Vater (1796-1835) und Großvater (1763-1819) gleichen Namens waren Prediger an der Dresdner reformierten Kirche. Verheiratet (seit 1857) mit Emilie Juliane P., geb. Schnorr von Carolsfeld (1832-1864), einer Tochter des Malers Julius Schnorr von Carolsfeld (1794-1872), der seit 1846 Professor an der Kunstakademie in Dresden war.
Besuch des Gymnasiums, anschließend (ab 1836) der Gymnasialanstalt des
Pestalozzi-Schülers Karl Justus Blochmann (1786-1855) in Dresden. Ab 1841 Philologie- und Geschichtsstudium in Leipzig. 1845 Promotion und 1848 Prüfung für das höhere Lehramt. Seit 1849 Lehrtätigkeit an der Vitzthum-Blochmann’schen Anstalt in Dresden, zuletzt bis 1854 als Klassenlehrer der Sekunda. Beschäftigung als Privatgelehrter mit pädagogischen Studien und um 1855 als Lehrer der alten Sprachen an der Erziehungsanstalt Dr. Krause in Dresden. Pfingsten 1856 Berufung an das Gymnasium Elberfeld als Klassenlehrer der Quinta sowie für Latein und Deutsch in den oberen Klassen.
Im Dezember 1856 Wahl zum ersten Rektor der neuen „Höheren Bürgerschule“ (der späteren Klingerschule) in Ffm., die unter seiner Leitung im Mai 1857 mit 440 Schülerinnen und Schülern eröffnet wurde. P. äußerte sich in seinen Einladungsschriften zu den öffentlichen Prüfungen („Schulprogramme“) engagiert zu schulpolitischen Fragen und trug dazu bei, das Prinzip pädagogischer Autonomie der Schule nach Ffm. zu vermitteln. In seiner Ffter Antrittsrede (im Druck 1858) appellierte er, eine Handelsstadt wie Ffm. brauche mehrere öffentliche Realschulen, die allgemeinbildend sein sollten, d. h. mit Lateinunterricht, was in Ffm. nicht üblich war. Aus diesem Grund wurde P. von
Nikolaus Hadermann in dessen „Volksfreund für das mittlere Deutschland“ angegriffen;
Hadermann hatte bereits die Berufung kritisch begleitet, da eine Vergabe von Leitungsstellen an Auswärtige im Schulwesen dem beruflichen Engagement der örtlichen Lehrerschaft nicht förderlich sei.
P. musste mit Lehrkräften beginnen, die hauptsächlich seminaristisch gebildet waren und bis dahin an anderen Ffter Schulen gearbeitet hatten. Ab 1860 wurden Pädagogen angestellt, die zwar überwiegend in Ffm. geboren oder hier tätig waren, ihre Karriereschritte aber in verschiedensten Unterrichtstätigkeiten sowie meist andernorts einschließlich an einer Station im Ausland gemacht hatten. Dies verlieh dem Kollegium eine gewisse Weltläufigkeit und stärkte die Position der Höheren Bürgerschule gegenüber den Privatschulen. 1859 gehörte P. dem Komitee zur Vorbereitung der Ffter
Schillerfeier an und ließ auch in der Höheren Bürgerschule eine
Schillerbüste aufstellen.
