Sohn der Minna Hulda Ida N. (Lebensdaten, Beruf und letzter Wohnort unbekannt).
N. wurde offenbar unehelich geboren. Er wurde evangelisch erzogen und blieb sein Leben lang unverheiratet. Schon in den 1920er Jahren gab er sich durch schriftstellerische Gelegenheitsarbeiten in Zeitschriften wie „Der Eigene“ und „Freundschaft und Freiheit“ unter seinem Klarnamen als homosexueller Mann zu erkennen. Er schrieb Gedichte und Erzählungen mit „schwulem“ Inhalt, von denen insbesondere die 1922 erschienene Erzählung „Vampir“ nachhaltige Aufmerksamkeit genoss. Ob die Novelle „Das Nachtmahl“, die N. im Sommer 1917 auf der Nervenstation des Warschauer Festungslazaretts schrieb und Zbigniew Zasczyński (vermutlich 1901-1921) – wohl seinem Geliebten – widmete, auf reale Begebenheiten verweist, ist unbekannt.
N. muss spätestens Mitte der 1930er Jahre nach Ffm. gezogen sein. Ab 1937 wohnte er unter der Adresse Mainkai 3 und war als Anzeigenvertreter tätig. Ende desselben Jahres wurde er vom Ffter Amtsgericht zusammen mit zwei offenbar noch minderjährigen „Tatgenossen“ wegen „fortgesetzter Vergehen“ gegen den Paragraphen 175 RStGB, der gleichgeschlechtliche Kontakte unter Männern in Deutschland mit Strafe belegte, kriminalisiert. Der Hintergrund der „Straftaten“ ist heute nicht mehr zu ermitteln. Auf Verfügung der Staatsanwaltschaft wurde N. nach drei Tagen Haft zunächst aus dem Untersuchungsgefängnis entlassen. In der Begründung hieß es: „Er gehört zu den 3 % krankhaft homosexuell Veranlagter.“ Wenige Wochen später wurde N. erneut inhaftiert. In der Aufnahmeverfügung des Gefängnisses wurde betont: „Der Haftbefehl vom 14.12.37 (…) besteht noch.“ Seine Haft musste N. bis Anfang Juli 1938 absitzen. Am 5.4.1938 war vor der Jugendschutzkammer Anklage gegen ihn erhoben worden, und offensichtlich galt das hier verkündete Strafmaß bald als verbüßt. Auf Ersuchen des Ffter Landgerichtsdirektors hieß es am 1.7.1938, N. sei „sofort
in dieser Sache aus der Haft zu entlassen“.
Nach dem Zweiten Weltkrieg veröffentlichte N. einige wenige Gedichte und Erzählungen in der Schweizer Homosexuellen-Zeitschrift „Der Kreis“. 1949 legte er unter dem Titel „Der Pakt mit dem Tode“ auch einen „Allianz Roman“ im Groschenheftformat vor. N. wohnte spätestens ab 1953 in der Kaulbachstraße 65 in Sachsenhausen, unterhielt ab 1.4.1953 einen Zeitschriften-Vertrieb und führte vermutlich ab Sommer 1954 eine eigene Buchhandlung, zunächst in der Mainzer Landstraße 19, ab Frühjahr 1955 direkt neben dem Ffter Hauptbahnhof in der Mannheimer Straße 31. N. verstand sein Ladengeschäft als „homophile Spezialbuchhandlung“ bzw. bezeichnete es als „Der Weg-Buchladen“ (in der Monatsschrift „Der Weg“), und er schaltete entsprechende Werbeanzeigen in bundesdeutschen Zeitschriften für Homosexuelle.
Am 3.5.1957 wurde N. in seiner Buchhandlung Opfer eines Mordes. Nicht zuletzt unter homosexuellen Männern löste der Fall weit über die Grenzen Fft.s hinaus Bestürzung aus. Für Karl Meier (1897-1974), den Herausgeber des Schweizer „Kreis“, war N. ein „grundgütiger Mensch, der immer nur helfen wollte und niemandem schaden“. Über die Presse verbreitete sich schnell das Gerücht von einem Täter aus dem „Strichermilieu“, doch sind die Hintergründe der Tat bis heute unbekannt. Zeitweise ging die Kriminalpolizei davon aus, N. sei wegen von ihm unter dem Ladentisch verbreiteter „zweifelhafter“ Literatur erpresst worden. Schwierigkeiten sahen die ermittelnden Behörden darin, dass die Kunden N.’ zum Teil unter falschem Namen in der Buchhandlung verkehrten und nicht nur aus Ffm., sondern auch aus anderen Städten im Bundesgebiet stammten. Der Mordfall ist nie aufgeklärt worden, und noch Anfang der 1960er Jahre wurde N.’ Name in Presseverlautbarungen in einem Atemzug mit dem der Ffter Prostituierten
Rosemarie Nitribitt genannt, die ebenfalls 1957 ermordet wurde und deren Mörder auch nicht gefunden werden konnte.
Ab Ende der 1970er Jahre etablierten sich im deutschen Sprachraum acht „schwule Buchläden“, die in Reaktion auf die höhere Sichtbarkeit der schwul-lesbischen Emanzipationsbewegung und die veränderte Verlags- und Zeitschriftenlandschaft ihrer Zeit entstanden. Sie erlebten ihre Blütezeit vor der Kommerzialisierung des Internets. Heute (2020) gibt es nur noch drei von ihnen. Der „Buchladen Oscar Wilde“ von Harald Eck in Ffm. bestand von 1994 bis 2015 in der Alten Gasse 51. Auch wenn die gänzlich andere Situation für Literatur zum Thema Homosexualität in den 1950er Jahren in Betracht gezogen werden muss, etwa was ihren Umfang und ihr Umfeld, ihre Verbreitung, die Art der Darstellung und die öffentliche Wahrnehmung angeht, kann N. als ein Vorläufer der schwulen Buchhändler späterer Jahre angesehen werden.
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