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Schaeder, Hildegard

Hildegard Schaeder

Hildegard Schaeder
Fotografie (1940).

© Gerlind Schwöbel. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Evangelischen Regionalverbands Fft. und Offenbach, Ffm.
Schaeder, Hildegard. Prof. Dr. phil. Historikerin und Theologin. * 13.4.1902 Kiel, † 11.4.1984 Freiburg/Breisgau, begraben auf dem Waldfriedhof in Ffm.-Oberrad.
Tochter des Theologen Erich Sch. (1861-1936), seit 1899 ordentlicher Professor für Systematische Theologie in Kiel, und seiner Ehefrau Anna, geb. Sellschopp (1867-1948), die, ursprünglich wohl für ihre sechs eigenen Kinder, Jugendbücher verfasste und veröffentlichte („Hannis Heimkehr. Klänge aus goldenen Jugendtagen, meinen Kindern erzählt (...)”, 1914, und „Goldene Fäden. Ein Buch vom glücklich machen und glücklich sein für junge Mädchen”, 1921). Schwester des Orientalisten Hans Heinrich Sch. (1896-1957), des Politik- und Wirtschaftswissenschaftlers Reinhard Sch. (1905-1980) und des Physikers und Hirnforschers Johann Albrecht Sch. (1910-1985).
Schulbesuch in Kiel und später in Breslau, nachdem der Vater 1918 als Ordinarius an die dortige Universität gewechselt war. Seit 1920 Studium der klassischen und slawischen Philologie, osteuropäischen Geschichte, Byzantinistik und Philosophie in Breslau und Hamburg. Nach der Promotion bei Richard Salomon (1884-1966) in Hamburg 1927 wollte sich Sch. zunächst an der Universität Breslau habilitieren, gab dieses Vorhaben jedoch 1931/32 auf und ging mit einem Forschungsstipendium der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft nach Prag und in die Sowjetunion. Seit März 1935 arbeitete sie als wissenschaftliche Referentin in der Publikationsstelle des Preußischen Geheimen Staatsarchivs in Berlin. Bald nach ihrer Rückkehr nach Deutschland hatte sich Sch. in Berlin um 1934/35 der Bekennenden Kirche angeschlossen. Sie engagierte sich in der Jesus-Christus-Gemeinde des Pfarrers Martin Niemöller in Berlin-Dahlem und studierte an der auf Initiative von Niemöller 1935 gegründeten und nach dem umgehenden Verbot illegal weitergeführten Kirchlichen Hochschule für reformatorische Theologie. Im Rahmen der Gemeindearbeit betreute sie zunächst „nichtarische“ Christen, später auch deutsch-jüdische Deportierte in Polen und wahrscheinlich untergetauchte Juden in Berlin, die sie mit Lebensmitteln, Kleidung und Medikamenten versorgte; auch kundschaftete sie Fluchtmöglichkeiten und Verstecke für die bedrohten und verfolgten Menschen aus. Aufgrund einer Denunziation wurde Sch. am 14.9.1943 von der Gestapo wegen „Begünstigung flüchtiger Juden” verhaftet. Im Frühjahr 1944, nach mehrmonatiger Untersuchungshaft, wurde sie als politische Gefangene in das KZ Ravensbrück überstellt, wo sie Ende April 1945 die Befreiung erlebte. Nach dem Krieg war Sch. zunächst als Gemeindehelferin in Mecklenburg, dann als Leiterin der ostkirchlichen Arbeitsgemeinschaft an der Universität in Göttingen tätig. Von 1948 bis 1970 wirkte sie als Oberkirchenrätin und Referentin für die orthodoxen Kirchen des Ostens im Außenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Ffm. Sie vermittelte Kontakte mit der Russisch-Orthodoxen Kirche, begleitete Repräsentanten der EKD auf deren Reisen in die Sowjetunion (Martin Niemöller 1952, Gustav Heinemann 1954) und redigierte seit 1955 die „Informationen aus der Orthodoxen Kirche”. Seit 1962 lehrte sie zudem an der Universität Ffm., zunächst als Lehrbeauftragte für die Geschichte der orthodoxen Kirchen, von 1965 bis 1978 als Honorarprofessorin für Osteuropäische Geschichte.
Mitglied im Verband der Deutschen Historiker.
Zahlreiche Veröffentlichungen, u. a. „Moskau, das dritte Rom. Studien zur Geschichte der politischen Theorien in der slavischen Welt” (Dissertation, 1929, 2. Aufl. 1957) und „Die dritte Koalition und die Heilige Allianz” (Vorarbeiten zur Habilitation, 1934, 2., ergänzte Aufl. 1963 u. d. T. „Autokratie und Heilige Allianz”). Ausgabe ausgewählter Schriften („Impulse für die evangelisch-orthodoxe Begegnung“, hg. v. Karl Pinggéra/Jennifer Wasmuth/Christian Weise, 2016).
„Ostern im KZ” (Erinnerungen an ihre Haft in Ravensbrück, 1947, 2., erweiterte Aufl. 1951 u. d. T. „Die letzte Freiheit”).
1978 Bundesverdienstkreuz am Bande. 2000 Anerkennung als „Gerechte unter den Völkern“ durch die Gedenkstätte Yad Vashem (posthum).
Hildegard-Sch.-Straße in Oberrad.

