Binding, Johann Gottlieb Friedrich, gen. Fritz. Bäcker. Kaufmann. Brauereidirektor. Diese Angaben konnten anhand von Dokumenten zweifelsfrei bestätigt werden.* 6.12.1862 Ffm., Diese Angaben konnten anhand von Dokumenten zweifelsfrei bestätigt werden.† 14.2.1910 Ffm.
Aus einer weitverzweigten Ffter Bäckerfamilie, die etwa in den 1720er Jahren aus der Wetterau nach Ffm. gekommen war. Aus dieser Familie stammte auch der Brauereigründer
Conrad B. (1846-1933), mit dem Fritz B. somit entfernt verwandt war: Der Großvater von
Conrad B. und der Urgroßvater von Fritz B. waren Brüder und beide Bäckermeister in Ffm. Sohn des Bäckermeisters Johann
Philipp B. (1837-1912) und dessen erster Ehefrau Wilhelmine Margarethe, geb. Brunner (1837-1862). Nach dem frühen Tod von Wilhelmine Margarethe B., die noch im ersten Ehejahr wahrscheinlich infolge von B.s Geburt starb (13.12.1862), heiratete der Vater 1867 ein zweites Mal. Aus dieser Ehe mit
Marie Elisabethe B., geb. Fritz (1850-1917), kamen die drei Halbgeschwister B.s: Philipp Jacob
Emil B. (1869-1934), Versicherungsbeamter, später Kaufmann, zeitweise als Prokurist bei einer Ffter Äpfelweinkelterei;
Elisabethe Margarethe, gen. Ella, B. (1873-1945), Pianistin, Vorsteherin einer privaten Elementarschule für Klavier- und Violinspiel, später Leiterin des Ffter Seminars für Musiklehrerinnen; Marie
Henriette, gen. Henny, B. (1875-1940). Verheiratet (seit 1904) mit Auguste Clara (auch: Klara)
Veronika Karolina (auch: Karoline) B., geb. Rombach, verw. Hoffmann (1871-1946), der Tochter des Mainzer Senf- und Likörfabrikanten Franz Friedrich
Carl (auch: Karl) Rombach (1845-1890) und dessen Ehefrau Katharina (auch: Katharine), geb. Bauer, später in zweiter Ehe verh. Hermann (1850-1914). Keine Kinder.
Der Vater Johann Philipp B. betrieb seit 1861 die von seiner früh verwitweten Mutter übernommene Bäckerei in Ffm., zunächst in der Frohnhofstraße 15 am Judenmarkt in der östlichen Innenstadt, später im Grüneburgweg 19 im Westend. B. und seine Halbgeschwister besuchten die Volks- und die Realschule (Philanthropin) der israelitischen Gemeinde in Ffm. Am Philanthropin beendete B. 1879 seine Schulzeit. 1885 trat er als Bäcker in den väterlichen Betrieb im Grüneburgweg 19 ein. Johann Philipp und Fritz B. führten die Bäckerei zusammen weiter, bis sie sie mit dem Rückzug von Johann Philipp B. ins Privatleben um 1891 einem Pächter überließen. Fritz B., der vermutlich keinen Meistertitel im Bäckerhandwerk hatte, wechselte den Beruf und durchlief eine Zeit als Commis (lt. Adr. 1891-92). Ab 1893 stand er als Kaufmann im Adressbuch, wobei er sich in seiner Tätigkeit bald auf die Brauereibranche spezialisierte, möglicherweise als Reflex auf den Erfolg des Namensvetters
