Tochter des Werkzeugmachers Peter Ennenbach (1872-1952) und dessen Ehefrau, der Kontoristin
Sophie Ennenbach, geb. Schlösinger (1879-1962). Eine Schwester: Anna Ennenbach (seit 1924 verh. Merkel, 1903-1991). Nach Trennung der Eltern (1914) lebten die beiden Schwestern bei ihrer Mutter
Sophie Ennenbach, die sich als linke Sozialdemokratin zunächst ehrenamtlich, seit 1912 beruflich in der Ffter Sozialarbeit engagierte.
Verheiratet in erster Ehe (von 1931 bis zur Scheidung 1934) mit dem Handelslehrer Friedrich Heinemann (1900-1944), in zweiter Ehe (seit 1939) mit dem Dolmetscher Friedrich
Bodo Sch. (1908-1943). Eine Tochter aus erster Ehe: Marianne Heinemann (später in erster Ehe verh. Hochhuth, in zweiter Ehe verh. Sideri-Heinemann, * 1932). Eine totgeborene Tochter aus zweiter Ehe (* und † 23.3.1940).
Sch. besuchte ab 1914 die Comeniusschule im Ffter Nordend, ab 1918 das Lyzeum (Humboldtschule) und wollte eigentlich Lehrerin werden. Anfang der 1920er Jahre wurde sie – wie schon ihre Schwester – Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ). Dort fühlte sie sich sehr viel wohler als unter den „höheren Töchtern“ und „Studienrätinnen mit stets frisch gebügelten und gestärkten Blusen“ der Humboldtschule. Sie wollte nun lieber Kindergärtnerin werden, wechselte im Herbst 1922 zur Peters-Mittelschule in der Seilerstraße und machte dort ein halbes Jahr später den mittleren Schulabschluss.
Mit der Ausbildung am Städtischen Kindergärtnerinnenseminar (Unterweg 4) konnte Sch. aus Altersgründen erst Ostern 1924 beginnen; in der Zeit bis dahin besuchte sie das „Tagheim für schulentlassene Mädchen“ (Schulstraße 6). Nach einem Jahr wechselte sie ans Fröbel-Seminar in Gießen, das von der jüdischen Pädagogin Hedwig Burgheim (1887-1943) geleitet wurde und einen sehr guten Ruf weit über Gießen hinaus hatte. Mit einem glänzenden Abschlusszeugnis hätte sie eine gut bezahlte Stellung bei einer Ffter Familie bekommen können, aber Sch. bewarb sich beim Ffter Fürsorgeamt. Ende Mai 1926 wurde sie als Kindergärtnerin eingestellt: zunächst im Kinderheim Hammelsgasse, dann im Kleinkinderheim Niederrad und ab November 1927 in der Ffter Kinderheilanstalt Bad Sodenthal (heute: Sulzbach am Main-Soden) im Spessart.
