Zweites von fünf Kindern des Elektro-Ingenieurs Fritz Hohenemser (1876-1914) und dessen Ehefrau Rosa Anna, gen.
Rose, geb. Eckold (eigentl.: Eckhold; 1877-1955). Der Vater stammte aus einer ehemals wohlhabenden jüdischen Bankiersfamilie in Ffm. Verheiratet (seit 1934) mit dem Bildhauer Kurt Sch. (1905-1942).
Von 1910 bis 1914 Besuch der Lindner’schen höheren Mädchenschule in Straßburg. Während der Vater als Hauptmann der Landwehr im Ersten Weltkrieg eingesetzt war, zog die Mutter mit den drei jüngeren der damals vier Kinder im September 1914 nach Ffm., wo der jüngste Bruder Friedrich Wilhelm Viktor, gen.
Fritz, Hohenemser am 14.10.1914 geboren wurde. Nach dem Tod des Vaters an der Westfront am 23.10.1914 übersiedelte die Mutter mit den Kindern im Dezember 1914 nach Meiningen. Die finanzielle Situation der Familie verschlechterte sich drastisch. Von 1915 bis 1921 Besuch der höheren Mädchenschule von Westhoven (später: Charlottenschule) in Meiningen. Im April 1921 zog Elisabeth Hohenemser allein nach Ffm. Sie wohnte bei ihrem Onkel
Paul Hohenemser (1869-1932) und seiner Frau Meta, geb. Kossmann (1872-1942), im Kettenhofweg 46 im Westend. Sie erhielt vielfältige Unterstützung durch die Familie Hohenemser, die auch ihre Ausbildung finanzierte. Von 1921 bis 1926 Ausbildung an der Kunstgewerbeschule der Technischen Lehranstalten in Offenbach am Main. Von 1923 bis 1924 Unterbrechung des Studiums aus finanziellen Gründen und Arbeit im Ffter Bankhaus M. Hohenemser in der Neuen Mainzer Straße 25. Der Onkel Moritz Hohenemser (1867-1943) war Gesellschafter des familieneigenen Bankhauses. 1924 Umzug gemeinsam mit Meta und
Paul Hohenemser in die Arndtstraße 36 in Ffm. Von 1926 bis 1928 Arbeit im Kunstgewerbeatelier von Fanny vom Hove in der Goethestraße 10 in Ffm.
Von 1928 bis 1933 Studium der Gebrauchsgrafik an den Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst in Berlin, zusammen mit ihrer Schwester, der späteren Webmeisterin Gertrud Hohenemser (seit 1933 verh. Molzahn, 1909-2004), die mit ihrem Ehemann, dem Cellisten Alexander Molzahn (1907-1998), ab 1934 in Ffm. wohnte. Ab 1930 war Elisabeth Hohenemser freie Mitarbeiterin im Deutschen Arbeitsschutzmuseum in Berlin. Sie fertigte grafische Arbeiten wie Plakate und Ausstellungstafeln. Aufgrund ihrer jüdischen Herkunft wurde ihr 1933 eine Festanstellung verwehrt.
Um 1930 hatte Elisabeth Hohenemser an den Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst den angehenden Bildhauer Kurt Sch. kennengelernt. Er stammte aus einem proletarischen Elternhaus; sein Vater Wilhelm Sch. (1880-1938) war Gewerkschaftssekretär im Deutschen Bekleidungsarbeiter-Verband. 1932 führte Kurt Sch. einen Bildhauerauftrag seines Lehrers Ludwig Gies (1887-1966) in Ffm. aus, das Relief eines Reichsadlers für den Eingang der Hauptstelle der Deutschen Reichsbank in der Taunusanlage 4-5, das dort noch zu sehen ist. 1934 Heirat von Elisabeth Hohenemser und Kurt Sch. in Berlin und Bezug einer gemeinsamen Wohnung im Hansacorso 2 in Berlin-Tempelhof. Ab Mitte der 1930er Jahre Ausbildung zur Kunstfotografin. Fotografische Dokumentation der Kunstwerke ihres Mannes sowie Mitarbeit an dessen bildhauerischen Arbeiten, z. B. einem Tonrelief mit der Darstellung des Lebens in einem germanischen Dorf für den Eingang der Kaserne Krampnitz bei Potsdam (1938).
Elisabeth und Kurt Sch. waren seit Mitte der 1930er Jahre in einem Freundeskreis politisch interessierter Menschen aus dem linken Spektrum. Dort wurden freimütig künstlerische und politische Fragen diskutiert. Zu diesem Kreis gehörten u. a. der Leutnant der Luftwaffe Harro Schulze-Boysen (1909-1942) und seine Frau Libertas, geb. Haas-Heye (1913-1942), der Schriftsteller Günther Weisenborn (1902-1969), die Ärztin Elfriede Paul (1900-1981), der Redakteur Walter Küchenmeister (1897-1943), der Werkzeugmacher und Redakteur Walter Husemann (1909-1943) und die Schauspielerin Marta Husemann, geb. Wolter (1913-1960). 1938 Mitarbeit an und Verteilung von einem Flugblatt, das sich mit dem Spanischen Bürgerkrieg auseinandersetzte, weil das Deutsche Reich dort Waffen für den später geplanten Krieg testete, sowie einem weiteren Flugblatt zur Angliederung des Sudetenlands und Warnung vor Kriegsgefahr. 1939 Hilfe für den aus dem KZ Aschendorfermoor geflohenen Häftling Rudolf Bergtel (1897-1981). Elisabeth und Kurt Sch. boten ihm Unterkunft und versorgten ihn mit Lebensmitteln. Kurt Sch. führte Bergtel in den Alpen über die grüne Grenze in die Schweiz. Ab 1940/41 half Elisabeth Sch. bei der Verteilung von Flugblättern über die Verbrechen der Einsatzgruppen der SS und der Wehrmacht vor allem in Osteuropa sowie von Abschriften der Predigten des Bischofs von Galen (1878-1946), in denen die Ermordung psychisch und körperlich kranker Menschen angeklagt wurde.
