Als jüngstes von drei Kindern wuchs R. in Breslau auf. Dort war sein Vater Angestellter beim Statistischen Landesamt und später bei der Fleischerinnung.
R. beendete in Breslau seine Schullaufbahn mit dem Abschluss des Realgymnasiums und absolvierte dort ab 1906 eine Maurerlehre. Seit 1908 studierte er in der Hochbauabteilung an der Königlich Preußischen Baugewerkschule in Breslau mit dem Ziel, Architekt zu werden. Nach Abschluss des Studiums 1910 erhielt er eine Anstellung als Bautechniker bei der Königlich Preußischen Fortifikation Breslau. Nebenher besuchte er Kurse an der von
Hans Poelzig geleiteten Königlichen Akademie für Kunst und Kunstgewerbe. Von 1910 bis 1912 arbeitete R. im Büro für Architektur und Bauausführung von Alvin Wedemann (1870-1951), der in Breslau für seine Jugendstilbauten geschätzt wurde. Anschließend war R. ein knappes Jahr lang Mitarbeiter im Breslauer Atelier des Architekten Hermann Wahlich (1870-1936), der ihm eine Anstellung im technischen Büro der Provinzialverwaltung in Königsberg/Ostpreußen vermittelte. Unter der Leitung von Landesbauinspektor Emil Ploke (1873-1940) übernahm R. die Ausarbeitung von Entwürfen sowie die Aufgabe des Bauführers für die Kinderheilstätte Lochstädt. Nach dem Kriegsdienst war R. als Privatarchitekt am Wiederaufbau Ostpreußens beteiligt und errichtete Wohn- und Geschäftshäuser u. a. in Goldap und Darkehmen. 1922 kehrte er in seine schlesische Heimat zurück und plante für die Schlesische Flüchtlingsfürsorge die Kolonie Vogelsang in Ratibor sowie Notwohnungen in Gleiwitz für Flüchtlinge aus den ehemaligen Ostgebieten. Über diese Tätigkeit lernte er
Ernst May kennen, der zu diesem Zeitpunkt die Schlesische Heimstätte und die Bauabteilung der Schlesischen Flüchtlingsfürsorge leitete.
May übertrug R. 1924 künstlerische Leitung der Filiale der Schlesischen Heimstätte in Hirschberg. Neben seiner Anstellung beteiligte sich der junge Architekt an zahlreichen Wettbewerben, darunter dem Hochhauswettbewerb der Chicago Tribune und für die „Neugestaltung von Haus und Wohnung“ der Zeitschrift Bauwelt. Für den letztgenannten Wettbewerbsbeitrag, sein erstes Werk im Stil des Neuen Bauens, erhielt R. einen Ankauf.
Nachdem er 1925 in der Zentrale der Schlesischen Heimstätte in Breslau tätig gewesen war und die Typenentwürfe der Schlesischen Heimstätte überarbeitet hatte, bekam R. auf Berufung von
May die Stelle des Chefarchitekten bei der Aktienbaugesellschaft für kleine Wohnungen (ABG) in Ffm. Zu seinen ersten Werken in Ffm. zählte die Baugruppe Bruchfeldstraße in Niederrad (1926/27), wo er die Idee des Bauwelt-Wettbewerbs umsetzen konnte, indem die Häuser leicht abgewinkelt zum Straßenverlauf angeordnet wurden. So entstand die versetzte („gezackte“) Anordnung der Fassaden, die der Siedlung im Volksmund den Namen „Zick-Zack-Hausen“ eintrug. Auch das dortige Gemeinschaftshaus wurde unter seiner Federführung errichtet. Im Rahmen des „Neuen Fft.“ zeichnete R. außerdem verantwortlich für die Gestaltung der Siedlung Höhenblick (1926/27; dort, im Haus Fuchshohl 35, wohnte er auch selbst mit seiner Familie), des östlichen Flügels der Römerstadt inklusive des geschwungenen Ladenhausblocks an der Hadrianstraße (1927/28), der IG-Siedlung Hundswiese (Miquelstraße, 1930) und der Wohnhausgruppe an der Raimundstraße (1930). Im Stadtteil Bornheim bearbeitete er die Baugruppen Pestalozziplatz, Hinter dem Buchwald und Löwengasse sowie Abschnitte der Saalburg- und Wittelsbacherallee (1926-30). Für den damals noch unbebauten Pestalozziplatz entwarf R. ein virtuoses Schwimmbadgebäude, das eher an eine sich gen Himmel windende Skulptur als an einen funktionalen Sportbau erinnert. Im Zentrum des (nicht ausgeführten) Rundbaus war ein kreisförmiges Schwimmbecken geplant, um das herum die einzelnen Geschosse spiralförmig nach oben führen sollten.