Nach ihrer Rückkehr aus Bad Sodenthal 1929 zog Sch. wieder zu ihrer Mutter, die inzwischen in einer Neubauwohnung in der Kettelerallee 57 in der unter
Ernst May entstandenen Siedlung am Bornheimer Hang wohnte. Vom 1.10.1929 bis zum 31.7.1931 besuchte Sch. die „Wohlfahrtsschule für Hessen-Nassau und Hessen“ in Ffm., die sie als „staatl. geprüfte Wohlfahrtspflegerin“ mit besten Noten abschloss: „Fräulein Ennenbach hat mit großem Interesse, geistiger Selbständigkeit und bemerkenswerter Klarheit des Denkens das im theoretischen Unterricht Gebotene verarbeitet und sich gediegene Berufskenntnisse erworben. / Im Praktikum zeigte sich ihre ungewöhnliche Begabung für die soziale Arbeit, ihr feines Verständnis, ihre gute Anpassungsfähigkeit und ihr besonderes Geschick im Eingehen auf die individuellen Bedürfnisse der Ratsuchenden. (...) Ihre Gesamtleistungen im theoretischen Lehrgang sind mit sehr gut bis gut, die Leistungen in der Praxis mit sehr gut zu bewerten.“
In dieser Zeit hatte Sch. den Studenten Friedrich Heinemann (1900-1944) aus Eschwege kennengelernt und war von ihm schwanger geworden. Heinemann, der Wirtschaftspädagogik an der Ffter Universität studierte, hatte sich die Möglichkeit zum Studium hart erkämpft und wollte noch promovieren, was für ihn nicht mit einer Familie zu vereinbaren war, aber Sch. wollte das Kind. So gab es am 27.7.1931 eine „formale“ Eheschließung (damit das Kind nicht „unehelich“ würde); am 18.1.1932 wurde die Tochter Marianne geboren, und am 23.11.1934 war die Scheidung vollzogen. Die „Eheleute“ haben nie zusammengelebt. Heinemann blieb in seiner Studentenbude, Sch. wohnte mit dem Kind bei ihrer Mutter.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde
Sophie Ennenbach – obwohl Beamtin auf Lebenszeit – sofort fristlos und ohne Bezüge entlassen. Auch Sch., die im November 1932 mit ihrem Berufspraktikum als Fürsorgerin im Ffter Fürsorgeamt begonnen hatte, wurde mitgeteilt, dass „ihre im Voraus befristete Beschäftigungszeit“ mit dem 30.4.1933 beendet sei. Beide bekamen nicht einmal Arbeitslosenunterstützung, Heinemann zahlte keinen Unterhalt. So musste eine billigere Wohnung bezogen werden, zuerst in der Hindenburgstraße 200 in Praunheim, dann (ab 1934) im Röderbergweg 33 im Ostend, wo sie die Wohnung mit einer Rabbinerwitwe und deren Tochter teilten.
Sch. bemühte sich verzweifelt, eine Beschäftigung zu finden. In kostenlosen Erwerbslosenkursen lernte sie Stenografie und Blindschreiben auf der Schreibmaschine. Zufällig entdeckte sie im Herbst 1934 eine Zeitungsanzeige, in der die Wanderer-Werke (Continental) in Chemnitz eine Schreibmaschinen-Einschreiberin suchten. Auf ihre Bewerbung hin wurde sie zur Vorstellung eingeladen, bekam die Stelle und konnte noch vor Weihnachten anfangen; ihre kleine Tochter musste sie bei der Mutter in Ffm. zurücklassen. In den ersten Wochen in Chemnitz entstand die Erzählung „Die Schöne und die Hässliche“, in der Sch. den erzwungenen Wegzug von Ffm. („der schönen Stadt“) nach Chemnitz („der hässlichen Stadt“) verarbeitete: „Es gibt keine hässliche Stadt mehr, und ich liebe sie beide, die neue und die alte Heimat. Und das werden auch die Leute von zu Hause verstehen.“ In der Firma stieg Sch. schnell auf und erhielt einen festen Arbeitsvertrag als Stenotypistin in der Verkaufsabteilung des Büromaschinenwerks. So konnte sie Ostern 1935 ihre Tochter nach Chemnitz holen. Als es Probleme mit der Pflegemutter gab, verließ
Sophie Ennenbach kurz vor Weihnachten 1936 ihren bisherigen Lebensmittelpunkt Ffm. und bezog in Chemnitz eine gemeinsame Wohnung mit Tochter und Enkelin.
Einer von
Sophie Ennenbachs Brüdern, Willy Sch. (1884-1956), wohnte in Berlin, und seine beiden Söhne, Bodo (1908-1943) und Willi (1912-1995), besuchten die Tante in Chemnitz. Dann kam Bodo allein und immer öfter – weniger wegen der Tante als wegen der Cousine. An einem 3. April (1937 oder 1938) verlobten sich Bodo Sch. und Rose Heinemann, und am 10.6.1939 heirateten sie in Chemnitz. Sch. hatte am 9.7.1939 ihren letzten Arbeitstag in Chemnitz, um schon am nächsten Tag bei der Tochtergesellschaft der Wanderer-Werke in Berlin zu beginnen. Zum 1.9.1939 bezog das Ehepaar mit Roses Tochter Marianne und Mutter
Sophie Ennenbach eine Wohnung in Berlin-Mitte (Sebastianstraße 42; dort seit 2018 Stolpersteine für Rose und Bodo Sch.).
