Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,
wie war das früher bei Ihnen an Weihnachten?
Bei uns sah „man“ am Heiligen Abend nicht fern, und im allgemeinen familiären Festtagstrubel hätte auch gar niemand Zeit dazu gehabt. Aber natürlich lief am Abend des 24. Dezember ein Programm im Fernsehen, unter dem Motto: „Wenn die anderen feiern“, wie der Rundfunkzeitschrift zu entnehmen war. Die möglichst stimmungsvollen Sendungen sollten ein kleiner Trost sein für alle, die am Weihnachtsabend einsam und allein waren. Gerade in persönlich, politisch oder wirtschaftlich schweren Zeiten können viele Menschen, die eigentlich gerne mitfeiern würden, nur oder noch nicht einmal zuschauen. Eine andere Weihnachtsgeschichte erzählt auch der diesmalige Artikel des Monats.
Artikel des Monats Dezember 2024:
Zwei Tage vor Weihnachten
Sie tat, was sie konnte, im Widerstand gegen das nationalsozialistische Terrorregime: Elisabeth Schumacher. Ihr Vater, der Ingenieur Fritz Hohenemser, stammte aus einer wohlhabenden jüdischen Bankiersfamilie und war in seinem Frankfurter Elternhaus im evangelisch-reformierten Glauben erzogen worden. Als er in den ersten Kriegsmonaten 1914 an der Westfront fiel, ließ er seine Frau mit fünf Kindern zurück, von denen Elisabeth als Zweitälteste zehn Jahre und Fritz als Jüngster gerade einmal neun Tage alt waren. Die Mutter übersiedelte mit den Kindern zu Verwandten in Meiningen.
1921 wurde die 16-jährige Elisabeth Hohenemser zu Onkel und Tante nach Frankfurt geschickt, die ihr eine Ausbildung an der Kunstgewerbeschule der Technischen Lehranstalten in Offenbach am Main ermöglichten. Nach sieben Frankfurter Jahren wechselte sie zum Studium der Gebrauchsgrafik an die Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst in Berlin, wo sie den Bildhauer Kurt Schumacher kennenlernte. Im August 1934 heirateten die beiden. Elisabeth Schumacher hatte nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 aufgrund ihrer jüdischen Herkunft keine feste Anstellung in ihrem Beruf als Grafikerin erhalten und bildete sich nun zur Fotografin fort.
Mitte der 1930er Jahre schlossen sich Elisabeth und Kurt Schumacher einem politisch interessierten Freundeskreis um Harro Schulze-Boysen an, der bald im Widerstand gegen den Nationalsozialismus aktiv wurde. Elisabeth Schumacher setzte ihre Fähigkeiten als Grafikerin und Fotografin etwa bei der Herstellung von Flugblättern und der Vervielfältigung von Geheimdokumenten ein. 1939 nahm das Ehepaar Schumacher den aus dem KZ Aschendorfermoor geflohenen Gewerkschafter Rudolf Bergtel auf, dem es schließlich zur Flucht über die grüne Grenze in die Schweiz verhalf. Als ihre Verwandten aus der Familie Hohenemser immer stärker der Ausgrenzung, Entrechtung und Verfolgung durch das NS-Regime ausgesetzt waren, versuchte Elisabeth Schumacher, sie zu unterstützen, u. a. durch Lebensmittelsendungen.
Im Zuge der Verhaftungswelle gegen das Widerstandsnetzwerk „Rote Kapelle“ wurde Elisabeth Schumacher am 12. September 1942 von der Gestapo festgenommen. Mit den Hauptangeklagten aus dem Widerstand der „Roten Kapelle“ wurden sie und ihr Mann am 19. Dezember 1942 durch das Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt. Drei Tage später wurden Elisabeth und Kurt Schumacher in Berlin-Plötzensee hingerichtet.
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Die Angehörigen wurden zunächst nicht über den Tod von Elisabeth und Kurt Schumacher benachrichtigt, wie es das Reichsjustizministerium wenige Wochen zuvor grundsätzlich verfügt hatte. Kurts Schwester Toni Schumacher gab am 23. Dezember 1942 sogar noch Weihnachtspäckchen für ihren Bruder und ihre Schwägerin ab, die von der Gestapo auch kommentarlos entgegengenommen wurden. Das Weihnachtsfest überstand Elisabeths inzwischen in Friedrichroda lebende Mutter Rose Hohenemser zwar ziemlich gefasst, aber sie zitterte vor einem Brief aus Berlin, nachdem ihr Kurts Mutter Julie Schumacher geschrieben hatte, dass die Verhandlung schon gewesen sei. Oft erfuhr die Familie der Opfer erst mit der Zustellung der Rechnung über die Haft- und Hinrichtungskosten vom Tod ihrer Lieben. Am 28. Dezember 1942 überbrachte der Gefängnispfarrer, der offenbar mit den Familien der Hingerichteten fühlte, in Berlin die Todesnachricht an Mutter und Schwester von Kurt Schumacher, die sie an die Familie Hohenemser weitergaben. Der Abschiedsbrief von Elisabeth Schumacher wurde ihrer Mutter unter Berufung auf die jüdische Abstammung der Tochter nicht ausgehändigt. Er ist bis heute verschollen.
An dieser Stelle kann es auch hier keinen gefälligen Übergang zum Alltag geben. Erlauben Sie mir dennoch einen wichtigen Hinweis der Redaktion in eigener Sache:
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Ich würde mich freuen, Sie im neuen Jahr wieder hier begrüßen zu dürfen.
Einstweilen wünsche ich Ihnen ruhige und unbeschwerte Festtage sowie einen guten Start in das Jahr 2025!
Herzlichst
Ihre Sabine Hock
Chefredakteurin des Frankfurter Personenlexikons
P. S. Die nächste Artikellieferung erscheint am 10. Januar 2025.