In den Siedlungen des „Neuen Fft.“ verarbeitete R. die Typengrundrisse des Hochbauamts für Ein- und Mehrfamilienhäuser, die er zur Anpassung an die örtlichen Gegebenheiten vielfach in Sondertypen umwandelte. Dadurch, aber auch wegen der von ihm entworfenen architektonischen Details (wie Leuchten oder Briefkästen) erhielten die einzelnen Siedlungen einen eigenen, unverwechselbaren Charakter. Weitere Aufgaben des ABG-Chefarchitekten waren die innenarchitektonische Ausgestaltung von Ladenlokalen inklusive Mobiliar sowie der Entwurf der Musterwohnung der ABG für die 1927 in Ffm. veranstaltete Ausstellung „Die neue Wohnung und ihr Innenausbau“.
1930, als
Ernst May mit einem großen Teil seines Teams zum Städtebau in die Sowjetunion ging, entschied sich R., in Ffm. zu bleiben. Infolge der Weltwirtschaftskrise stellte die ABG 1931 ihre Neubautätigkeit ein, und R. wurde entlassen. Fortan arbeitete er als Privatarchitekt und realisierte im Ffter Umland einige Wohnhäuser, u. a. die Villa
Messer in Königstein/Taunus. R., der bislang Mitglied der SPD war, trat 1933 der NSDAP bei, in der Hoffnung, nach dem politischen Umbruch weiter als Architekt tätig sein zu können. Doch als ehemaliger Mitarbeiter
Mays erhielt er kaum noch Aufträge. Während des Zweiten Weltkriegs wurde R. kurz vor der Zerstörung Fft.s durch Luftangriffe zur Altstadtaufnahme herangezogen, später für die Dokumentation der Zerstörungen und die notdürftige Wiederherstellung. Nach Kriegsende beteiligte er sich am Wiederaufbau der Stadt. 1948, als nach der Währungsreform auch Neubauten wieder möglich waren, verschlechterte sich sein Gesundheitszustand, weshalb er seiner Tätigkeit als Architekt nicht länger nachgehen konnte.
R. gehört zu den Protagonisten des „Neuen Fft.“ und war einer der engsten Mitarbeiter von
Ernst May. Als Chefarchitekt der ABG und ihrer Tochtergesellschaften, eines der größten Eigentümer von Siedlungsbauten der Ära
May, ist ihm ein entscheidender Beitrag am Erscheinungsbild des „Neuen Fft.“ zuzuschreiben. Einige der Inkunabeln des „Neuen Fft.“ stammen von R.s Hand. Aufgrund seines frühen Todes konnte er nicht an die Erfolge aus der Zeit der Weimarer Republik anknüpfen und sich ein Nachkriegsoeuvre aufbauen wie andere seiner ehemaligen Ffter Kollegen. R.s Name geriet im Schatten
Mays beinahe vollkommen in Vergessenheit, bis seine Nachkommen im März 2008 den beruflichen Nachlass der „ernst-may-gesellschaft“ übergaben.
Publikationen von R.: „Weitere Lösungen im ‚Bauwelt‘-Wettbewerb“ (in: Bauwelt, 1924), „Wie kann noch gespart werden?“ (in: Bauwelt, 1930), „Ein weiterer Beitrag zur Lösung der Wohnungsnot“ (in: Die Siedlung, 1931), „Die Siedlung Römerstadt bei Ffm.“ (in: Dt. Bauzeitung, 1931) u. a.
Nachlass im Besitz der „ernst-may-gesellschaft“ in Ffm.
Carl-Hermann-R.-Allee auf dem Riedberg.
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