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Sondheimer, Albert

Albert Sondheimer

Albert Sondheimer
Fotografie (um 1940).

© Jüdisches Museum Frankfurt (Sammlung Dr. Paul Arnsberg).
Sondheimer, Albert Abraham. Dr. phil. Industrieller. Buchfreund. Mäzen. Diese Angaben konnten anhand von Dokumenten zweifelsfrei bestätigt werden.* 27.8.1876 Ffm., † 13.7.1942 New York.
Sohn des Kaufmanns Moses Tobias S. (1837-1891) und dessen Ehefrau Auguste, geb. Ettlinger (1844-1890).
Reifeprüfung an der Realschule der Israelitischen Religions-Gesellschaft in Ffm. Besuch der mit dem Realgymnasium Wöhlerschule in Ffm. verbundenen Handelsschule. Seit 1892 Tätigkeit im chemischen Laboratorium des Physikalischen Vereins in Ffm.; dort Besuch erster Vorlesungen. Ab dem WS 1893/94 Studium der Naturwissenschaften, zunächst an der TH Darmstadt, im SS 1894 an der TH München und vom WS 1894/95 bis Ende 1896 an der Universität Heidelberg. 1899 Promotion mit einer Arbeit „Über Indazole und Isindazole. Die Bildung eines achtgliedrigen Ringes“ bei Karl Friedrich von Auwers (1863-1939) an der naturwissenschaftlich-mathematischen Fakultät der Universität Heidelberg. Zu dieser Zeit längerer Aufenthalt im belgischen Overpelt. Ende 1900 Rückkehr nach Ffm.
Bereits nach dem Tod des Vaters 1891 war Albert S. zusammen mit seinem Bruder Nathan S. (1874-1933) vom Prokuristen zum Teilhaber der Metallfirma „Beer, Sondheimer & Co.“ geworden. Albert S. trug dazu bei, die Firma zu einem internationalen Montanunternehmen zu erweitern. 1915 wurde er zum Geschäftsführer der „Vereinigten Ziegeleien Bürstedt“ bestellt. 1921 gehörte er daneben dem Aufsichtsrat der in Berlin neugegründeten „Metallhüttenbedarf GmbH“ an. 1922 wurde er in den Aufsichtsrat der „Chemischen Werke Henke & Baertling AG“ in Bremen sowie in den Aufsichtsrat der „Superphosphatfabrik Nordenham“ gewählt. Außerdem war er Aufsichtsratsvorsitzender der „Tellus AG für Bergbau und Hüttenindustrie“ in Ffm., der „Metallwerke Unterweser AG“ und der „Friedrich-August-Hütte“ in Oldenburg, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der „Norddeutschen Hütte AG“ in Oslebshausen, Mitglied im Aufsichtsrat der Commerz- und Privat-Bank AG und der „Deutschen Südseephosphat AG“ in Bremen sowie Mitglied im Vorstand der C & P-Bank.
Nach der Gründung im Juli 1872 war die Firma „Beer, Sondheimer & Co.“ zunächst nur im inländischen Metallhandel tätig gewesen. Mit steigender internationaler Bedeutung wandte sie sich der Zinkindustrie zu. Später beschäftigte sie sich u. a. mit den Produkten des elektrischen Ofens, der chemischen Industrie und der Metallverarbeitung. Das Unternehmen galt national und international als eine der führenden Metallfirmen und hatte zahlreiche Filialen und Agenturen im In- und Ausland. Zur Übernahme eines großen Teils der bergbaulichen und industriellen Interessen der Firma wurde 1906 die „Tellus AG für Bergbau und Hüttenindustrie“ als Holding-Gesellschaft gegründet. Die Ffter Metallfirma beteiligte sich an Grubenunternehmen in Skandinavien und Spanien sowie an Hochofenwerken, an den chemischen Werken „Henke & Baertling“ in Holzminden und der „Chemischen Fabrik Niederrhein“ in Neuss, und sie engagierte sich in der Phosphatförderung auf den Südsee-Inseln und im Phosphathandel. Zusammen mit der „Bleiberger Bergwerks-Union“ in Klagenfurt und der „Tellus AG“ gründete sie Fabriken zur Herstellung von Bleiweiß und Bleizucker. Daneben beschäftigte sie sich vor dem Ersten Weltkrieg mit dem Flotationsverfahren und war nach dem Krieg an der Gründung der „Erz- und Kohleflotations GmbH“ in Bochum beteiligt. Bekannt war die Ffter Metallfirma in der jüdischen Welt wegen der Möglichkeit für junge orthodoxe Juden, dort als Lehrlinge arbeiten und in hohe Positionen aufsteigen zu können, ohne den Sabbat oder jüdische Feiertage verletzen zu müssen.
