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Niemöller, Martin

Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau von 1947 bis 1964.

Martin Niemöller

Martin Niemöller
Fotografie (um 1962).

© Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Darmstadt.
Niemöller, Emil Gustav Friedrich Martin. Dr. h. c. mult. Evangelischer Theologe. * 14.1.1892 Lippstadt/Westfalen, † 6.3.1984 Wiesbaden, begraben in Lotte-Wersen bei Osnabrück.
N. stammte aus einem westfälischen lutherischen Pfarrhaus und machte zunächst in der kaiserlichen Marine Karriere. Bis 1919 war er U-Boot-Kommandant. Danach entschied sich der konservativ deutsch-national denkende Marineoffizier für den Pfarrberuf. Er studierte in Münster/Westfalen evangelische Theologie und wurde schon vor seiner Ordination 1924 als geschäftsführender Pfarrer der westfälischen Inneren Mission berufen.
Im Juni 1931 übernahm N. eine Pfarrstelle in Berlin-Dahlem. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten hatte er zunächst begrüßt und der NSDAP zum ersten und letzten Mal bei den Wahlen im März 1933 seine Stimme gegeben. Doch die Einführung des „Arierparagraphen“ in das kirchliche Dienstrecht veranlasste ihn, im September 1933 zusammen mit Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) den Pfarrernotbund zu gründen, aus dem wenig später die Bekennende Kirche hervorging. Als Vorsitzender des Pfarrernotbunds unternahm N. zahlreiche Predigt- und Vortragsreisen im Deutschen Reich. So sprach er in der Ffter Paulskirche am 21.4.1937 in einer Predigt von der Kirche als Gottesstadt, die von den Mächten der Welt belagert werde. Das seien jetzt die Deutschen Christen, Ludendorffs deutsche Glaubensbewegung und der von den Nationalsozialisten eingesetzte Kirchenminister Hanns Kerrl (1887-1941). N.s Predigten wurden regelmäßig von der Gestapo abgehört. Am 1.7.1937 wurde er von der Gestapo verhaftet. Nach einem Prozess vor dem Sondergericht in Berlin im Frühjahr 1938, der zwar mit einem Schuldspruch endete, den Angeklagten aber in die Freiheit entließ, weil die Strafe als durch die Untersuchungshaft verbüßt galt, kam N. nach erneuter Verhaftung als Sondergefangener Hitlers in das KZ Sachsenhausen, danach (ab 1941) ins KZ Dachau. Am 3./4.5.1945 wurde er zusammen mit anderen Sonderhäftlingen durch ein Kommando der Wehrmacht, dann durch die Amerikaner aus einem Todestransport in Südtirol befreit.
Nach einer kurzen Internierung in Neapel kehrte N. im Juni 1945 nach Deutschland zurück, wo er in Wiesbaden von den Amerikanern verhört wurde und in Ffm. eine seiner beiden jüngeren Schwestern, Pauline Kredel, geb. N. (1896-1982), besuchen konnte. Hier berief er die erste Reichsbruderratssitzung der Bekennenden Kirche nach Kriegsende ein, die vom 21. bis 24.8.1945 im Ausweichquartier des Ffter Diakonissenhauses in der Villa Manskopf bei Ffm.-Niederrad stattfand. Bis 1947 kam N. wiederholt zu kirchlichen Tagungen und Konferenzen in dieses Haus. Bei der Kirchenkonferenz im kurhessischen Treysa wurde er im Herbst 1945 in den neugeschaffenen Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland gewählt und widmete sich dem Aufbau des bis 1956 von ihm geleiteten Kirchlichen Außenamts, das seinen Sitz zuerst in Neu-Isenburg, dann in Ffm. hatte.