Conrad B. und dessen expandierender Brauerei. Zunächst war B. einer der Liquidatoren des am 14.8.1893 aufgelösten Ffter Bankgeschäfts Klein & Heimann, das sich auch in der Finanzierung von Unternehmen der Brauindustrie engagiert hatte, etwa bei der „Vereinigte Brauereien J. H. Bauer jun. – Gräff & Seeger AG“ in Ffm., die am 4.6.1887 (rückwirkend zum 1.9.1886) durch den Zusammenschluss von drei kleineren Ffter Brauereien („J. H. Bauer jun.“, „Gräff & Seeger“, „Balthasar Heyl“) entstanden war. Zuletzt erscheint das in Liquidation befindliche Bankhaus Klein & Heimann mit B. als Liquidator 1902 im Ffter Adressbuch. Gegen Ende der 1890er Jahre trat B. gelegentlich als Abschlussprüfer der Bilanzen von Aktienbrauereien auf, etwa der „Vereinigte Düsseldorfer Actien-Bierbrauerei und vormals H. Vossen AG“ in Düsseldorf (1897). Nachweislich von 1897 bis 1899 prüfte er die Bilanzen der in Mainz und Kassel ansässigen „Bierbrauerei Schöfferhof-Dreikönigshof vormals Conrad Rösch“. An der Ffter „Vereinigte Brauereien AG“ und der ursprünglich Mainzer „Bierbrauerei Schöfferhof-Dreikönigshof“ war das Dresdner Bankhaus Gebr. Arnhold beteiligt, das unter der Leitung der Brüder Max (1845-1908) und Georg Arnhold (1859-1926) seine umfangreichen Brauereibeteiligungen damals gerade in die 1899 gegründete „Bank für Brau-Industrie AG“ mit Sitz in Berlin und Dresden einbrachte. Künftig würde die „Braubank“ eine zentrale Rolle im laufenden Konzentrationsprozess der Braubranche spielen. Noch im Gründungsjahr 1899 trat B. in die Bank für Brau-Industrie ein, deren Prokurist (in Kollektivprokura) in Dresden er bis 1901 war. Während seiner Dresdner Jahre gab er als Ffter Adresse das „Comptoir“ der „Vereinigte Brauereien AG“ in der Darmstädter Landstraße 210 im Brauereienviertel auf dem Sachsenhäuser Berg an. Damals (um 1899/1900) gehörte B. wohl auch dem Aufsichtsrat der „Radeberger Exportbierbrauerei“ und der im Jahr 1900 aus der „Bierbrauerei Schöfferhof-Dreikönigshof“ hervorgegangenen „Hofbierbrauerei Schöfferhof“ an. Seit 1901 war er Brauereidirektor und Vorstandsmitglied bei „Merot frères, Bierbrauerei- und Weingroßhandlung-AG“ in Fentsch (frz. Fontoy) in Lothringen, einem Unternehmen, an dem die Bank für Brau-Industrie ebenfalls wesentlich beteiligt war. Bald wechselte B. jedoch zurück nach Ffm., wo er seit Dezember 1902 dem Vorstand der „Vereinigte Brauereien AG“ angehörte, vorübergehend (1904/05) als dessen Vorsitzender. In dieser Zeit schlossen sich zwei weitere Privatbrauereien, „Fritz Gellert Witwe“ in Ffm. (1904) und „Friedrich Falk“ in Offenbach (1905), der „Vereinigte Brauereien AG“ an. Zudem soll B. ab 1903 im Vorstand der „Ffter Bürgerbrauerei AG“ gewesen sein, bis diese Brauerei 1904 mit der „Hofbierbrauerei Schöfferhof“ fusionierte. Die dadurch entstandene „Hofbierbrauerei Schöfferhof und Ffter Bürgerbrauerei (auch: Bürgerbräu) AG“ übernahm 1905 pachtweise die „Vereinigte Brauereien AG“, aus deren Vorstand B. wohl gleichzeitig ausschied (letztmals als Vorstandsmitglied im Adr. 1906). Nach seiner Heirat 1904 lebte B., der früher mit Vater, Stiefmutter und Halbgeschwistern an verschiedenen Adressen im Westend gemeldet gewesen war, zusammen mit seiner Frau in einer für einen Brauereidirektor standesgemäßen und stilvollen Wohnung am Schaumainkai 39 in Sachsenhausen (ab Adr. 1905). Laut Pressemeldungen zu seinem Tod soll B. zuletzt als „Direktor“ der „Brauerei Jung“ tätig gewesen sein, wobei es sich um die Ffter