Unehelicher Sohn des britischen Offiziers Gordon Maynard I. (1837-1907) und der Jane Violet Tyler (1846-1936). Mehrere Halbgeschwister väterlicherseits, zu denen er gute Beziehungen unterhielt. Die spätere Ehe der Mutter blieb kinderlos.
I.’ Geburt in Ffm. ist geheimnisumwoben. Die Eltern waren nicht miteinander verheiratet und wollten keine Familie gründen. Auch ist unbekannt, zu welchem Zweck sie sich 1867 im gerade erst preußisch annektierten Ffm. aufhielten. In einigen Quellen heißt es, I.’ Mutter sei eine österreichische Adelige bzw. spanisch-jüdische Baronin gewesen. Doch in dem Ffter Geburtseintrag I.’ wird ihr Name eindeutig als „Jane Tyler“ und mit dem Zusatz „21 Jahre alt, aus England,“ angegeben. Jane Violet Tyler heiratete später Karl von Malortie (1838-1899), einen Sohn des hannoverischen Theaterdirektors Hermann von Malortie (1807-1866) und dessen Frau Karoline, geb. von Bismarck-Bohlen (1819-1908).
Als genauer Geburtsort von I. und somit vermutlich als Ffter Adresse seiner Mutter ist im Geburtsregister Ulmenstraße 3 angegeben. Unter dieser Anschrift war um 1867 Anna Christina Reuter, geb. Stier (1803-1868), die Witwe des Handelsmanns Johann Peter Reuter (1791-1859), verzeichnet. Sie war Mutter von fünf Kindern, von denen um diese Zeit zwei Söhne, Peter Wilhelm Reuter (1830-?) und Ferdinand Reuter (1831-?), als Handelsleute in London lebten. Vermutlich hatte einer von ihnen Gordon Maynard I. und/oder Jane Violet Tyler den Kontakt zu seiner Mutter vermittelt. Belegt ist, dass der Ffter Arzt, der I.’ Mutter behandelte und wohl auch entband,
Georg Varrentrapp war. Er unterhielt spätestens seit den 1830er Jahren vielfältige Beziehungen nach England.
Laut dem Ffter Geburtseintrag hatte sich Gordon I. „persönlich und freiwillig als Vater bekannt“. I. wurde am 15.12.1867 in der Holy Trinity Church in London getauft und wuchs anschließend bei Emma I., geb. Maynard (1813-1897), seiner verwitweten Großmutter väterlicherseits, in Südfrankreich und in Großbritannien auf. Seine leibliche Mutter traf er nur zweimal, zu seinem Vater hatte er ein angespanntes Verhältnis.
I. besuchte das Magdalene College in Cambridge und zog nach dem Abschluss seiner Universitätsausbildung nach London, das fortan seinen Lebensmittelpunkt bilden sollte. Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob Ffm. über den bloßen Status als Geburtsort hinaus eine Bedeutung im Leben I.’ einnahm. Mit seinen deutschsprachigen Kontakten wie dem Berliner Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld (1868-1935) korrespondierte I. offenbar auf Englisch. Er beherrschte aber so gut Deutsch, dass er bei internationalen Treffen in der Lage war zu übersetzen. I. konnte zeit seines Lebens von einem erheblichen privaten Vermögen leben und sich in seiner Freizeit ungestört Fragen der Strafrechtsreform und insbesondere des Homosexuellenstrafrechts widmen. Er lernte die Schriftsteller Oscar Wilde (1854-1900) und Edward Carpenter (1844-1929) kennen, und 1897 gründete er den „Orden von Chaeronea“ (Order of the Chaeronea), die erste (damals noch geheime) Selbsthilfeorganisation für Homosexuelle in Großbritannien. Der Name ist eine Anspielung auf die erste Schlacht im griechischen Chaironeia (ca. 338 vor unserer Zeitrechnung), in der die „Heilige Schar“ von Theben – eine Eliteeinheit, die aus 150 männlichen Liebespaaren bestand – besiegt wurde. Ein ausgeklügeltes System von Siegeln, Codes und Passwörtern sowie die tiefe Verschwiegenheit der Mitglieder sorgten dafür, dass auch heute über den Orden nur wenig bekannt ist. Intern unterstützte die Gruppe diejenigen ihrer Mitglieder, die durch die antihomosexuelle Gesetzgebung bedroht und kriminalisiert worden waren, extern leistete sie Lobbyarbeit.
Mit dem Berliner Wissenschaftlich-humanitären Komitee (WhK), das sich ab 1897 als weltweit erste Interessenorganisation Homosexueller offen für die Entkriminalisierung mann-männlicher Sexualkontakte einsetzte, kam I. spätestens 1907 in Kontakt. Im selben Jahr wurde er zum Obmann des WhK gewählt; 1910 und 1920 wurde er in diesem Amt bestätigt. 1914 gründete I. zusammen mit dem britischen Sexualwissenschaftler Henry Havelock Ellis (1859-1939), Edward Carpenter u. a. die „British Society for the Study of Sex Psychology“ (BSSSP; ab 1931: „British Sexological Society“), die sich in Vorträgen und Publikationen mit sämtlichen Fragen der Sexualität beschäftigte. Die BSSSP verstand sich als britische Gruppe innerhalb des Berliner WhK und zählte um 1920 etwa 250 Mitglieder.
I.’ Nachlass, darunter die umfangreiche Sammlung seiner Tagebücher von 1887 bis 1949, befindet sich im Harry Ransom Center der University of Texas; eine detaillierte Bestandsbeschreibung ist online zugänglich (https://norman.hrc.utexas.edu/fasearch/findingaid.cfm?eadid=00060&kw=ives,%20george, abgerufen am 8.11.2022).
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