1947 wurde N. in Friedberg zum Kirchenpräsidenten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) gewählt; den Bischofstitel hatte er abgelehnt. In diesem Amt predigte er am 30.5.1948 zur Wiedereinweihung der Paulskirche und weihte er viele andere wiederaufgebaute und neuerrichtete Kirchen in Ffm. ein (u. a. 1953 St. Cyriakus, 1954 St. Katharinen, 1959 Osterkirche in Sachsenhausen, 1962 Wartburgkirche). Am 8.8.1956 hielt er den Eröffnungsgottesdienst des Deutschen Evangelischen Kirchentags in Ffm. und predigte über dessen Losung „Lasst euch versöhnen mit Gott!“. Ein Predigtamt in St. Katharinen konnte er wegen vielfältiger Verpflichtungen als Leiter des Kirchlichen Außenamts nur selten wahrnehmen. Seit 1954 predigte er hier jedoch öfter und setzte diese Praxis auch nach seinem Rücktritt aus dem Amt des Kirchenpräsidenten 1964 fort. Der Kirchensynode der EKHN, die im Dominikanerkloster in Ffm. tagte, gehörte N. noch bis 1968 an.
Seit Beginn der westdeutschen Wiederbewaffnungsdebatte nahm N. an Aktionen und Initiativen im Umfeld der Friedensbewegung teil. Entschieden wandte er sich gegen eine Remilitarisierung Deutschlands im Westen wie im Osten. 1954 wandelte er sich nach einem Gespräch mit den Atomphysikern Otto Hahn, Werner Heisenberg (1901-1976) und Carl Friedrich von Weizsäcker in Wiesbaden zum kompromisslosen Pazifisten. Er beteiligte sich an der im März 1958 gegründeten Aktion „Kampf dem Atomtod“. Nach seiner Kasseler Rede vom 25.1.1959, in der er sich gegen ein Wettrüsten mit Massenvernichtungsmitteln ausgesprochen und die Ausbildung zum Soldaten als „Hohe Schule für Berufsverbrecher“ bezeichnet hatte, erstattete Verteidigungsminister Franz Josef Strauß (1915-1988) Strafanzeige gegen N. Das Ermittlungsverfahren wurde niedergeschlagen, nachdem der Ffter Staatsanwalt Fritz Bauer festgestellt hatte, eine beleidigende Absicht sei N. nicht nachzuweisen. Am 27.3.1967 hielt N. auf dem Römerberg eine Ostermarsch-Rede gegen den Vietnamkrieg. Wenige Wochen danach sprach er auf dem Bundeskongress der Verfolgten des Nazi-Regimes (VVN) in Ffm. und rief zum Widerstand auf gegen alle Versuche, die Deutschen wieder auf den Weg militärischer Machtpolitik zu führen. Eine „Manifestation“ der „Initiative Vietnam-Solidarität“, die im März 1970 in der Paulskirche stattfand, wurde von Studenten des SDS gestört und schließlich „gesprengt“. N., der als Referent teilnahm, musste seine Rede abbrechen.
N. erhielt zahlreiche Ehrendoktorate und war Träger hoher in- und ausländischer Auszeichnungen, u. a. des Bundesverdienstkreuzes am Bande (1971) und der Wilhelm-Leuschner-Medaille des Landes Hessen (1972). Er war Ehrenmitglied der Ffter Zoologischen Gesellschaft von 1858.
Zum 90. Geburtstag 1982 fanden eine Festveranstaltung für N. in der Paulskirche und ein Kolloquium in der Evangelischen Akademie Arnoldshain statt, an dem N. mit dem ehemaligen Botschafter der UdSSR, Walentin Falin (1926-2018), teilnahm.
Zum 100. Geburtstag 1992 wurde in Wiesbaden eine Gedenkausstellung „Protestant – Das Jahrhundert des Pastors Martin N.“ gezeigt, und die Deutsche Bundespost brachte damals eine Gedenkbriefmarke für N. heraus. Anlässlich des 125. Geburtstags erinnerte am 15.1.2017 ein für die EKHN zentraler Gottesdienst in St. Katharinen in Ffm. an N.s Wirken.
Martin-N.-Straße und Kindertagesstätte Martin N. auf dem Riedberg. Seit 1998 wird die Martin N.-Medaille als höchste Auszeichung der EKHN an Personen verliehen, die „sich in besonderer Weise um die Erfüllung des kirchlichen Auftrages verdient gemacht haben“.