Bodo Sch. hatte verschiedene berufliche Anläufe genommen, bevor er von 1932 bis 1937 das Berliner Abendgymnasium besuchte. Durch seine Englischlehrerin Mildred Harnack-Fish (1902-1943) kamen er und einige Mitschüler in den Diskussionskreis um Arvid Harnack (1901-1942), der neben Harro Schulze-Boysen (1909-1942) als Kopf der Berliner Widerstandsgruppen galt, die später von der Gestapo als „Rote Kapelle“ verfolgt und zerschlagen wurden. Bodo Sch. besaß ein großes sprachliches und schriftstellerisches Talent. Schon während der Abendschulzeit schrieb er Kurzgeschichten und Sportreportagen für Berliner Zeitungen. Nach dem Abitur machte er eine Dolmetscherausbildung an der neugegründeten Auslands-Hochschule und war nach seinem Examen von 1939 bis 1940 als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter im Deutsch-russischen Schriften-Austausch im Auswärtigen Amt tätig. So wurde er erst Ende Mai 1941 zur Wehrmacht eingezogen und nach einer Kurzausbildung in Frankfurt/Oder dem Generalkommando des LIII. Armee-Korps unter General Weisenberger als Dolmetscher zugeteilt. In dieser Eigenschaft war er von Anfang an am deutschen Überfall auf die Sowjetunion beteiligt und hat darüber ein äußerst kritisches und mit der Sowjetunion sympathisierendes Tagebuch hinterlassen. Auch gibt es das Dokument einer sowjetischen Agentin „Maria“, die zusammen mit Bodo Sch. in der Zivilverwaltung in Bolchow/Orel tätig war und später – nach Abzug der Deutschen – aussagte: „Er erzählte mir die Neuigkeiten über den Vormarsch der Sowjetarmee usw., die er im Radio hören konnte. (…) Manchmal sprach er zu mir davon, daß ich bestimmte Bürger warnen sollte, über die Denunziationen bei der deutschen Polizei vorlagen.“ Sie schilderte auch, wie er vom Todesurteil gegen seine Frau erfuhr und sich das Leben nahm. Er starb am 23.2.1943 in Bolchow. Sch. sollte es im Gefängnis – gerade an ihrem Verlobungstag (3.4.1943) – durch einen Brief der Mutter erfahren.
In der Berliner Zentrale von Wanderer-Continental war Sch. zunächst in verschiedenen Abteilungen beschäftigt; ab 1.4.1941 wurde sie als „Sekretärin der Geschäftsleitung“ eingesetzt. Gleich nach ihrem Umzug nach Berlin waren sie und
Sophie Ennenbach von Bodo Sch. in den Widerstandskreis um Mildred und Arvid Harnack eingeführt worden, in dem Sch. bald schon besondere Aufgaben übernahm. Sie schrieb für Arvid Harnack, besorgte verbotene Literatur, leitete Gruppentreffen, wenn das Ehepaar Harnack verhindert war; schließlich war sie es auch, die verschlüsselte Nachrichten von Harnack zum Funker Hans Coppi (1916-1942) brachte. So geriet sie in den Fokus der Gestapo, die Ende August 1942 mit der Verhaftungswelle gegen die „Rote Kapelle“ in Berlin begann. Am 18.9.1942 wurde Sch. in ihrer Wohnung in der Sebastianstraße verhaftet. Ihre 10-jährige Tochter Marianne wurde von Sch.s Schwester, Anna Merkel, nach Ffm. geholt,
Sophie Ennenbach blieb in Berlin.