Grundsätzlich appellierte P. an alle Hoheitsträger, nicht nur in Ffm., das Unterrichtswesen zu einem gleichberechtigten Verwaltungszweig zu verselbstständigen und Pädagogen an der obersten Leitung zu beteiligen, während die Kirchen ihren haltlos gewordenen Anspruch auf das Schulregiment aufgeben sollten. So lenkte er den Blick auf die beginnende Tendenz zu einer selbstständigeren Stellung der Schule gegenüber Kirche und Staat, etwa in Baden. P. sprach sich gegen eine zentralisierende Übernahme von Bildung und Erziehung durch den Staat aus: Den preußischen Regulativen von 1854 etwa sei es nicht gelungen, die allgemeine Bildung im Sinne der vermeintlichen Staatszwecke zu lenken; das Volk sei dadurch nicht religiöser, kirchlicher oder patriotischer geworden. Schulträger müsse die Kommune sein, wenn auch beim Oberaufsichtsrecht des Staats, wobei ein Schulgesetz als allgemeine Grundlage vorliegen sollte. Sinnvoll sei auch, den Familien eine Beteiligung an der Gestaltung des Schullebens zu ermöglichen, zumal Glaubensvermittlung eher Sache der Familie als der Schule sei. Da Schulen überwiegend wissenschaftlichen und praktischen Zwecken dienten, müsse ihre Beziehung zu Wissenschaft und bürgerlichem Leben stärker sein als zu den Kirchen. P. sprach deutlich aus, dass es der kirchlichen Seite bei der Forderung nach Prävalenz von Religion in der Schule um deren Anschluss an eine Konfession ging. In einer pluralistischer werdenden Zeit dürfe das Ziel von Bildung aber nicht die Akzentuierung anderer Unterschiede sein als der von Bildung zu Unbildung. P. folgerte in Opposition gegen die Ffter Schulorganisation, die konfessionelle Gliederung eigne sich nicht als Grundlage für das Schulwesen; vorläufiges Ziel bleibe der Anschluss an die bürgerliche Gemeinde, die dem Staat eingeordnet ist. Damit befand sich P. auf der Linie der demokratischen Mehrheit im Gesetzgebenden Körper, die eine einzige, kommunal-überkonfessionelle statt bisher mehrerer konfessionell gegliederter Schulbehörden forderte. P. zählte sich ausdrücklich nicht zu denen, die die erziehende Kraft eines religiösen Sinnes in der Familie geringschätzen, wollte Religion aber nicht unter die für eine Schulorganisation maßgeblichen Kräfte einreihen. Die konservativ-kirchliche Seite müsse nachgeben, um für sie noch ungünstigere Veränderungen in Schulregiment und -aufsicht zu verhindern.
Am stärksten überraschte P. mit dem Eintreten für eine gemeinsame Primarerziehung: Die familiäre Herkunft, die die Schulwahl bestimme, könne kein entscheidendes Kriterium für Begabung oder Schullaufbahn eines Kindes sein; eine Unterscheidung in „niedere“ und „höhere“ Bildung vom siebten Lebensjahr an entspreche nicht dem Stand des medizinischen Wissens zur Gehirnentwicklung. P. sprach sich daher gegen die mit höheren Schulen fest verbundenen Vorbereitungsklassen aus und favorisierte eine verbindliche gemeinsame Primarerziehung in selbstständigen Grundschulen bis zum zehnten Lebensjahr – ein Konzept, das in Deutschland erst 1920 dauerhaft verwirklicht wurde.
Schon 1860 warf P. Senat und Schulbehörden in Ffm. vor, der Ausbau des Schulwesens halte nicht mit der Einwohnerentwicklung Schritt. In seinem eigentlichen Gebiet, dem nicht-gymnasialen höheren Schulwesen, trat er dafür ein, auch im Ffter Stadtstaat die Schulzeit über das 14. Lebensjahr hinaus zu verlängern. Angesichts zunehmender Bildungsbedürfnisse und Stofffülle sei es ratsam, den Besuch höherer Schulen nicht mehr nach der Konfirmation zu beenden. Die Ursachen gegenwärtiger Probleme unregulierter Realschulen sah P. in einem überladenen Lehrplan sowie einer Abneigung gegen alte Sprachen; für die formale Bildung an einer höheren Schule sei noch kein ähnlich geeignetes Lehrgebiet gefunden worden.
