren 1971 in London – ohne Ffm. noch einmal besucht zu haben.
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