Sohn von
Johann Conrad V. und dessen Ehefrau Marie Christine, geb. Hofmann (1785-1859). Vater von
Adolf V.Besuch der Weißfrauenschule und des städtischen Gymnasiums in Ffm. Seit 1827 Medizinstudium in Heidelberg. Die Beteiligung an Studentenprotesten 1828 wurde mit Relegation und Studienverbot an allen deutschen Universitäten geahndet. V. setzte das Studium zunächst in Straßburg und Paris fort. Auf Intervention seines
Vaters beim Bundestag konnte er das Medizinstudium in Würzburg beenden. Am 24.9.1831 Promotion mit der Doktorarbeit „Observationes anatomicae de Parte cephalica Nervi Sympathici ejusque conjunctionibus cum nervis cerebralibus”. Im Besitz der Konzession, in Ffm. als Arzt zu praktizieren, arbeitete V. seit 1831 als Assistent seines
Vaters am Hospital zum heiligen Geist. Der Neubau des Spitals in der Langen Straße (1835-39) datierte in V.s Assistentenzeit. 1834 Mitbegründer der Armenklinik zur ärztlichen Versorgung der Einwohner der Ffter Landgemeinden. Wissenschaftliche Reisen durch Deutschland (1832) sowie Holland, England, Irland, Schottland und Belgien (1838). Im Anschluss an die Auslandsreise veröffentlichte V. 1839 das „Tagebuch einer medicinischen Reise nach England, Holland und Belgien”. In der Nachfolge des
Vaters bekleidete V. vom 1.1.1842 bis 30.4.1872 die Stelle eines Oberarztes am Hospital zum heiligen Geist.
Von 1842 bis 1866 Mitglied der Gesetzgebenden Versammlung. 1848 Mitglied des Vorparlaments und Mitbegründer des Ffter Bürgervereins. Als Anhänger der „Gothaer-Fraktion” votierte V. für ein geeintes Deutschland unter preußischer Führung. 1859 Gründungsmitglied des Nationalvereins. V. hegte trotz der Annexion Fft.s 1866 Sympathien für Preußen. Als Mitglied der Stadtverordnetenversammlung (1867-84) galt V. als einer der Wortführer der Nationalliberalen.
Der Besuch englischer Haftanstalten 1838 hatte V.s Engagement für eine Reform des deutschen Strafvollzugs geweckt. V. plädierte für das „Pennsylvanische System” der Einzelhaft. Seine 1844 in Paris veröffentlichte Schrift „De l’emprisonnement individuel sous le rapport sanitaire et des attaques dirigées contre lui par MM. Charles Lucas et Léon Faucher” wurde von der „Société de médicine de Bordeaux” preisgekrönt. Von 1842 bis 1849 redigierte V. die „Jahrbücher für Gefängniskunde und Besserungsanstalten”. Die Organisation der ersten internationalen Versammlung für Gefängnisreform am 28.9.1846 in Ffm. bildete den vorläufigen Höhepunkt von V.s Eintreten für eine verbesserte Gefängnishygiene.
Von zwei weiteren Reisen nach England – 1847 und im Anschluss an den ersten internationalen hygienischen Kongress in Brüssel 1852 – zurückgekehrt, widmete sich V. der öffentlichen Gesundheitspflege. Ansporn waren die in England besichtigten fortschrittlichen sanitären Anlagen. Schon 1854 brachte V. in der Gesetzgebenden Versammlung den Mangel einer systematischen Entwässerung der Stadt zur Sprache. 1863 war er in einer vom Senat zur Prüfung der Entsorgungskonzepte eingeladenen internationalen Kommission von Sachverständigen vertreten. Die Expertenrunde plädierte in ihrem Gutachten für den Bau einer Schwemmkanalisation in Ffm. Obwohl das Großprojekt umstritten war, begannen 1867 die Bauarbeiten für die Ffter Kanalisation. Als Antwort auf die Kritik der Kanalisationsgegner veröffentlichte V. 1868 sein Hauptwerk „Ueber Entwässerung der Städte”. Die Durchsetzung einer geregelten Abwasserentsorgung über die Schwemmkanalisation ist zweifellos das Lebenswerk V.s. In einem Nachruf bezeichnete
Alexander Spieß V. zu Recht als „Canalisationsfanatiker”.
Auch auf dem Gebiet der Schulhygiene lieferte V. wichtige Impulse. Er monierte den Mangel an Schulbauten, überfüllte Klassen, fehlende hygienische Einrichtungen sowie die Vernachlässigung des Schulsports. Besondere Aufmerksamkeit schenkte er der Gestaltung der Schulbänke. 1878 stellte V. in der Stadtverordnetenversammlung den Antrag, einen Schularzt einzustellen. Nach ausführlicher Beratung wurde schließlich 1883 in Ffm. die erste beamtete Stadtarztstelle eingerichtet.