Von 1913 bis 1916 errichtete die Firma „Beer, Sondheimer & Co.“ ein Verwaltungsgebäude mit Laboratorien und Wohnungen in der Bockenheimer Landstraße 25 in Ffm. In dessen Nähe erwarb S. 1918 ein Wohnhaus für sich und seine Familie, die Villa in der Bockenheimer Landstraße 102 (Architekt: Alfred Engelhard, 1910-12). Während des Ersten Weltkriegs wurde S. – er gehörte formal als Ungedienter dem Landsturm an – nicht zum Heeresdienst eingezogen, um die Firma weiter leiten zu können. Der Krieg hatte massive negative Auswirkungen auf das Geschäft. Im Zuge der Umstellung nach dem Krieg rückte insbesondere der Ausbau der Zinkhütte „Metallwerke Unterweser“ und die Zinkherstellung auf elektrothermischen Gebiet im norwegischen Sundlökken in den Mittelpunkt. Daneben errichtete die Ffter Firma eine Carbidfabrik in Wyhlen, die „Kraft- und Schmelzwerke Prinzengrube“ in Oberschlesien und das Ferrowerk Mückenberg; zusammen mit der „Tellus AG“ war bereits während des Ersten Weltkriegs das „Hüttenwerk Niederschöneweide“ bei Berlin gegründet worden. Dazu kamen Beteiligungen an Bleigruben und Bleihütten sowie an der Bauxitförderung. Das Geschäft geriet jedoch in Schieflage, und Verluste konnten nicht mehr ausgeglichen werden. So wurde das Verwaltungsgebäude in der Bockenheimer Landstraße 25 im Jahr 1930 an die Grunderwerbs-AG in Berlin verkauft. S. emigrierte 1932 nach Den Haag in Holland. Dort war er Mitgründer und Teilhaber der N. V. Tonerde. Die Firma „Beer, Sondheimer & Co.“ stellte ihre Geschäftstätigkeit 1935 ein. 1937 verkaufte S. die Villa Bockenheimer Landstraße 102 an die Stadt Ffm. Der Verkaufserlös ging an seine Gläubiger. 1939 reiste S. mit seiner Familie in die USA aus, wo er sich in New York niederließ. Am 26.7.1940 wurde ihm, seiner Frau Margarete, geb. Cohn (1880-1950), sowie ihren vier Töchtern Ellen Auguste (seit 1927 verh. de Freudiger, 1902-?), Erna (seit 1924 verh. Michael, 1905-1964), Anna (seit 1946 verh. Hausdorff, 1915-1963) und Eva (seit 1946 verh. Stroh, 1917-2005) die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen.
S. galt als Philanthrop und engagierte sich vielfältig auf sozialem Gebiet. So gehörte er 1906 dem Gründungsvorstand der „Arthur Sondheimer Stiftung“ an, die zum Andenken an seinen jüngeren Bruder Arthur S. (1879-1905) errichtet worden war. Mit einem Kapital von 50.000 Mark ausgestattet, diente diese Stiftung der Unterstützung jüdischer hilfsbedürftiger junger Leute während der Aus- und Fortbildung, besonders im kaufmännischen Beruf. Albert S., dessen Vater im Vorstand des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens gewesen war, gehörte der neo-orthodoxen Israelitischen Religionsgesellschaft (Agudas Jisroel) an. Er bekannte sich früh zum Zionismus, von dem er sich allerdings später wohl wieder löste. Kurz nach 1900 stand er an der Spitze der Palästina-Commission der Freien Vereinigung für die Interessen des orthodoxen Judentums, die sich vorwiegend um Schulgründungen in Palästina kümmerte. Jacob Rosenheim, der Gründer der Agudas-Jisroel-Bewegung, nannte S. in diesem Zusammenhang einen der „intellektuell begabtesten Menschen aus unserem Kreise“. Die Errichtung einer Mädchenschule des Erez-Jisroel-Schulwerks in Petach Tikwa förderten S. und seine Frau mit einer größeren Geldsumme. Daneben war er stellvertretender Vorsitzender des Internationalen Pro-Falascha-Comités. Außerdem spendete er u. a. 1911 für die Joseph W. Hackenbroch-Stiftung der Tachkemonischule in Jaffa. 1913 ermöglichte er Mitgliedern des Heidelberger Vereins Jüdischer Studenten eine Reise nach Israel; unter ihnen war Nahum Goldmann (1895-1982), der spätere Präsident des Jüdischen Weltkongresses. Auch war S. im Vorstand der seit 1860 bestehenden Alliance Israélite Universelle, die Juden in der ganzen Welt unterstützen und antijüdischen Hass bekämpfen wollte, und einer der beiden deutschen Delegierten zur Jewish Agency for Palestine. In Ffm. gehörte er spätestens seit 1917 dem Vorstand der Israelitischen Waisenanstalt an. Bei der Konstituierung des Vereins zur Gründung und Erhaltung einer Akademie für die Wissenschaft des Judentums am 25.5.1919 wurde S. in dessen Ausschuss gewählt. 