O. stammte aus einer jüdischen Ffter Familie, deren Wurzeln in der Stadt sich bis in das 16. Jahrhundert zurückverfolgen lassen. Sein Vater war der Seidenhändler Samuel Ochs (1802-1888); seine Mutter, Ester
Emilie Ochs, geb. Heine (1818-1892), war eine Cousine von
Heinrich Heine. Das Haus der Familie Ochs stand in der Eschenheimer Anlage 31. Im Februar 1857 erhielt die Familie Ochs per Senatsdekret der Stadt Ffm. die Erlaubnis, den Nachnamen Oswalt zu führen.
O. heiratete am 30.11.1886
Marie Louise Clara von Hergenhahn (1863-1932). Ihr Vater war
Carl Friedrich August (von) Hergenhahn, Polizeipräsident in Ffm., ihr Großvater der nassauische Politiker August Hergenhahn (1804-1874), der als Mitglied der Casino-Fraktion in der Ffter Nationalversammlung gesessen hatte. Kurz vor der Hochzeit ließ sich O. taufen und wurde Mitglied in der evangelisch-reformierten Gemeinde in Ffm. Henry und Marie O. hatten fünf Kinder, darunter
August O. (1892-1983) und Anne Marie O. (später verh. Hauck, 1897-1993), Mutter von
Michael Hauck (1927-2018).
Besuch des Ffter Gymnasiums, abgeschlossen mit dem Abitur 1867. Ab 1867 Jura- und Volkswirtschaftsstudium in Heidelberg, Göttingen und Berlin. 1871 Promotion zum Dr. jur. an der Universität Heidelberg mit summa cum laude. 1872 einjähriger Militärdienst beim 5. Rheinischen Dragoner-Regiment in Ffm. 1873 Offiziersexamen. Seit 1877 arbeitete O. als niedergelassener Rechtsanwalt und Notar in Ffm. Von 1879 bis 1897 hatte er die Zulassung als Rechtsanwalt beim Königlichen Landgericht in Ffm., ab Februar 1887 auch am Königlichen Oberlandesgericht. Als Ehrenbezeichnungen erhielt er im Februar 1897 den Titel „Justizrat“, im Juli 1912 den Titel „Geheimer Justizrat“.
O. war Mitglied der Nationalliberalen Partei und gehörte dem Ffter Wahlverein der Nationalliberalen an. Von 1889 bis 1900 war er Stadtverordneter in Ffm. und u. a. Mitglied im Finanz- und Tiefbauausschuss sowie im 1894 gebildeten sozialpolitischen Ausschuss. Von 1894 bis 1898 vertrat er Ffm. im Preußischen Abgeordnetenhaus.
1890 Mitbegründer der Deutschen Treuhand-Gesellschaft (DTG), deren Aufsichtsrat er bis zu seinem Tod angehörte. Stellvertretender Vorsitzender im Aufsichtsrat der Metallgesellschaft (1906-33) und der Berg- und Metallbank(1906-10). Weitere Aufsichtsratsmandate: Meininger Hypothekenbank, „Söhnlein Rheingold Sektkellerei AG“ in Wiesbaden, Ffter Hypothekenbank, Ffter Pfandbrief-Bank, „Hoch- und Tiefbau AG“, „Moenus AG“ in Ffm. u. a. Vorstandsmitglied des Vaterländischen Frauenvereins.