Nach der Annexion der Stadt Ffm. durch Preußen 1866 brachte P. der Ffter Bevölkerung das preußische Schulsystem und dessen Auswirkungen auf die Ffter Schulen nahe, insbesondere die notwendige Anpassung an das preußische Berechtigungswesen. Ffm. werde künftig eine größere Anzahl anerkannter höherer Schulen brauchen. Für die 1859 neu geordneten preußischen Real- und höheren Bürgerschulen sei nicht das Bedürfnis des praktischen Lebens maßgebend, sondern die Entwicklung des geistigen Vermögens, um den späteren Beruf selbstständig ausüben zu können. Ziel sei eine wissenschaftliche Vorbildung für höhere Berufe, die kein Universitätsstudium erfordern, bei grundsätzlicher Gleichartigkeit mit dem Gymnasium. P. erklärte, der Kurs der örtlichen Höheren Bürgerschule stehe hinter dem der preußischen Realschule deutlich zurück. Eine preußische Realschule Erster Ordnung habe neun Jahrgangsklassen sowie obligatorischen Lateinunterricht, und für eine preußische höhere Bürgerschule gelte ihr Lehrplan bis zur Sekunda. An Realschulen Zweiter Ordnung mit sechs Jahrgangsklassen könne der Lateinunterricht fakultativ sein. Der Kursus der Ffter Höheren Bürgerschule werde um zwei Jahre und um obligatorischen Lateinunterricht ausgedehnt werden müssen („Das science is power wird jetzt gegen das time is money zu stellen sein“). Zudem werde dadurch verhindert, dass Bildungswege schon mit Quinta (statt dann mit Quarta) auseinandertreten würden. Da Ffm. bei stärker fluktuierender Einwohnerschaft keine reine Handels- und Gewerbestadt bleiben werde, rief P. die städtischen Behörden auf, neben der Gründung neuer Volksschulen auch die Ausdehnung wissenschaftlicher Bildung auf die kaufmännische, gewerbliche und technische Sphäre zu berücksichtigen und entsprechende höhere Schulen einzurichten.
Als fünf Jahre nach der preußischen Annexion der Mangel an Schulen in Ffm. unverändert bestand, ging P. mit einem Beitrag „Zur Lage des Frankfurter Schulwesens“ (1871) an die Öffentlichkeit. Mit Einrichtung des Magistrats war die oberste Schulaufsicht vom Senat auf die Bezirks- bzw. Provinzialregierung übergegangen, nicht auf den Magistrat, der aber als „Zahlmeister“ die Anträge der nicht mit ihm verbundenen Schulbehörden bei den Stadtverordneten zu vertreten hatte. P. registrierte, dass seit 1868 der Entwurf eines Schulverwaltungsstatuts vorlag und die höheren Schulen wenigstens mit Berechtigungen ausgestattet wurden, aber hinsichtlich neuer Volksschulbauten für die zuwandernde ärmere Bevölkerung nichts geschehen war. Nach dem Wegfall der Zuzugsbeschränkungen werde jedoch für jeweils 4.000 neue Einwohner eine zusätzliche Schule notwendig. Insgesamt sei das Ffter Schulwesen auf dem Stand von 1866 bzw., in Bezug auf den Mangel an Schulen, von 1861 geblieben. Die Zahl der Planstellen habe sich seit 1858 nicht verändert; der Mehrbedarf werde mit Hilfslehrern abgedeckt. Angesichts des Streits um die Organisation einer künftigen Stadtschulbehörde stehe die Sorge um das Objekt Schule still. Städtische Schulen würden nicht geschaffen, sondern nur als Eventualität angekündigt, und es fehlten Schulbauten, Organisationspläne sowie statistisches Material für eine kommunale, pädagogisch qualifizierte Zentralstelle, die den Bedarf an Schularten und das Budget feststellen müsse.
Nachdem 1872 nach preußischem Muster eine „Schuldeputation“ und ein „Kuratorium der höheren Schulen“ als überkonfessionelle städtische Schulbehörden eingerichtet worden waren, wandte sich P. der Frage zu, welche Schularten größere Städte bräuchten. Dabei entwarf er gedanklich den Typus der heutigen Realschule und sah die Gleichstellung der Realschulen Erster und Zweiter Ordnung mit den Gymnasien voraus, wie sie in den preußischen Schulkonferenzen von 1890/1900 festgelegt wurde. P. stellte fest, zwischen Elementarschule und Gymnasium bestehe ein weites Feld schulischer Zwischenformen für Familien, die mehr Schulgeld zahlen könnten, aber weder Gymnasium (lange Schulzeit, praxisferne Inhalte) oder gar ein Studium für ihre Kinder wünschten. P. sah in den Realschulen Zweiter Ordnung (Schulende mit 17 Jahren, Latein fakultativ) den Schultyp, der dem Bildungsbedürfnis des städtischen Bürgertums für Handels- und Gewerbeberufe am ehesten entspreche und daher den Hauptanteil höherer Schulen ausmachen sollte.
