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Dessauer, Friedrich

Ehrenbürger der Stadt Ffm.

Dessauer, Friedrich Josef Hubert. Prof. Dr. phil. nat. Dr. h. c. mult. Biophysiker. Philosoph. * 19.7.1881 Aschaffenburg, † 16.2.1963 Ffm., begraben in Aschaffenburg.
Nach Beginn eines Studiums der Physik und Elektrotechnik in München und Darmstadt übernahm D. nach dem Tod des Vaters 1900 dessen Zellstoffwerke in Aschaffenburg; erst 1914 setzte er sein Studium an der Ffter Universität fort (abgeschlossen mit der Promotion, 1917). Bereits 1901 gründete er eine eigene Firma, das „Elektrotechnische Laboratorium Aschaffenburg“ (ELA), aus dem sich die „Veifa“-Werke („Vereinigte Elektrotechnische Institute Fft.-Aschaffenburg“, ab 1906) entwickelten, seit Frühjahr 1910 mit Sitz in Ffm. D. widmete sich der Forschung auf dem Gebiet der Strahlentherapie. Als erster wandte er systematisch physikalische Methoden in der medizinischen Therapie an und hielt seit 1903 auch Röntgenkurse für Ärzte ab. Er entwickelte die Röntgen-Kinematografie und konnte 1909 erstmals anhand von Röntgenaufnahmen das Schlagen eines Herzens vorführen. Daneben erforschte er die Möglichkeiten der Tiefentherapie, d. h. die Behandlung tieferliegender Geschwüre mit Radium und Röntgenstrahlen, und lieferte mit der Entwicklung der Kreuzfeuermethode die Grundlagen für die moderne Krebsbehandlung. Mit seinen Forschungen über die Wirkungsweise der harten Strahlen auf die lebendige Substanz begründete er die Quantenbiologie (1922). Bei seiner Forschungsarbeit zog sich D. durch die Strahlen starke Verbrennungen im Gesicht und an den Händen zu, die im Lauf der Jahre über 100 Operationen und Transplantationen nötig machten. 1920 ordentlicher Professor an der Ffter Universität. 1922 erhielt D. dort den ersten deutschen Lehrstuhl für physikalische Grundlagen der Medizin und wurde gleichzeitig Lehrer des von ihm 1921 aus Mitteln der Oswalt-Stiftung begründeten Instituts für medizinische Physik, aus dem später das Max-Planck-Institut für Biophysik hervorging.
Daneben war D. politisch tätig. Er gilt als Begründer des politischen Katholizismus in Ffm. nach dem Ersten Weltkrieg. Von 1919 bis 1924 Stadtverordneter (Zentrumspartei). Von 1924 bis 1933 Mitglied des Reichstags. Unter Brüning wirtschaftspolitischer Berater der Reichsregierung. Gründer und Leiter der Rhein-Mainischen Volkszeitung (RMV), in der er gegen den Nationalsozialismus kämpfte. Nach mehrmonatiger Haft im Zuge des Vorgehens des NS-Staats gegen den Volksverein für das katholische Deutschland und die Carolus-Druckerei (in der die RMV erschien) wurde D. zwar in einem Diffamierungsprozess in München Gladbach (heute: Mönchengladbach) am 20.12.1933 freigesprochen, jedoch zu Jahresbeginn 1934 seines Ffter Lehrstuhls enthoben. Das Institut in Ffm. wurde von D.s Schüler Boris Rajewsky übernommen. D. selbst folgte 1934 einem Ruf als Professor und Direktor des Radiologischen Instituts an die Universität Istanbul. Seit 1937 Professor und Direktor des Physikalischen Instituts an der Universität Fribourg/Schweiz.
1946 wurde D. sofort wieder in seine Rechte als Professor der Ffter Universität eingesetzt. 1949 erhielt er die ihm 1941 aberkannte deutsche Staatsbürgerschaft zurück. 1950 Gastvorträge an der Ffter Universität. Seit 1951 wieder regelmäßige Vorlesungen. Seit 1953 wohnte D. wieder ständig in Ffm. 1956 emeritiert.
Neben rund 400 fachwissenschaftlichen Arbeiten veröffentlichte D. zahlreiche philosophische Schriften, darunter „Leben, Natur, Religion“ (1924), „Philosophie der Technik“ (1927), „Der Fall Galilei und wir. Abendländische Tragödie“ (1934), „Wissen und Bekenntnis“ (1944), „Atomenergie und Atombombe“ (1948), „Mensch und Kosmos“ (1948), „Religion im Lichte der heutigen Naturwissenschaft“ (1950), „Seele im Bannkreis der Technik“ (1954), „Weltmann – Christ?“ (1955), „Streit um die Technik“ (1956), „Naturwissenschaftliches Erkennen. Beiträge zur Naturphilosophie“ (1958), „Prometheus und die Weltübel“ (1958), „Was ist der Mensch“ (1959). Außerdem verfasste er die Biographien „Isaac Newton. Weltfahrt der Erkenntnis“ (1945) und „Die Offenbarung einer Nacht. Leben und Werk von Wilhelm C. Röntgen“ (1946).
Autobiographie: „Kontrapunkte eines Forscherlebens“ (1962).
1961 Ehrenbürger der Stadt Ffm. Zahlreiche weitere Auszeichnungen, darunter Goetheplakette der Stadt Ffm. (1951), Ehrendoktorwürde der Medizinischen Fakultät der Universität Ffm. (1951), Ehrenmitglied der Hessischen Röntgengesellschaft (1951), Röntgenmedaille (1955), Großes Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband (1956), Ehrenbürgerschaft der Stadt Aschaffenburg (1956), Ehrenplakette der Stadt Ffm. (1956), Medaille der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Ffm. (1956), Ehrendoktorwürde der TH Darmstadt (1956), Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät der Universität Würzburg (1956), Ritter des päpstlichen Silvesterordens (1956) und Ehrenmitgliedschaft in der Deutschen Röntgengesellschaft (1956).
Porträtbüste aus Bronze (von Heinz Rosenberg, 1931) in der Kunstsammlung der Goethe-Universität im Universitätsarchiv Ffm.
Seit 2022 Stolpersteine für D., seine Ehefrau Elisabeth D., geb. Elshorst (1882-1976), die Tochter Maria D. (1920-2021) und den Sohn Christoph D. (* 1923) vor dem Haus Stresemannallee 36 in Sachsenhausen.
Teilnachlass im ISG.
Friedrich-D.-Straße auf dem Riedberg. Friedrich-D.-Heim, ein Studentenwohnheim, in Hausen. Friedrich-D.-Gymnasium, ein Oberstufengymnasium, in Höchst.

Artikel aus: Frankfurter Biographie 1 (1994), S. 152f., verfasst von: Sabine Hock.
Dieser Artikel wurde noch nicht abschließend für das Frankfurter Personenlexikon überarbeitet.
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Quellen: ISG, Dokumentationsmappe in der Sammlung S2 (mit Kleinschriften, Zeitungsausschnitten und Nekrologen zu einzelnen Personen und Familien).ISG, S2/125.

GND: 118524925 (Eintrag der Deutschen Nationalbibliothek).
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Empfohlene Zitierweise: Hock, Sabine: Dessauer, Friedrich. Artikel aus der Frankfurter Biographie (1994/96) in: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), https://frankfurter-personenlexikon.de/node/2002

Stand des Artikels: 30.10.1987