Der berühmteste Tenor seiner Zeit kam von 1907 bis 1911 jährlich zu einem Gastspiel an die Ffter Oper. Er trat in Ffm. auf: am 31.10.1907 als Radamès in „Aida“, am 2.11.1907 als Herzog von Mantua in „Rigoletto“, am 3.10.1908 als Rodolfo in „La Bohème“, am 7.10.1908 als Canio in „Der Bajazzo“, am 29.9.1909 als Mario Cavaradossi in „Tosca“, am 1.10.1909 als Don José in „Carmen“, am 4.10.1909 als Canio in „Der Bajazzo“, am 2.10.1910 als Radamès in „Aida“, am 4.10.1910 als Don José in „Carmen“, am 4.10.1911 als Rodolfo in „La Bohème“ und am 6.10.1911 als Don José in „Carmen“. Die Vorstellungen, die C. mit einer Gage von 10.000 Mark pro Abend honoriert bekommen haben soll, waren stets ausverkauft. Das Ffter Publikum war begeistert. Die lokale Theaterkritik betonte, dass C. – trotz der „widerwärtige(n) Reklame, die mit ihm getrieben“ werde – niemals „als effekthaschender Kulissenreißer“ hervortrete, sondern „ein vollwertiger Künstler“ sei, der „sich ganz dem zu interpretierenden Werke“ unterordne und in das Ensemble einfüge. (H. P. in: FN, 1.11.1907, S. 3.) Während das Ensemble allerdings, wie damals üblich, bei der deutschen Textfassung blieb, sang C. seine Partien in der italienischen bzw. französischen Originalsprache, und nur seine direkten Bühnenpartnerinnen, etwa Elsa Hensel-Schweitzer (1877-1947) als Aida und Tosca oder
Else Gentner-Fischer als Micaela (in „Carmen“), hatten ihre Szenen mit C. eigens auf Italienisch bzw. Französisch einstudiert – dem Star „zu Ehren“. Dieser merkwürdige Sprachmix tat jedoch der „außerordentlichen“ künstlerischen Gesamtwirkung der Aufführungen keinen Abbruch. Der gefeierte Gast überzeugte nicht nur stimmlich, sondern auch schauspielerisch, wie sich die Ffter Theaterbesucherin und spätere Schriftstellerin Lilli von Baumgarten (1888-1960) erinnert: „Es waren unvergeßliche Abende. Noch sehe ich ihn [d. i. Caruso] vor mir als Canio im weißen Bajazzokittel mit den weiten[,] über die Hände herabfallenden Ärmeln. Im zweiten Akt stand er im Vordergrund dicht an der Rampe, während auf der kleinen Bühne Nedda kokettierte, tanzte und sang. Ich hatte schon manche Sänger in dieser Szene ihre Eifersucht zum Ausdruck bringen und ihr Möglichstes tun sehen, um das böse Ende unausbleiblich erscheinen zu lassen. Caruso stand ganz ruhig mit unbeweglichem[,] wie im Schmerz erstarrtem Gesicht. Langsam, sehr langsam krempelte er seine Ärmel hoch, erst den einen, dann den anderen, damit seine Hände frei wurden. Weiter nichts. Aber wie er das machte, das war in seiner Sachlichkeit überzeugender als alles, was ich je zuvor an dramatischen Effekten erlebt hatte.“ (Zit. nach: FNP, 21.6.1958.)
Frankfurter Biographie 1 (1994), S. 128,
).