Die Maßnahmen gegen die Berliner Widerstandsgruppen („Rote Kapelle“) wurden von Hitler, Himmler und Göring mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt und standen unter strikter Geheimhaltung. Erste Todesurteile wurden bereits am 22.12.1942 (u. a. gegen Kurt und Elisabeth Schumacher) vollstreckt. Sch. verbrachte fast ein ganzes Jahr in verschiedenen Berliner Gefängnissen. Aus dieser Zeit sind 18 Briefe und Kassiber erhalten, die sie an Mutter, Tochter und Schwester geschrieben hat – berührende Zeugnisse ihrer Lebenskraft und Menschlichkeit. Am 20.1.1943 wurde Sch. vom Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt. Ein Gnadengesuch wurde von Hitler persönlich am 21.7.1943 abgelehnt. Daraufhin wurde Sch. am 5.8.1943 in Plötzensee durch das Fallbeil hingerichtet. Unmittelbar vor ihrem Tod schrieb Sch. an
Sophie Ennenbach: „Es ist auch kein schlechter Gedanke zu wissen, daß ich bis zum letzten Moment davon überzeugt war, daß ich für meine Liebe gestorben bin – es ist kein schlechter Tod. Wir bleiben zusammen – das bißchen Sterben ändert daran nichts.“
In der Nachkriegszeit war nur wenig Zutreffendes über die Mitglieder der Berliner Widerstandsgruppen („Rote Kapelle“) zu erfahren. In der Bundesrepublik wurden sie als „Kommunisten“ und „Landesverräter“ diffamiert, in der DDR als „Kundschafter für die Sowjetunion“ verklärt (so wurde Sch. 1969 posthum mit dem „Orden des Roten Sterns“ geehrt). Erst Ende der 1980er Jahre begann eine intensivere Aufarbeitung und Würdigung, wobei auch dann noch Rose und Bodo Sch. wenig Beachtung fanden.
Hier machte nur Ffm. als Geburtsstadt von Sch. eine Ausnahme. Am 20.4.1963 veröffentlichte die FAZ erstmals die Novelle „Berliner Antigone“, die in vielen Details auf das Schicksal von Rose und Bodo Sch. Bezug nimmt. Der Autor Rolf Hochhuth (1931-2020) war seit 1957 in erster Ehe mit Sch.s Tochter Marianne verheiratet. 1978 gab es in der Ausstellung „Arbeiterjugendbewegung in Fft. 1904 bis 1945“ zum 100-jährigen Bestehen des Historischen Museums den Abschnitt „Leben und Sterben der Jugendgenossin Rosel“. Bei einem antifaschistischen Straßenfest im Stadtteil Sachsenhausen wurde die dortige Brückenstraße im Mai 1988 symbolisch in „Rosel-Schlösinger-Straße“ umbenannt. Zur Eröffnung der Ausstellung der Gedenkstätte Deutscher Widerstand im Juni 1993 in der Paulskirche wurden Rose Sch. und Elisabeth Schumacher durch Oberbürgermeister Andreas von Schoeler (* 1948) gewürdigt. Am 5.10.1993 (an Sch.s 86. Geburtstag) wurde von der „Initiative 9. November” in Anwesenheit der Tochter Marianne Sideri-Heinemann ein Apfelbaum für Sch. in der „Allee der Erkenntnis” an der Gedenkstätte für die Synagoge an der Friedberger Anlage gepflanzt. Ebenfalls an Sch.s Geburtstag und in Anwesenheit der Tochter wurde 1994 am Haus Münzenberger Straße 4 im Nordend, in dem Sch. geboren wurde und ihre ersten Lebensjahre (bis 1914) verbrachte, eine Gedenktafel (gestaltet von Günter Maniewski) angebracht. Bei der Gedenkveranstaltung am 20.7.2020 in der Paulskirche wurde vor allem der Frauen im Widerstand gedacht. Dabei wurde neben
Johanna Kirchner besonders Rose Sch. gewürdigt.
Seit 1994 Rose-Sch.-Anlage an der Kettelerallee in Bornheim. Seit 2021 Rose-Sch.-Raum im Bürgerhaus Bornheim.
.
Frankfurter Biographie 2 (1996), S. 291,
.