O. gehörte zu den Gründervätern der Ffter Universität. Seit Jugendtagen war er mit dem Unternehmer und Mäzen
Wilhelm Merton befreundet. Oberbürgermeister
Franz Adickes war ein Vertrauter und Freund. Bereits 1897 trafen sich die drei im Wohnhaus von
Wilhelm Merton und führten ein Gespräch, das schließlich in der Gründung der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften (eröffnet am 21.10.1901) mündete. In der Folgezeit vermittelte O. zwischen
Merton und
Adickes, die unterschiedliche Vorstellungen zum Charakter und zur Ausformung der zu gründenden Universität hatten. Für die Stadtverordnetenversammlung war O. Mitglied im Großen Rat der Akademie, die schließlich in der 1914 eröffneten Universität aufging; als von der Stadtverordnetenversammlung gewählter Vertreter der Bürgerschaft gehörte er dann (ab 1914) auch dem Großen Rat der Universität an. Zur Bedeutung von O. bei der Gründung der Ffter Universität schreibt
Franz Adickes in seinen Erinnerungen: „Bei der Überwindung der vielen Schwierigkeiten, namentlich rechtlicher und verwaltungstechnischer Natur, die dem nunmehr glücklich erreichten Ziel entgegengetreten waren, hatte sich Dr. Oswalt besonders verdient gemacht.“
Nach dem Tod von
Franz Adickes (1915) und
Wilhelm Merton (1916) war O. einer der Wenigen, der das Entstehen der Stiftungsuniversität von den ersten Überlegungen bis hin zur Gründung begleitet hatte und mit allen Details der Konstruktion vertraut war. Schnell wurde ihm klar, dass die neue Ffter Universität weitere Unterstützer und Mäzene brauchte, um sich neben den etablierten Hochschulen in Deutschland zu behaupten. Gemeinsam mit
Leo Gans, Rudolf de Neufville (1867-1937) und
Ludwig Heilbrunn gründete er 1918 einen Freundesverein für die Universität, die heutige „Vereinigung von Freunden und Förderern der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main e. V.“. Als Nachfolger von
Walther vom Rath war O. von 1921 bis 1928 Vorsitzender der Vereinigung. Es gelang ihm, einen gut vernetzten Freundeskreis aufzubauen und so die Ffter Universität fest im Ffter Bürgertum zu verankern. Auf dieser Basis konnte sein Nachfolger, Arthur von Weinberg, die Freundesvereinigung der Universität weiter ausbauen.
Auf O. geht die Gründung der „Oswalt-Stiftung, Institut für physikalische Grundlagen der Medizin“ (1921) zurück, mit der u. a. die Arbeiten den Physikers
Friedrich Dessauer ermöglicht wurden. O. gehörte der Geschäftsführung der Stiftung an und war Vorstand auf Lebenszeit. Bald nach der Machtübernahme der NSDAP 1933 erklärte O. seinen Austritt aus dem Vorstand, offiziell aus Altersgründen, eventuell aber auch, weil ihn der Umgang der Nationalsozialisten mit
Dessauer empörte oder weil er durch seine jüdische Herkunft die Existenz der Stiftung nicht gefährden wollte.
O. publizierte als liberaler Wirtschaftsökonom und Wirtschaftstheoretiker. Ihm ging es dabei um die Verknüpfung von theoretischen Überlegungen mit dem praktischen Wirtschaftsleben. Bekannt wurde seine Kontroverse mit
Franz Oppenheimer in „Falsche Rechnungen“ (1919) und „Keine falschen Rechnungen“ (1920). In seinen weiteren Veröffentlichungen ging es um das Verständnis wirtschaftlicher Grundbegriffe („Vorträge über wirtschaftliche Grundbegriffe“, 1905, und „Grundzüge der Geldtheorie. Ein Nachtrag zu den Vorträgen über wirtschaftliche Grundbegriffe“, 1929).
Zahlreiche Ehrenmitgliedschaften und weitere Ehrungen bezeugen das Netzwerk, das O. in Ffm. geknüpft hatte und auf das er bei seinen Aktivitäten auf den verschiedenen Tätigkeitsfeldern zurückgreifen konnte. An der Ffter Universität wurde er zum Ehrenbürger (20.3.1924), Ehrensenator (Oktober 1924), ersten Ehrendoktor der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät sowie Ehrenmitglied des Instituts für Wirtschaftswissenschaft ernannt. Ehrenmitglied des Ffter Anwaltsvereins. Verwaltungsrat und Ehrenmitglied der Juristischen Gesellschaft Ffm. Ehrenmitglied der Deutschen Volkspartei Ffm.
Ein Porträt (von
Jakob Nussbaum, 1929) befindet sich im Besitz der Dr. Senckenbergischen Stiftung.
O. wohnte mit seiner Familie von 1887 bis 1936 in der Leerbachstraße 23 (nicht erhalten).
Ehrengrab auf dem Ffter Hauptfriedhof (Gewann A 433/434).
Dokumente, Briefe und Fotos von O. und seiner Familie befinden sich im privaten Familienarchiv. Dazu gehört auch der komplette und datierte Briefwechsel von Henry und Marie O. mit
August O. aus den Jahren 1910 bis 1934.
Die O.straße in Niederursel wurde nach Henry O. und seiner Frau Marie benannt.
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Frankfurter Biographie 2 (1996), S. 113,
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