Aus einer alten württembergischen Beamtenfamilie. Sohn des Juristen und württembergischen Politikers Benjamin Ferdinand (von) M. (1766-1845) und dessen Ehefrau L(o)uise, geb. Autenrieth (1776-1843). Brüder: Julius, gen. Jules, M. (1800-1876), Orientalist; Moriz (auch: Moritz) M. (1802-1888), Nationalökonom, Abgeordneter der Nationalversammlung von 1848/49; Hugo (von) M. (1805-1872), Botaniker; Eduard M. (1818-1844), Philosoph; zwei Schwestern und ein weiterer Bruder starben im frühen Kindesalter. Mütterlicherseits Urenkel des bedeutenden Reichspublizisten Johann Jacob Moser (1701-1785). Verheiratet (seit 1830) mit Pauline (von) M., geb. Becher (1809-1894). Kinder: Ida (von) Mohl (später verh. Freifrau von Schmidt-Zabiérow, 1832-1911), Frauenrechtsaktivistin, Vorsteherin des Vereins für die Mädchenarbeitsschule in Klagenfurt (1880-97); Anna (von) M. [seit 1861 verh. (von) Helmholtz, 1834-1899], zweite Ehefrau des Physikers Hermann (von) Helmholtz (1821-1894), Berliner Salonière; Erwin von M. (1839-1895), preußischer Generalmajor; Ottmar von M. (1846-1922), Diplomat.
Studium der Rechtswissenschaften in Tübingen, Heidelberg und Göttingen. 1821 Promotion in Tübingen. Ab Herbst 1821 Bildungsreise durch Deutschland und Frankreich, u. a. mit Station in Ffm. von November 1821 bis Mai 1822. Dort wirkte M., gefördert durch den Gesandten Karl August Freiherr von Wangenheim (1773-1850), als Praktikant in der Stellung eines Attachés an der württembergischen Bundesgesandtschaft. Im Winter 1822/23 reiste er über Ffm. nach Paris für einen längeren Aufenthalt (1823-24). Seit 1824 außerordentlicher Professor des Staatsrechts, seit 1827 ordentlicher Professor der Staatswissenschaften an der Universität Tübingen. Zudem von 1836 bis 1844 Oberbibliothekar der Universitätsbibliothek Tübingen. In seinen Schriften verteidigte M. aus altliberaler Perspektive den süddeutschen Konstitutionalismus, den er aber – z. B. in der Verwaltung – an das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit binden wollte und dem er eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, etwa in der sozialen Frage, auferlegte. Seine intensive Beschäftigung mit den verfassungsrechtlichen Verhältnissen in Großbritannien und den USA beeinflussten stark seine liberalen Vorstellungen, so im Hinblick auf das parlamentarische Repräsentativsystem. Auf regierungskritische Äußerungen im Zusammenhang mit seiner (zunächst zweifach fehlgeschlagenen) Wahl in die württembergische Kammer folgte 1845 eine Strafversetzung, die M. zum Austritt aus dem Staatsdienst bewog und zu seiner Berufung an die Universität Heidelberg (1847-61) führte.
Im Frühjahr 1848 gehörte M. dem Ffter Vorparlament an, und er publizierte in der Deutschen Zeitung eine Artikelserie über eine zukünftige Verfassung, deren Entwurf den Plänen des vom Bundestag eingesetzten Siebzehnerausschusses nahekam und ein österreichisches Kaisertum einschloss. Über einen württembergischen Wahlkreis [1. Jagstkreis (Mergentheim)] wurde M. in die Nationalversammlung gewählt, an der er als Abgeordneter seit der Eröffnung am 18.5.1848 in der Paulskirche teilnahm; er gehörte zu den Vertretern des linken Zentrums (Württemberger Hof). Zur Grundlage der parlamentarischen Geschäftsordnung für die Nationalversammlung wurde ein entsprechender Entwurf, den er im Vorfeld veröffentlicht hatte. Als Mitglied im Verfassungsausschuss wirkte M. in der Kommission zur Erarbeitung der Grundrechte mit. Am 9.8.1848 wurde M. zum Reichsjustizminister der Provisorischen Zentralgewalt ernannt, ein Amt, das er in den Kabinetten Leiningen,
Schmerling und
Gagern bis zum Rücktritt am 10.5.1849 ausübte. Neben der Herausgabe eines Reichsgesetzblatts gelang es ihm, die bereits vom Deutschen Bund erarbeitete Wechselordnung am 24.11.1848 zu verabschieden und den Entwurf eines Handelsgesetzbuchs zu erarbeiten. Aufsehen erregte im Januar 1849 seine spontane Gesetzesinitiative, alle Spielbanken zu schließen, mit der er auf wenig Sympathien innerhalb der Reichsregierung stieß und die dennoch von den Einzelstaaten – trotz Protesten – umgesetzt wurde. Hessen-Homburgs Widerstand beantwortete M. mit der Aussendung eines Militärkommandos, das die Spielbank in Bad Homburg schloss.
