Tochter des Offiziers Friedrich Carl
Ludwig Constanz Anton, gen. Lutz, von Hesse (1879-1945) und dessen Ehefrau
Alexandra Hedwig Maria, geb. von Bülow (1884-1953). Drei Geschwister: Karola von Hesse (später verh. Grabkowsky, 1911-?), Andreas Christian von Hesse (1914-?) und Harald Karl Vicco von Hesse (1919-1946). Verheiratet (seit 1951) mit dem Typografen Hermann Zapf (1918-2015). Ein Sohn: Christian Ludwig Zapf (1955-2012), Mediziner.
Kindheit und Jugend in Potsdam. Von 1934 bis 1937 Buchbinderlehre und von 1937 bis 1940 Gesellenjahre bei Otto Dorfner (1885-1955) in Weimar. Erste handgeschriebene Texte und Bücher während der Ausbildung. H. beschäftigte sich autodidaktisch mit Kalligrafie und übte Schriftschreiben nach Büchern von Rudolf Koch (1876-1934) und Edward Johnston (1872-1944). 1940 Meisterprüfung. Arbeit als Buchbindermeisterin in Berlin. Daneben 1941 Schriftunterricht bei Johannes Boehland (1903-1964) für ein Semester an der Meisterschule für Graphik und Buchgewerbe in Berlin. Von 1944 bis 1945 Werklehrerin am Sonderlazarett für Hirnverletzte in Bad Ischl.
Ende 1945 zog H. nach Hessen und stellte sich bei
Georg Hartmann, dem Besitzer und Leiter der Bauerschen Gießerei in Ffm., vor, der sie ab 1946 in der hausinternen Buchbinderei beschäftigte und ihr zugleich ermöglichte, in den Firmenräumen ihre eigene Buchbinderwerkstatt zu betreiben. Bei der Bauerschen Gießerei lernte H. den künstlerischen Leiter Heinrich Jost (1889-1948) und den Schriftentwerfer Konrad Friedrich Bauer (1903-1970), Josts Nachfolger in der künstlerischen Leitung, kennen, von denen sie viel über das Schriftschneiden erfuhr, das zu dieser Zeit noch eine Männerdomäne war. Jost bezeichnete sie in einem Empfehlungsschreiben vom 24.2.1947 als „perfekte Buchbinderin“. Unter der Anleitung des Stempelschneiders Joseph Spahn erlernte H. das Schneiden von Stempeln aus Messing, die sie zum Vergolden verwendete. Vergoldete Schriftzüge auf Bucheinbänden und Blindprägungen wurden zu ihrer Spezialität. Dafür entwickelte sie ihre erste eigene Schrift, die aus Versalien, Ziffern und einigen Ornamenten in der Größe 36 Punkt entstand und die erstmals für die Goldprägung des Buchrückens und Umschlags einer von der Bauerschen Gießerei 1946 gedruckten und 1947 veröffentlichten Festgabe zum 75. Geburtstag von
Georg Hartmann verwendet wurde. Die Schrift, die ihren Namen „Hesse Antiqua“ erst viel später von Hermann Zapf erhielt, wurde zunächst nur als exklusive Hausschrift für besondere Anlässe verwendet. Anlässlich des 100. Geburtstags von Z.-v. H. 2018 wurde die „Hesse Antiqua“ mit Hilfe des Berliner Typografen und Schriftforschers Ferdinand Ulrich von der Firma „Monotype“ komplett und digital aufgelegt und veröffentlicht.
Seit 1946 war H. als Lehrerin für Schriftkunst an der Ffter Städelschule tätig (bis 1954). Bei einer Ausstellung in der Städelschule präsentierte sie 1948 einen handgeschriebenen Text aus „Hyperion“ von
Friedrich Hölderlin. Deren Schrift gefiel Günther Lepold, dem Direktor der Schriftgießerei „D. Stempel AG“ in Ffm., und Hermann Zapf, dem dortigen künstlerischen Leiter (1947-56), außerordentlich gut, so dass H. eine Druckschrift für die „D. Stempel AG“ daraus entwickeln sollte. Die Schrift, die die Gestalterin selbst als fast klassizistisch streng und herb bezeichnete, erschien 1951 unter dem Namen „Diotima“ und wurde zum größten Erfolg für Z.-v. H. Die „Diotima“ wurde etwa von dem Autohersteller Opel (1985-91), der New York City Opera und dem Schreibwarenhersteller Faber-Castell (u. a. auf den Bleistiften der Marke) verwendet. Gemeinsam mit Akira Kobayashi (* 1960), dem Leiter des Linotype-Schriften-Ateliers, schuf Z.-v. H. dann die „Diotima Classic“ als Digitalschrift, die 2008 publiziert wurde.
