Dumas (Davy de la Pailleterie; d. Ä.), Alexandre. Schriftsteller. * 24.7.1802 Villers-Cotterêts, † 5.12.1870 Puys bei Dieppe.
Erste Bekanntheit erlangte D. mit seinen historischen Dramen (u. a. „Henri III et sa cour“, 1829). Später wurde er durch seine Romane (u. a. „Les trois mousquétaires“, 1843/44, dt. „Die drei Musketiere“, 1849; „Le comte de Monte-Cristo“, 1845/46, dt. „Der Graf von Monte Christo“, 1847) berühmt, die ihm durch ihr Erscheinen als Fortsetzungsromane in den Feuilletons hohe Einnahmen einbrachten und den Beginn der „industriellen Revolution des Literaturbetriebs“ (Günter Berger) darstellten.
D. lernte Ffm. auf einer Reise kennen, die ihn zusammen mit dem Kollegen Gérard de Nerval im August 1838 nach Deutschland führte und bei der er sich längere Zeit in der Stadt aufhielt. Der Schriftsteller, der hier auch Theateraufführungen besuchte, war von der Lage am Main, den klassizistischen Bauten und dem umgebenden Anlagenring beeindruckt; er verglich Fft. „mit seinen weiß, pistaziengrün und rosa angemalten Häusern“ mit „einem riesigen Kamelienbukett in einem Kranz von Heidekraut“. Den Bericht von der Reise veröffentlichte er zunächst in französischen Journalen (Buchausgabe: „Excursions sur les bords du Rhin“, 3 Bde., 1841/42, dt. „Eine Reise an die Ufer des Rheins im Jahre 1838“, 1999).
1867 verfasste D. im Auftrag des in Paris erscheinenden Journals „La Situation“ den Fortsetzungsroman „La Terreur prussienne“ (Buchausgabe in 2 Bänden, 1868, dt. „Der Schleier im Main“, 2004, Neuaufl. 2017). Das Journal unter der Redaktion von Oscar Meding (1828-1903) wurde durch den im Exil bei Wien lebenden Exkönig Georg V. von Hannover (1819-1878) finanziert, der allein 750.000 Taler in das Blatt investierte, um in der französischen und europäischen Öffentlichkeit für die „welfische Sache“ zu werben, nachdem das Königreich Hannover 1866 von Preußen annektiert worden war. Zur Vorbereitung des Romans, der vor dem Hintergrund der politisch-militärischen Ereignisse des Jahres 1866 in Deutschland und insbesondere in Ffm. spielt, unternahm D. eine Rundreise durch Deutschland, bei der er auch die Schlachtfelder von Langensalza und Königgrätz besichtigte.
Die ereignisreiche Handlung des Romans „La Terreur prussienne“ beginnt im Frühjahr 1866. Im Mittelpunkt steht der Franzose Benedict Turpin, der zunächst das Ende des Königreichs Hannover auf dem Schlachtfeld bei Langensalza miterlebt, um dann in das Geschehen in und um Ffm. im Sommer 1866 verwickelt zu werden, das schließlich das Ende der Freien Stadt bedeutet. Ffm. wird als freiheitsliebende und traditionsreiche Bürgerrepublik vorgestellt, die zwar 1866 auf der Seite Österreichs steht, aber jede kriegerische Beteiligung ablehnt. Besonders grell schildert D. die harte Haltung des preußischen Militärs gegenüber der Ffter Bevölkerung, was durch die Beschreibung des Schicksals von
Bürgermeister Fellner, der sich aufgrund preußischer Forderungen das Leben nimmt, einen dramatischen Höhepunkt erfährt. Es kommen aber auch – und da beweist der Roman, ebenso wie in zahlreichen anderen Details, gute Kenntnisse der lokalen Gegebenheiten – preußenfreundliche Stimmen aus Ffm. zu Wort, u. a. der
Senator Dr. Speltz, der sich bald mit den neuen politischen Gegebenheiten arrangiert. Gegenüber dem preußischen Militär und dessen Gewalttaten machtlos, gelingt es den Fftern – so erzählt D. – zumindest passiven Widerstand zu leisten. Als die Annexion der Stadt vom Balkon des Römer verkündet wird, haben sich 400 Ffter mit Hunden davor versammelt, um durch „Heulen, Knurren und Jaulen“ die Verlesung des Anschlusses an Preußen zu begleiten.
Der Roman mit seiner dezidiert antipreußischen und insbesondere
bismarckfeindlichen Tendenz wurde von zeitgenössischen Rezensenten als ein Auftragsstück welfischer Agitation betrachtet: „Daß der Roman die beabsichtigte Rückwirkung auf die Stimmung in Frankreich üben, d. h. im dortigen Lesepöbel, bei der bodenlosen Unwissenheit desselben, den Haß gegen Preußen vermehren wird, bezweifeln wir nicht.“ (Dt. Blätter, 1867, Nr. 35, S. 140.) Das Schicksal Fft.s und das harte preußische Vorgehen wurden allerdings gerade in preußenfeindlichen Kreisen Süddeutschlands diskutiert. In der französischen Öffentlichkeit erregten der Sieg Preußens über Österreich und die Annexionen von Hannover, Hessen-Kassel, Nassau und Ffm. starke nationalistische Reaktionen („Rache für Sadowa“), zumal es Kaiser Napoleon III. nicht gelungen war, eine Kompensation für die Ausweitung des preußischen Machtbereichs bis zur Mainlinie zu erhalten. 1870 kam es schließlich zum Krieg zwischen Preußen und Frankreich, den D. bereits in seinem Roman prophezeit hatte, dessen Ende er, nun schwer erkrankt, jedoch nicht mehr erlebte.
„La Terreur prussienne“ gilt als die letzte bedeutende Veröffentlichung von D. Der Roman geriet lange in Vergessenheit und erlebte erst 2004 eine deutsche Ausgabe, die der Hobbyforscher Clemens Bachmann (* 1951) in gekürzter Form als Nacherzählung unter dem Titel „Der Schleier im Main“ (weitgehend nach der englischen Übersetzung „The Prussian Terror“ von R. S. Garnett, 1915) edierte. 2010 veröffentlichte Bachmann mit der historischen Geistergeschichte „Burg Eppstein“ (frz. „Le Château d’Eppstein“, 3 Bände, 1844) die deutsche Bearbeitung eines weiteren Romans von D., der im Rhein-Main-Gebiet spielt.
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