Brauerei „J. J. Jung Erben“ handeln könnte, wofür sich bisher aber keine Belege fanden. Nach einem Bericht in „Die Fackel“ vom 19.2.1910 soll er „in den letzten Monaten ohne Stellung“ gewesen sein und eine neue Beschäftigung als Direktor der Mitteldeutschen Creditbank in Meiningen mit Sitz in Ffm. vorgetäuscht haben. Offenbar war er, auch aufgrund von Ansprüchen aus seiner Familie, zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Wie in der Todesnachricht im Karlsruher Tagblatt zu lesen, zeigte er „in der letzten Zeit“ angeblich „öfter Spuren von Geistesgestörtheit“. Möglicherweise litt er an einer neurologischen oder psychischen Erkrankung, wofür eine gewisse familiäre Disposition bestanden haben könnte, da sein Vater später (1912) in der Ffter „Anstalt für Irre und Epileptische“ starb. Am 14.2.1910 nahm sich B. das Leben. Die Pressemeldungen, die über seinen Suizid teilweise unter fiktiver Ausschmückung oder auch mit gehässiger Ignoranz berichteten, dürften nicht zuletzt aufgrund der Namensgleichheit mit dem Gründer bzw. dem Direktor der prominenten Ffter Brauerei Binding deutschlandweit erschienen sein.
Die Familie B. war Mitglied in der Niederländischen Gemeinde Augsburger Confession (NGAC) in Ffm., bei der auch Fritz B. seit 1887/88 inskribiert war.
Mitglied und zeitweise (lt. Adr. 1893) Kassierer des Chor-Vereins, der 1892 „zur Pflege gediegener Compositionen für gemischten Chor“ unter dem Dirigenten Edmund Parlow (1855-1944) gegründet worden war und sein Vereinslokal in der Loge Carl in der Kaiserhofstraße 11 hatte. Von 1901 bis 1909 Mitglied des Deutschen Alpenvereins, zunächst (bis 1903) in der Sektion Dresden, von 1904 bis 1909 in der Sektion Ffm. 1909 Mitglied im Wirtschaftsausschuss der Internationalen Luftschiffahrt-Ausstellung (Ila). B.s Ehefrau Veronika B. engagierte sich u. a. als Mitglied im Hauspflegeverein (1907-09).
Die Entwicklung der Brauindustrie unter Konzentration in einzelnen expandierenden Aktienbrauereien ab den 1880er Jahren spiegelt sich in der Karriere von Fritz B. als Brauereidirektor wider. Einige der Brauereiunternehmen und Biermarken, für die er tätig war, spielten in der weiteren Ffter Brauereigeschichte eine Rolle. Die „Hofbierbrauerei Schöfferhof und Ffter Bürgerbrauerei AG“ fusionierte 1921 mit der „Binding’schen Brauereigesellschaft“ zur „Schöfferhof-Binding-Bürgerbräu AG“, die 1950/51 in „Binding-Brauerei AG“ umbenannt wurde. Seit 1952 zum Oetker-Konzern gehörend, entwickelte sich das Unternehmen zu einer der führenden Brauereigruppen in Deutschland. 2002 wurde die Holding in „Radeberger Gruppe“ umbenannt, die ihre Zentrale weiterhin am traditionellen Standort der „Binding-Brauerei“ auf dem Sachsenhäuser Berg in Ffm. hat. Die von „Radeberger“ im Herbst 2023 vollzogene Einstellung der Bierproduktion ihrer Marken „Binding“ und „Henninger“ in Ffm. setzte einen vorläufigen Schlusspunkt in einem wirtschaftlichen Vermarktungsprozess der letzten Jahrzehnte, in dem Bier den Weg vom lokal geprägten Produkt zur regional bezeichneten Marke machte.
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