1940 erfuhr der Freundes- und Widerstandskreis durch Harro Schulze-Boysen, der im Reichsluftfahrtministerium arbeitete, von den Vorbereitungen der Wehrmacht zum Überfall auf die Sowjetunion. Die Gruppe beschloss, die Sowjetunion zu warnen. Es entstand eine Zusammenarbeit mit dem Widerstandskreis um Arvid Harnack (1901-1942), dem auch
Rose Schlösinger (1907-1943) angehörte. Von einem Vertreter der sowjetischen Botschaft erhielt Elisabeth Sch. 1941 einen Funkcode und Bargeld, das sie beides an Mitglieder des Widerstandskreises weitergab. 1941 wurde in der Wohnung der Sch.s ein Funkgerät an Hans Coppi (1916-1942) übergeben. 1942 beherbergte Elisabeth Sch. den Agenten Albert Hößler (1910-1942), der vom sowjetischen Auslandsnachrichtendienst hinter den deutschen Linien mit dem Fallschirm abgesetzt worden war, um die inzwischen defekten Funkgeräte auszutauschen. Zu Beginn des Jahres 1942 besuchte Sch. ihren Mann in Posen, wo er als Wehrmachtssoldat französische Kriegsgefangene bewachen musste. Sie erfuhr von den Deportationen der jüdischen Bevölkerung und war auch entsetzt, unter welchen schlechten Lebensbedingungen die in ihrer Heimat verbliebene polnische Bevölkerung lebte. Sch. erledigte grafische und fotografische Arbeiten für den Architekten Klaus Tippel (1913-1976), der am Bau der Focke-Wulf-Werke in Posen beteiligt war.
Die jüdischen Mitglieder der Familie Hohenemser waren in Ffm. immer stärker der Ausgrenzung, Entrechtung und Verfolgung durch das NS-Regime ausgesetzt. Elisabeth Sch. versuchte, ihren Familienangehörigen mit Lebensmittelsendungen zu helfen. Einige Onkel und Tanten begingen Suizid, um einer drohenden Deportation zu entgehen. Der Onkel Moritz Hohenemser wurde ins KZ Theresienstadt deportiert, wo er 1943 starb. Elisabeth Sch. war sehr eng mit ihrem Cousin Kurt Hohenemser (1906-2001) befreundet, der in der Hubschrauberforschung bei
Anton Flettner in Berlin arbeitete. Elisabeth Sch. versorgte Kurt Hohenemsers Eltern, den blinden jüdischen Musikwissenschaftler Richard Hohenemser (1870-1942) und dessen aus England stammende Frau Alice, geb. Salt (1879-1942), die in Berlin-Lankwitz wohnten. Trotz einer dramatischen Rettungsaktion, die Elisabeth Sch. gemeinsam mit ihrem Freund Philipp Schaeffer (1894-1943) an Ostern 1942 unternahm, gelang es nicht, Richard und Alice Hohenemser vor dem Suizid angesichts der bevorstehenden Beschlagnahmung ihrer Wohnung für einen SS-Angehörigen zu bewahren.
Im Mai 1942 unterstützten Elisabeth und Kurt Sch. die Zettelklebeaktion „Das Naziparadies“. Die Teilnehmenden wollten eine Gegenöffentlichkeit zur antisowjetischen Propagandaausstellung „Das Sowjetparadies“ im Berliner Lustgarten schaffen.
Nach der Aufdeckung des Widerstandsnetzwerks „Rote Kapelle“ wurde Elisabeth Sch. am 12.9.1942 festgenommen und im Polizeipräsidium Alexanderplatz inhaftiert. Am 19.12.1942 wurde sie durch das Reichskriegsgericht wegen „Vorbereitung zum Hochverrat, Feindbegünstigung und Spionage“ zum Tode verurteilt. Sie wurde am 22.12.1942, nur kurz nach ihrem Mann, in Berlin-Plötzensee hingerichtet.
In der Dauerausstellung der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin erinnerte ab 1986 ein Themenraum an die Angehörigen der „Roten Kapelle“, darunter Kurt und Elisabeth Sch. Anlässlich des 90. Geburtstags von Elisabeth Sch. 1994 wurde am Haus Kettenhofweg 46 in Ffm., in dem Sch. zusammen mit Meta und
Paul Hohenemser von 1921 bis 1924 gewohnt hatte, eine Gedenktafel (gestaltet von Günter Maniewski) angebracht; zur Einweihung hielt Sch.s Schwester Gertrud Molzahn eine Rede. Am 25.9.2015 wurden Stolpersteine für Elisabeth und Kurt Sch. an ihrem letzten Wohnsitz am Werner-Voss-Damm 42 (früher: Hansacorso 2) in Berlin-Tempelhof verlegt.
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