Fehlermeldung

Deprecated function: The each() function is deprecated. This message will be suppressed on further calls in FieldCollectionItemEntity->fetchHostDetails() (Zeile 378 von /var/www/vhosts/bec2659.online-server.cloud/frankfurter-personenlexikon.de/sites/all/modules/field_collection/field_collection.module).

Myrdal, Alva

Friedenspreisträgerin 1970. Friedensnobelpreisträgerin 1982.

Alva Myrdal

Alva Myrdal
Fotografie von Ursula Assmus (1970).

© Ursula Assmus/Friedenspreis-Archiv.
Myrdal, Alva, geb. Reimer. Soziologin. Diplomatin. Politikerin. * 31.1.1902 Uppsala (Schweden), † 1.2.1986 Danderyd/Provinz Stockholm (Schweden).
Das Ehepaar Alva und Gunnar M. wurde 1970 in Ffm. mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels als Stifter des Preises würdigte die beiden damit als „Friedensforscher, in Theorie und Praxis, verpflichtet dem internationalen Gewissen, das zu schärfen sie nicht müde werden“, wie es in der Verleihungsurkunde hieß. [Zit. nach: Börsenverein d. Dt. Buchhandels (Hg.): Alva u. Gunnar Myrdal. Ansprachen anlässlich d. Verleihung d. Friedenspreises 1970, S. 5.] In der weiteren Begründung des Stiftungsrats zur Preisvergabe wurde Alva M. bescheinigt: „Der Frieden ist für sie eine zu erforschende und erreichbare Realität.“ [Zit. nach: Der Dt. Buchhandel 210 (1970), o. S.]
M., die von 1936 bis 1948 das Sozialpädagogische Seminar in Stockholm geleitet hatte, gestaltete während dieser Zeit den schwedischen Wohlfahrtsstaat maßgeblich mit und wurde als Sozialreformerin über Schweden hinaus bekannt. Wegweisend für die neue Sozialpolitik mit einem modernen Familienbild war die von Gunnar und Alva M. verfasste bevölkerungspolitische Schrift „Kris i befolkningsfrågan“ (Die Krise in der Bevölkerungsfrage, 1934), die heute eher kritisch gelesen wird, zumal das Autorenpaar darin auch ein Sterilisationsprogramm für „hochgradig lebensuntaugliche Personen“ (wortwörtlich: „höggradigt livsodugliga individer“), etwa für Menschen mit Behinderungen oder psychischen Krankheiten, nach eugenischen, sozialen, pädagogischen und wirtschaftlichen Kriterien forderte, wie es ab 1935 in Schweden gesetzlich eingeführt wurde. Später war M. als Direktorin der Abteilung für soziale Angelegenheiten bei der UNO in New York (1949-50) und der sozialwissenschaftlichen Abteilung der UNESCO in Paris (1951-55) tätig, bevor sie ab 1955 Gesandte, ab 1956 schwedische Botschafterin für Indien, Ceylon und Nepal wurde. Nach ihrer Berufung ins Auswärtige Amt in Schweden 1961 arbeitete sie u. a. als schwedische Chefdelegierte und einzige Frau unter 67 Männern in der Genfer Abrüstungskonferenz mit (1962-73). Zusammen mit ihrem Mann Gunnar M. gründete Alva M. 1964 das Internationale Institut für Friedensforschung in Stockholm (Stockholm International Peace Research Institute, abgekürzt: SIPRI), das sie bis Anfang 1967 als Vorstandsvorsitzende leitete. Von 1967 bis 1973 gehörte sie als Ministerin für Abrüstungsfragen dem schwedischen Kabinett an.