Artikel aus: Frankfurter Biographie 2 (1996), S. 248, verfasst von: Fritz Koch (überarbeitete Onlinefassung für das Frankfurter Personenlexikon von Sabine Hock).

Lexika: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Begr. u. hg. v. Friedrich Wilhelm Bautz (1906-1979). Fortgeführt von Traugott Bautz (1945-2020) u. Uta Timpe-Bautz. Bisher 44 Bde. Herzberg 1975-2022.Gerlind Schwöbel in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlex. 8 (1994), Sp. 1510-1515. | Lexikon der Gerechten unter den Völkern. Yad Vashem. Hg. v. Israel Gutman unter Mitarb. v. Sara Bender. Teilband: Deutsche und Österreicher. Hg. v. Daniel Fraenkel u. Jackob Borut. Göttingen 2005. Lex. d. Gerechten unter den Völkern: Deutsche u. Österreicher 2005, S. 237f.
Literatur:
                        
Berger, Heike Anke: Deutsche Historikerinnen 1920-1970. Geschichte zwischen Wissenschaft und Politik. Ffm./New York 2007. (Geschichte und Geschlechter 56).Berger: Dt. Historikerinnen 2007. | Kasper, Birgit/Schubert, Steffi: Nach Frauen benannt. 127 Straßen in Ffm. Hg. v. Frauenreferat der Stadt Ffm. Ffm. 2013.Kasper/Schubert: Nach Frauen benannt 2013, S. 63f. | Schaeder, Hildegard: Impulse für die evangelisch-orthodoxe Begegnung. Ausgewählte Schriften von 1949 bis 1972. Hg. v. Karl Pinggéra, Jennifer Wasmuth u. Christian Weise. Mit einer biographischen Hinführung von Gisa Bauer. Berlin/Münster [2016]. (Forum orthodoxe Theologie 17).Bauer, Gisa: Versöhnung durch Begegnung. Hildegard Schaeder als Osteuropahistorikerin, bekennende Christin und Ökumenikerin. In: Schaeder: Impulse für die evangelisch-orthodoxe Begegnung 2016, S. 5-73. | Schwöbel, Gerlind: Allein dem Gewissen verpflichtet. Auf den Spuren von Ffter Frauen. Ffm. 2001.Schwöbel: Allein dem Gewissen verpflichtet 2001, S. 115-132. | Schwöbel, Gerlind: Leben gegen den Tod. Hildegard Schaeder: Ostern im KZ. Ffm. 1995. (Schriftenreihe des Evangelischen Regionalverbandes Ffm. 20).Schwöbel: Leben gegen den Tod. Hildegard Schaeder 1995. | UniReport. Johann Wolfgang Goethe-Universität Ffm. [Späterer Untertitel: Goethe-Universität Ffm.] Bisher 51 Jahrgänge. Ffm. 1968-2018.Nachruf von Julia Oswalt in: UniReport 17 (1984), 30.5.1984, S. 4. | UniReport. Johann Wolfgang Goethe-Universität Ffm. [Späterer Untertitel: Goethe-Universität Ffm.] Bisher 51 Jahrgänge. Ffm. 1968-2018.Maaser, Michael: 100. Geburtstag Hildegard Schaeder. In: UniReport 35 (2002), Nr. 3, 10.4.2002, S. 18. | Wer ist’s? Titel auch: Degener’s Wer ist’s? Titel ab 1923: Wer ist wer? Wechselnde Untertitel: Zeitgenossenlexikon. / Unsere Zeitgenossen. / Das deutsche Who’s who. Leipzig, ab 1928 Berlin 1905-93.Wer ist wer? 1974/75, S. 898.
Quellen: Ffter Allgemeine Zeitung. Ffm. 1949-heute.Till, Ulrike: Für das Verstecken von Juden verhaftet. Biographie über die Widerstandskämpferin Hildegard Schaeder (...). In: FAZ, 3.6.1995. | ISG, Dokumentationsmappe in der Sammlung S2 (mit Kleinschriften, Zeitungsausschnitten und Nekrologen zu einzelnen Personen und Familien).ISG, S2/9.608.
Internet: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie, Hg.: Wikimedia Foundation Inc., San Francisco/Kalifornien (USA). https://de.wikipedia.org/wiki/Hildegard_SchaederWikipedia, 10.4.2018. | Yad Vashem, Internationale Holocaust-Gedenkstätte, Jerusalem. https://righteous.yadvashem.org/?searchType=righteous_only&language=en&itemId=4017402&ind=0
Hinweis: Eintrag von Hildegard Schaeder in der Datenbank „The Righteous Among the Nations“ (in englischer Sprache).
Yad Vashem, 24.9.2020.


GND: 119394286 (Eintrag der Deutschen Nationalbibliothek).
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Empfohlene Zitierweise: Koch, Fritz/Hock, Sabine: Schaeder, Hildegard. In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), https://frankfurter-personenlexikon.de/node/1002

Stand des Artikels: 15.3.2019
Erstmals erschienen in Monatslieferung: 04.2018.