Mehrfach trat P. für eine Reform des Berechtigungswesens ein: Für Kommunen sei der Besitz von Schulen, die viele Berechtigungen erteilen können, ein Standortvorteil, ungeachtet des örtlichen Bildungsbedürfnisses, denn die Mehrzahl der Schüler besuche Gymnasien und Realschulen Erster Ordnung nur bis zur Versetzung nach Obersekunda, um dadurch das „Einjährige“ zu erhalten, eine Qualifikation, die besser durch externe Prüfungen erworben werden sollte. Da der Lehrkurs der in den „Allgemeinen Bestimmungen“ (1872) neu definierten Mittelschule (eine Fremdsprache, tiefere Behandlung von Mathematik und Physik) ebenso lang sei wie der Besuch der Volksschule, werde die Mittelschule nur als „Spitze des Elementarschulwesens“ angesehen werden und die höheren Schulen nicht entlasten.
P. fasste seine wegweisenden Vorschläge zur Schulreform so zusammen: Berechtigungen sollten nur in Verbindung mit einer Reifeprüfung erteilt werden. Gymnasien und Realschulen Erster Ordnung sind Vorbildungsstätten für wissenschaftliche Studien; von der Notwendigkeit, sie wegen des „Einjährigen“ nur bis zum Ende der Mittelstufe zu besuchen, müssen sie befreit werden. Für alle Schüler, die einen Beruf ohne wissenschaftliche Vorbildung ergreifen wollen, ist eine eigene, modern-realistische Schulgattung erforderlich. Das dort anzustrebende Bildungsziel wird nicht erreicht durch den Besuch von Gymnasien und Realschulen Erster Ordnung bis zur Obersekundareife bzw. von Progymnasien oder den gegenwärtigen höheren Bürgerschulen. Dieses Bildungsziel verlangt vielmehr eigene Schulen mit sieben auf die dreijährige Primarstufe aufbauenden Schuljahren, ohne altsprachlichen Unterricht, aber mit modernen Wissenschaften und Bildungsstoffen; diese Schulen, die für den größten Teil der Bevölkerung in mittleren und größeren Städten geeignet wären, sollten „Höhere Bürgerschulen“ genannt werden. Damit hatte P. den Schultyp entworfen, der nach 1945 als „Realschule“ aus den erweiterten Mittelschulen hervorgehen würde.
Im Mai 1873 lehnte P. eine Anfrage des preußischen Kultusministeriums ab, für drei Jahre die japanische Schulverwaltung zu unterstützen. Nach kurzer schwerer Krankheit starb P. in seinem 17. Amtsjahr als Rektor der Höheren Bürgerschule, die mittlerweile auf 1.300 Schülerinnen und Schüler angewachsen war.
Breiteren Kreisen wurde P. durch sein „Deutsches Lesebuch“ (1862) bekannt, das von diversen Bearbeitern bis etwa 1913 fortgeführt wurde.
Veröffentlichte Schriften (in Auswahl): „Deutsche Dichterhalle des 19. Jahrhunderts“ (als Bearbeiter; 3 Bde., 1856), „Das deutsche Theater der Gegenwart. Ein Beitrag zur Würdigung der Zustände“ (2 Bde., 1857), „Rede, gehalten bei Eröffnung der ersten öffentlichen Prüfung der höheren Bürgerschule [in Ffm.]“ (1858), der Artikel „Freie Städte. Frankfurt am Main“ in der „Encyklopädie des gesammten Erziehungs- und Unterrichtswesens“ (1860) sowie die Aufsätze „Justus Möser und sein Verhältniß zur Pädagogik“ (1858), „Zur Schulreformfrage“ (1863), „Die Ärzte und das Schulwesen“ (1864), „Zur Lage des Unterrichts- und Erziehungswesens“ (1865), „Die bisherige Geschichte und die weitere Entwicklung der Anstalt [d. i. der Höheren Bürgerschule in Ffm.]“ (1867), „Zur Lage des Frankfurter Schulwesens“ (1871) und „Einige Bemerkungen zur Schulorganisationsfrage, insbesondere zum Schulwesen größerer Städte“ (1873), alle in den Einladungsschriften zu den öffentlichen Prüfungen in der Höheren Bürgerschule.
Ehrengrabstätte auf dem Ffter Hauptfriedhof (Gewann F 647).
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Frankfurter Biographie 2 (1996), S. 115,
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