Die Annahme des Waffenstillstands von Malmö durch die Nationalversammlung, die M. trotz Bedenken und aus realpolitischen Erwägungen unterstützt hatte, hatte am 18.9.1848 zum Ffter Septemberaufstand geführt. Die unter unmenschlichen Bedingungen ins Kellergeschoss der Hauptwache eingepferchten Gefangenen des Aufstands rettete M. durch eine Verlegung nach Mainz. Seine Sorge vor einer unkontrollierbaren Revolution gegen das Parlament fand ihren Niederschlag in einem Verfassungsschutzgesetz, das im Oktober 1848 verabschiedet wurde. Als Folge der Septemberunruhen spalteten sich etwa Ende September 40 konservative Liberale unter M.s Führung vom Württemberger Hof ab, um sich in der neuen Fraktion des Augsburger Hofs zu versammeln. In der Frage der Grenzen für den zu schaffenden Nationalstaat musste sich M. den Tatsachen anpassen, nachdem durch die innenpolitischen Ereignisse in Österreich eine großdeutsche Lösung unmöglich geworden war. Er unterstützte die von
Gagern favorisierte kleindeutsche Lösung und wählte den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. zum Erbkaiser, in der Hoffnung, dennoch in der Zukunft mit Österreich in ein näheres staatliches Verhältnis zu gelangen. Er musste dabei auch für das allgemeine Wahlrecht optieren, das er zeitlebens ablehnte. Der Reichsverfassungskampagne versagte M. seine Teilnahme, da er eine Durchsetzung der Verfassung nur auf gesetzlichen Wegen befürwortete. Am 16.5.1849 nahm M. wohl zum letzten Mal an einer Sitzung der Nationalversammlung teil; offiziell trat er von seinem Mandat als Abgeordneter wahrscheinlich zum 30.5.1849 (spätestens am 3.6.1849) zurück.
Auf der Gothaer Versammlung zu Ende Juni 1849 unterzeichnete M. noch das „Gothaer Programm“ mit. Am Erfurter Unionsparlament 1850 nahm er jedoch nicht mehr teil, sondern er widmete sich wieder seinen akademischen und publizistischen Arbeiten. Seit 1857 war er Mitglied der Ersten Kammer des badischen Landtags, zeitweise (ab 1867) als Präsident. Von 1861 bis 1866 wirkte M. als badischer Bundestagsgesandter in Ffm. Am Bundestag vertrat er zudem das Fürstentum Waldeck in der 16. Kurie (1862-66), und er war Bevollmächtigter von Herzog Friedrich VIII. von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg (1829-1880). Daneben war er als Botschafter Badens am holländischen und hessen-darmstädtischen Hof akkreditiert. Als Vertreter von Baden reichte er 1861 den Antrag im Bundestag ein, die Verfassung Kurhessens von 1831 vollständig wiedereinzusetzen. Großherzog Friedrich von Baden (1826-1907) sympathisierte in der Frage der deutschen Einheit mit Preußen und stand den österreichischen Plänen während des Ffter Fürstentags von 1863 abweisend gegenüber. Obwohl auch M. eine Reform des Bundes zunächst nur ohne Österreich für möglich hielt, lehnte er die „Gewaltpolitik“
Bismarcks ab. In der Krise des Bundes 1866 stellte sich Baden jedoch trotz Bedenken auf die Seite Österreichs. Kurz bevor die preußischen Truppen die Stadt Ffm. erreichten, gelang es M., einen Extrazug der Main-Neckar-Eisenbahn zu organisieren, der die verbleibenden Bundestagsgesandten sicher nach Darmstadt brachte, von wo aus sie nach Augsburg weiterreisten. Nach dem Prager Frieden vom 23.8.1866 kehrte M. nach Ffm. zurück und gehörte der Bundesliquidationskommission an, bis er im April 1867 den Posten als badischer Gesandter in München antrat. Von 1871 bis 1874 war er Präsident der Badischen Oberrechnungskammer in Karlsruhe. 1874 wurde er als parteiloser Abgeordneter in den Reichstag gewählt, wo er sich der Fraktion der Nationalliberalen anschloss.
Seit 1868 Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
Werke (in Auswahl): „Die öffentliche Rechtspflege des Deutschen Bundes. Ein publizistischer Versuch“ (1822), „Das Staatsrecht des Königreiches Württemberg“ (2 Bde., 1829/31), „Die Polizei-Wissenschaft nach den Grundsätzen des Rechtsstaates“ (2 Bde., 1832/33), „Die Verantwortlichkeit der Minister in Einherrschaften mit Volksvertretung, rechtlich, politisch und geschichtlich entwickelt“ (1837), „Vorschläge zu einer Geschäfts-Ordnung des verfassunggebenden Reichstages“ (1848), „Enzyklopädie der Staatswissenschaften“ (1859), „Rechtliche und politische Erörterungen über die Bundesreformakte, Von einem Süddeutschen“ (1863).
Seit 1844 Herausgeber der „Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft“.
Verfasser von „Lebens-Erinnerungen“ (hg. v. Dietrich Kerler, 2 Bde., 1902). Darin beschreibt M. seine Erlebnisse und Erfahrungen als Abgeordneter in der Nationalversammlung und als Bundestagsgesandter in Ffm. Persönlich in der Nationalversammlung über die Fraktionen hinaus geschätzt, auch für seine „Schärfe in Form und Ausdruck“ [Hist.-polit. Blätter für das kath. Deutschland 22 (1848), S. 649] bekannt, zieht er für sich das Resümee, dass er „Theoretiker und Doktrinär, nicht aber maßgebender Staatsmann“ sei (Mohl: Lebens-Erinnerungen, Bd. 2, S. 99).
Nachdem M. bereits 1837 in Württemberg den persönlichen Adelstitel erhalten hatte, bekam er zur Feier seines 50. Doktorjubiläums 1871 den erblichen badischen Adel verliehen. Weitere Auszeichnungen: Preußischer Kronenorden I. Klasse, Großkreuz des Franz-Joseph-Ordens und Ehrendoktor der Universität Heidelberg (alle 1871) u. a.
Teilnachlässe von M. u. a. in der Universitätsbibliothek in Tübingen und in der Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart.
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Frankfurter Biographie 2 (1996), S. 60f.,
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