Bei der Verleihung des Friedenspreises am 27.9.1970 in der Ffter Paulskirche ergänzte Alva M. die Dankesrede ihres Mannes um Ausführungen zu den Grundlagen der Friedensarbeit, wofür die Friedenforschung nur „ein Ansatzpunkt“ sei: „Den Frieden zu erreichen – das ist eine Sache der Vernunft und der Moral.“ [Zit. nach: Börsenverein d. Dt. Buchhandels (Hg.): Alva u. Gunnar Myrdal. Ansprachen anlässlich d. Verleihung d. Friedenspreises 1970, S. 60.] In der konkreten Friedensarbeit setzte sie auf das Streben nach Abrüstung als einen Versuch, einen möglichst schnellen Weg (in ihren Worten: einen „Abkürzungsweg“) zum Frieden zu finden: „Eine Friedensarbeit, die auf Abrüstung abzielt, kann und muß direkt die beiden Grundfaktoren des Friedens in ihren Dienst nehmen: die Moral und die Vernunft. Aus verschiedenen Gründen ist die Vernunft in diesem Zusammenhang der instrumental wichtigste Faktor.“ (Zit. nach: ebd., S. 61.) Dezidiert wandte sie sich gegen das (atomare) Wettrüsten der Supermächte: „Heute kann man auf wissenschaftlicher Grundlage feststellen, daß fortgesetzte Rüstungen einfach Wahnsinn sind. Solche Rüstungen wirken ihrem eigenen Zweck entgegen: sie gefährden die Sicherheit des eigenen Landes, statt diese zu stärken, und sie steigern gleichzeitig die Unsicherheit der Welt als Ganzes. Dieses hängt damit zusammen, daß in der Epoche des Wettrüstens (...), in welcher wir uns heute befinden, (...) die Rüstung einer der Supermächte zugleich zu schwindelerregend gefährlichen Aufrüstungen der anderen führt.“ (Zit. nach: ebd., S. 61f.) M. erinnerte an seit 1945 verpasste Chancen, die den Frieden in der Welt durch Abrüstung hätten sichern können, etwa den Plan zur internationalen Kontrolle der Atomenergie, der 1945/46, unter dem Eindruck der Atombombenabwürfe „mit Massenmordeffekt“ in Hiroshima und Nagasaki, in den USA entwickelt worden war. (Vgl. ebd., S. 63f.) Als Zeichen der „Entspannung im gegenwärtigen weltpolitischen Klima“ wertete M. etwa den kurz zuvor abgeschlossenen Moskauer Vertrag zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik Deutschland, dem sie ihre „Achtung“ bezeugte (zit. nach: ebd., S. 67), was die Zuhörenden laut den zeitgenössischen Presseberichten „zu anhaltendem Applaus“ veranlasste. Ihre (auf Deutsch gehaltene) Rede schloss M. mit einem Appell, mit dem sie nicht nur den anwesenden Bundespräsidenten Gustav Heinemann (1899-1976) und das Paulskirchenpublikum direkt ansprach, sondern „uns alle an die Verpflichtungen [erinnerte], die uns obliegen“: „Wir haben die Aufgabe, die Großen und Mächtigen zu mahnen und zu warnen, aber auch uns selbst in Zucht zu halten, unsere eigene Verantwortung auf uns zu nehmen, so daß nicht nochmals Chancen verspielt werden und historische Gelegenheiten uns aus den Händen gleiten. Unsere Aufgabe ist es, Frieden zu schaffen.“ (Zit. nach: ebd., S. 71.)
Zahlreiche Veröffentlichungen, u. a. die Analyse „The Game of Disarmament“ (1976, dt. „Falschspiel mit der Abrüstung“, Vorwort: Willy Brandt, 1983), worin M. ihre auch in der Paulskirchenrede geübte scharfe Kritik an den Supermächten und deren Wettrüsten erneut fokussierte.
Weitere Auszeichnungen, vor allem Friedensnobelpreis (mit dem mexikanischen Diplomaten und Rüstungsgegner Alfonso García Robles, 1982).

Artikel aus: Frankfurter Personenlexikon, verfasst von Sabine Hock.