1923 engagierte er sich in einem Aufruf für Spenden an die Zentrale für Jüdische Wohlfahrtspflege. Mitte der 1920er Jahre stand er der Repräsentanz der jüdischen Gemeinde in Königstein vor. Er war Vorstandsmitglied der am 3.5.1924 gegründeten American Joint Reconstruction Foundation und seit 1929 nichtzionistisches Mitglied im Initiativ-Komitee für die Erweiterung der Jewish Agency. Er engagierte er sich in der Jewish Colonization Association und im Vorstand der Organisation „Help and Reconstruction“, die er 1940 mitbegründete. Außerdem gehörte S. der Gesellschaft für jüdische Familienforschung an.
Insbesondere engagierte sich S. auch für die Beer, Sondheimer & Co.-Stiftung, die Anfang 1918 von ihm und den übrigen Firmeninhabern als gemeinnützige Stiftung für Ffter Kriegsbetroffene eingerichtet wurde. 1938 wurde sie aufgelöst und das Stiftungsvermögen an die städtische Kriegsbeschädigten- und Kriegshinterbliebenen-Stiftung überwiesen. Die unternehmerische Verantwortung, die die Firma „Beer, Sondheimer & Co.“ für ihre Mitarbeiter trug, zeigte sich auch Ende 1918, als das Ffter Generalkommando bei S. vorstellig wurde, um die Entlassung der in der Firma tätigen Abteilungsleiterin Toni Sender zu erwirken. Obwohl die Sozialistin gegen den Krieg und für einen politischen Umsturz agitierte, sah S. aufgrund von Senders hochwertiger Arbeit für die Firma keinen Grund zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses.
Von 1890 bis 1933 Mitglied der Physikalischen Gesellschaft. Seit 1899 Mitglied im Verein Deutscher Chemiker. Seit 1913 Mitglied im Ffter Automobil-Club. Seit 1913 „beitragendes Mitglied“, seit 1919 Ewiges Mitglied der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft. Bis zum Ausscheiden per Losverfahren 1921 Vorstandsmitglied der Gesellschaft Deutscher Metallhütten- und Bergleute.
1909 Ehrenritterkreuz 2. Klasse des Großherzoglich Oldenburgischen Haus- und Verdienstordens. 1917 Verdienstkreuz für Kriegshilfe als Dank für eine Frontbuchspende (in Form von einer „Bücherkutsche“ für die Soldaten im Feld), die S. am 27.7.1916 gestiftet hatte.
In einem Nachruf in der New Yorker Zeitung „Aufbau“ 1942 bezeichnete der Rechtsanwalt Hugo Emmerich (1884-1961) den Verstorbenen als einen „der markantesten Vertreter des deutschen Judentums der letzten Epoche“, den wohl „repräsentativste(n) des westdeutschen Judentums der letzten Generation“. In S. sei „das Besondere des deutschen Judentums zur Reife und vorbildlichen Ausprägung“ gekommen, „die enge Verbindung jüdischer Tradition mit der Kultur unserer Zeit“.
S. war ein großer Freund der Literatur. Seine Ffter Villa in der Bockenheimer Landstraße 102 beherbergte eine große internationale Bibliothek und eine bedeutende hebräische Büchersammlung. Bei seiner Emigration nach Den Haag 1932 nahm S. 40 Bücherkisten mit. Jahrzehnte später war das Ffter Literaturhaus in der Villa in der Bockenheimer Landstraße 102, S.s ehemaligem Wohnhaus, beheimatet (1991-2005). Eine Gedenktafel (von Clara Schuhmann, 2005) an dem Gebäude erinnert an das Leben der Familie Albert S. in diesem Haus. Seit 2012 befindet sich die Villa im Besitz der KfW Bankengruppe.

Artikel aus: Frankfurter Personenlexikon, verfasst von Marc Zirlewagen.

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Internet: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie, Hg.: Wikimedia Foundation Inc., San Francisco/Kalifornien (USA). https://de.wikipedia.org/wiki/Bockenheimer_Landstraße_102
Hinweis: Artikel über das Haus Bockenheimer Landstraße 102 in Ffm.
Wikipedia, 10.6.2018.


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Empfohlene Zitierweise: Zirlewagen, Marc: Sondheimer, Albert. In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), https://frankfurter-personenlexikon.de/node/3822

Stand des Artikels: 28.6.2018
Erstmals erschienen in Monatslieferung: 06.2018.