Nach der „Diotima“ (1951) erschienen von Z.-v. H. bis 1954 die Bleisatzschriften: „Diotima Antiqua“, „Ariadne Initials“ und „Smaragd (Emerald)“, die später auch für die Linotype-Setzmaschinentechnik übertragen wurden. Weitere Schriftentwürfe von Z.-v. H. waren u. a.: „Hallmark Shakespeare Roman“ und „Hallmark Shakespeare Italic“ als Exklusivschriften für „Hallmark Cards Inc.“ in Kansas City (1968), „Carmina“ für „Bitstream Inc.“ in Cambridge/Massachusetts (1986), „Nofret“ und „Christiana“ für die „H. Berthold AG“ in Berlin (1986/91), „Alcuin“ und „Colombine“ für die „URW Software & Type GmbH“ in Hamburg (1991). Die Typografin selbst begründete den Erfolg ihrer Schriften damit, dass sie „einfach nicht modisch“ seien.
Bereits 1948 hatte H. ihre Buchbinderwerkstatt in die Schriftgießerei „D. Stempel AG“ verlegt. Nach der Heirat mit Hermann Zapf 1951 und kurz vor der Geburt des Sohnes 1955 schloss sie ihre Werkstatt und arbeitete von zu Hause aus. In Ffm. wohnte sie in der Habsburgerallee 72 (1948-51), in der Löherstraße 10 (1953-56) und im Bernhard-Mannfeld-Weg 24 (1957-72). Ihre Buchbinderei befand sich in der Hedderichstraße 114 (bis 1955), später im Bernhard-Mannfeld-Weg 24 (1960-65). Als Hermann Zapf 1972 einen Lehrauftrag an der Technischen Hochschule in Darmstadt übernahm, zog die Familie nach Darmstadt.
Ausstellungen (in Auswahl): Grafiska Institutet in Stockholm (1952), Klingspor-Museum in Offenbach am Main (1970), ITC-Center in New York (mit Hermann Zapf, 1985), Rochester Institute of Technology in Rochester (1991), Hessische Landes- und Hochschulbibliothek in Darmstadt („Des Lebens eigentlichen Anfang macht die Schrift“, 1998), Skylight Gallery der San Francisco Public Library („Calligraphic Type Design in the Digital Age: An Exhibition in Honor of the Contributions of Hermann and Gudrun Zapf”, 2001), Goethe-Museum in Ffm. („Die Schrift- und Buchkünstlerin Gudrun Zapf-von Hesse”, 2017), The Grolier Club of New York („Alphabet Magic: A Centennial Exhibition of the Work of Hermann & Gudrun Zapf“, 2019), Stiftung Schriftkultur in Homburg/Saar („Ein Jahrhundert – zwei Schriftkünstler“, mit Helmut Matheis, 2019).
Seit 1993 Mitglied, seit 2013 Ehrenmitglied der Schreibwerkstatt Klingspor in Offenbach.
Während Z.-v. H. in Deutschland wenig bekannt ist, fand sie mit ihrem Werk internationale Anerkennung, auch in der Fachwelt, u. a. von dem Schweizer Typografen Adrian Frutiger (1928-2015). 1991 Frederic W. Goudy Award, die bedeutendste amerikanische Auszeichnung auf dem Gebiet der Schrift- und Buchkunst. 2016 Kunstpreis der Ike und Berthold Roland-Stiftung (mit Hermann Zapf posthum). 2018 Ernennung zum Ehrenmitglied der Internationalen Gutenberg-Gesellschaft in Mainz.
Die Enkelinnen Isabel, Friederike, gen. Frieda, und Susanna Zapf fördern in der Nachfolge von Hermann Zapf und Gudrun Z.-v. H. die Verwertung von deren Werk.
2024 Ausstellung „Same Bold Stories? Schriftgestaltung von Frauen und Queers im 20. und 21. Jahrhundert“, u. a. zur Biographie und mit Werken von Z.-v. H., im Klingspor-Museum in Offenbach am Main.
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