Lexika: Harenberg Personenlexikon 20. Jahrhundert. Völlig überarb. u. aktualisierte Ausgabe. Redaktionsstand: 1.8.1994. Dortmund 1994.Harenberg Personenlex. 20. Jh. 1994, S. 668.
Literatur:
                        
Börsenverein des Deutschen Buchhandels (Hg.): Alva und Gunnar Myrdal. Ansprachen anlässlich der Verleihung des Friedenspreises [des Deutschen Buchhandels]. Bibliographie der Preisträger. Ffm. 1970.Börsenverein d. Dt. Buchhandels (Hg.): Alva u. Gunnar Myrdal. Ansprachen anlässlich d. Verleihung d. Friedenspreises 1970. | Etzemüller, Thomas: Die Romantik der Rationalität. Alva & Gunnar Myrdal. Social Engineering in Schweden. Bielefeld 2010 (Histoire 10).Etzemüller: Die Romantik der Rationalität. Alva & Gunnar Myrdal 2010.
Quellen: Der Deutsche Buchhandel. Mitteilungen für die Presse. [Späterer Untertitel: Pressekorrespondenz des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.] Hg. v. d. Pressestelle des Börsenvereins Deutscher Verleger- und Buchhändler-Verbände, später v. d. Hauptabteilung Information und Öffentlichkeitsarbeit des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. 210 Nummern. Ffm. 1949-70.Der Dt. Buchhandel 210 (1970): Sondernummer anlässlich der Verleihung des Friedenspreises 1970 an Gunnar und Alva Myrdal. | ISG, Börsenverein des Deutschen Buchhandels, Teilbestand: Materialsammlung Friedrich Georgi, 1949-89.ISG, Börsenverein d. Dt. Buchhandels, Materialsammlung Friedrich Georgi, W2-9/69 (Friedenspreis, 1969-71). | ISG, Dokumentationsmappe in der Sammlung S2 (mit Kleinschriften, Zeitungsausschnitten und Nekrologen zu einzelnen Personen und Familien).ISG, S2/7.068.
Internet: Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich, Institut für Soziologie der Universität Graz, Graz. https://agso.uni-graz.at/archive/lexikon/klassiker/myrdal/36bio.htm
Hinweis: Artikel über Alva Myrdal in der Reihe „50 Klassiker der Soziologie“, 2003.
Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich, 29.5.2024.
| FemBio, Hg.: Institut für Frauen-Biographieforschung, verantwortlich: Luise F. Pusch, Hannover und Boston (USA). https://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/alva-myrdal/
Hinweis: Artikel über Alva Myrdal von Hiltrud Schröder, 2001.
FemBio, 28.5.2024.
| Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, Internetseite zur Vorstellung des Preises, seiner Geschichte und seiner Träger, hg. v. Börsenverein des Deutschen Buchhandels, Ffm. https://www.friedenspreis-des-deutschen-buchhandels.de/alle-preistraeger-seit-1950/1970-1979/alva-und-gunnar-myrdalFriedenspreis d. Dt. Buchhandels, 28.5.2024. | Svenskt biografiskt lexikon (SBL), Hg.: Riksarkivet, Stockholm (Schweden). https://sok.riksarkivet.se/sbl/Presentation.aspx?id=8622
Hinweis: Artikel über Alva Myrdal von Per Thullberg.
Svenskt biografiskt lexikon, 28.5.2024.
| The Nobel Prize, Hg.: The Nobel Foundation, Stockholm. https://www.nobelprize.org/prizes/peace/1982/summary/ - https://www.nobelprize.org/prizes/peace/1982/myrdal/facts/ - https://www.nobelprize.org/prizes/peace/1982/myrdal/biographical/ - The Nobel Prize, 29.5.2024. | Wikipedia, Die freie Enzyklopädie, Hg.: Wikimedia Foundation Inc., San Francisco/Kalifornien (USA). https://de.wikipedia.org/wiki/Alva_MyrdalWikipedia, 28.5.2024.

GND: 118735470 (Eintrag der Deutschen Nationalbibliothek).
© 2024 Frankfurter Bürgerstiftung und bei dem Autor/den Autoren
Empfohlene Zitierweise: Hock, Sabine: Myrdal, Alva. In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), https://frankfurter-personenlexikon.de/node/5332

Stand des Artikels: 3.6.2024
Erstmals erschienen in Monatslieferung: 06.2024.