Artikel aus: Frankfurter Personenlexikon, verfasst von Michael Heymel.
Artikel in: Frankfurter Biographie 2 (1996), S. 97, verfasst von: Reinhard Frost.

Lexika: Spiess, Volker (Hg.): Berliner Biographisches Lexikon. 2., überarb. u. erw. Aufl. Berlin 2003.Berliner Biogr. Lex., S. 324. | Neue Deutsche Biographie. Hg. v. d. Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Bisher 27 Bde. (bis Wettiner). Berlin 1953-2020.Carsten Nicolaisen in: NDB 19 (1999), S. 239-241. | Hessische Landesregierung: Im Dienste der Demokratie. Die Trägerinnen und Träger der Wilhelm-Leuschner-Medaille. Hg. v. d. Hessischen Staatskanzlei. Wiesbaden 2004.Trägerinnen u. Träger d. Wilhelm-Leuschner-Medaille 2004, S. 80f.
Literatur:
                        
Beier, Gerhard: Arbeiterbewegung in Hessen. Zur Geschichte der hessischen Arbeiterbewegung durch 150 Jahre (1834-1984). Ffm. 1984. (Die Hessen-Bibliothek im Insel Verlag).Beier: Arbeiterbewegung 1984, S. 511. | Bormann, Lukas/Heymel, Michael (Hg.): Martin Niemöller – Brüche und Neuanfänge. Beiträge zu seiner Biographie und internationalen Rezeption. Göttingen 2023. (Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte 87).Bormann/Heymel (Hg.): Martin Niemöller – Brüche u. Neuanfänge 2023. | Dokumentation zum Kirchenkampf in Hessen und Nassau. 9 Bde. Darmstadt 1974-96.Dokumentation zum Kirchenkampf in Hessen u. Nassau 6 (1989), S. 520-522. | Heymel, Michael: Martin Niemöller. Vom Marineoffizier zum Friedenskämpfer. Darmstadt 2017.Heymel: Martin Niemöller. Vom Marineoffizier zum Friedenskämpfer 2017. | Karnick, Hannes/Richter, Wolfgang (Hg.): Protestant – Das Jahrhundert des Pastors Martin Niemöller. [Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung zum 100. Geburtstag 1992.] Im Auftrag d. Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Ffm. 1992.Karnick/Richter (Hg.): Protestant – Das Jahrhundert d. Pastors Martin Niemöller 1992. | Schmidt, Dietmar: Martin Niemöller. Eine Biographie. Neuausgabe. Stuttgart 1983.Schmidt: Martin Niemöller 1983. | Telschow, Jürgen (Hg.) in Zusammenarb. m. Wendland, Gerhard/Müller, Helmut/Euring, Bernd: Alles hat seine Zeit. 100 Jahre evangelische Kirchengemeinden im alten Ffter Stadtgebiet. 100 Jahre evangelischer Gemeindeverband. Ffm. 1999. (Schriftenreihe des Evangelischen Regionalverbandes Ffm. 23).Telschow (Hg.): 100 Jahre ev. Gemeindeverband 1999, S. 74.
Quellen: ISG, Dokumentationsmappe in der Sammlung S2 (mit Kleinschriften, Zeitungsausschnitten und Nekrologen zu einzelnen Personen und Familien).ISG, S2/662.
Internet: Internetauftritt der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). https://www.kirchenrecht-ekhn.de/document/18774
Hinweis: Richtlinien für die Verleihung der Martin Niemöller-Medaille vom 29.9.1998, geändert am 4.3.2010.
EKHN, 14.10.2018.
| Hessische Biografie, ein Kooperationsprojekt des Instituts für Personengeschichte in Bensheim und des Hessischen Landesamts für geschichtliche Landeskunde in Marburg zur Erstellung einer umfassenden personengeschichtlichen Dokumentation des Landes Hessen. https://www.lagis-hessen.de/pnd/118587900Hess. Biografie, 14.10.2018. | Präsentation der St. Katharinenkirche und -gemeinde, Ffm., 2017. http://www.behnelux.de/projekt/katharinen-frankfurt/katharinen.html
Hinweis: Kurzbiographie von Martin Niemöller unter dem Menüpunkt „Bedeutende Persönlichkeiten“.
St. Katharinenkirche, 4.11.2018.
| Stadtlexikon Darmstadt, Hg.: Historischer Verein für Hessen e. V., Redaktion: Anke Leonhardt/Peter Engels, Darmstadt, 2013-16. https://www.darmstadt-stadtlexikon.de/n/niemoeller-martin.html
Hinweis: Artikel von Holger Bogs.
Stadtlex. Darmstadt, 14.10.2018.
| Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. http://de.wikipedia.org/wiki/Martin_NiemöllerWikipedia, 14.10.2018.

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Empfohlene Zitierweise: Heymel, Michael: Niemöller, Martin. In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), https://frankfurter-personenlexikon.de/node/636

Stand des Artikels: 16.11.2019
Erstmals erschienen in Monatslieferung: 10.2018.