V. selbst war Mitglied des 1870 zur Beratung des Magistrats in allen Fragen der Gesundheit eingerichteten provisorischen Gesundheitsrats.
V.s Einsatz für die Stadthygiene blieb nicht auf Ffm. beschränkt. Die Wanderversammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte war im 19. Jahrhundert die maßgebliche Standesvertretung der Mediziner in Deutschland.
Gustav Adolph Spieß und Georg V. gelang 1867 in Ffm. die Gründung einer Sektion der Naturforscher- und Ärzteversammlung, die sich allein der öffentlichen Gesundheitspflege verschrieb. Die 1869 konstituierte „Deutsche Vierteljahrsschrift für öffentliche Gesundheitspflege”, die älteste Hygiene-Zeitschrift Deutschlands, bündelte als Organ dieser Abteilung die Bestrebungen von Ärzten, Technikern und Verwaltungsbeamten. V. war Mitherausgeber und Redakteur der „Vierteljahrsschrift” (1869-84, seit 1875 in Verbindung mit
Alexander Spieß). Die Zeitschrift bildete das Forum für V.s Beiträge zu nahezu allen Fragen der Hygiene. Neben Max von Pettenkofer u. a. zählte V. 1873 zu den Gründungsmitgliedern des „Deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege” im Ffter Saalbau. Wurde Pettenkofer als Vater der wissenschaftlichen Hygiene in Deutschland gefeiert, so galt V. als führender Vertreter der praktischen Hygiene.
Neben seinem
Vater zählte V. 1845 zu den Gründungsmitgliedern des Ärztlichen Vereins. Auf Vorschlag von V., der dem Verein 1852, 1863 und 1878 vorstand, gab der Ärztliche Verein ab 1857 „Jahresberichte ueber die Verwaltung des Medicinalwesens, die Krankenanstalten und die oeffentlichen Gesundheitsverhaeltnisse der [bis 1866: Freien] Stadt Ffm.” heraus (bis 1900 erschienen). Kaum überschaubar sind V.s Vorstandsfunktionen und Mitgliedschaften in weiteren Ffter Vereinen, u. a. Vorsitzender des „Pestalozzi-Vereins zur Erziehung vernachlässigter Kinder” (1847-77), Gründer und Vorsitzender der „Ffter Gemeinnützigen Baugesellschaft” zum Bau von gesunden und erschwinglichen Arbeiterwohnungen (1860-86). Initiator des „Vereins gegen Verfälschung der Nahrungsmittel” (1876). Vorsitzender des „Vereins zur Pflege im Felde verwundeter und erkrankter Krieger” (1877-86). Gründer des „Ffter Vereins für Ferienkolonien“. 1880 Ernennung zum außerordentlichen Mitglied des Reichsgesundheitsamts und Mitarbeit an dem Entwurf über das Nahrungsmittelgesetz.
Schon 1835 suchte V. nach dem Vorbild seines
Vaters um die Aufnahme in die Loge zur Einigkeit nach; Affiliation am 15.1.1835.
1871 wurde V. der Titel Geheimer Sanitätsrat verliehen.
Zum 50. Doktorjubiläum überreichten ihm Ffter Kollegen 1881 die Festschrift „Ffm. in seinen hygienischen Verhältnissen und Einrichtungen”, ein Kaleidoskop des mit Hilfe V.s erreichten Standards. Für das Festmahl im Zoologischen Garten am 24.9.1881 dichtete der Arzt
Friedrich Julius Stiebel „Stimmt an das Lied vom Varrentrapp” mit der humorvoll-ernsthaften Strophe: „Durch unsern Herrn Gesundheitsrath/ Wird Ffm. die gesünd’ste Stadt,/ Geht’s so mit der Hygiene fort,/ Ist bald kein Doctor mehr am Ort.”
Ölporträt (von
Norbert Schrödl, 1906) im Besitz der Dr. Senckenbergischen Stiftung. Standbild (von
Friedrich Schierholz, 1893; kriegszerstört 1944) auf dem Magazinflügel der alten Stadtbibliothek am Obermaintor.
Nachlass in der Handschriftenabteilung der UB Ffm.
V.straße in Bockenheim. Bis zur Auflösung nach dem Zweiten Weltkrieg V.schule, eine Volksschule, in Bockenheim.
Frankfurter Biographie 2 (1996), S. 502-505,
(redigierte Onlinefassung für das Frankfurter Personenlexikon).