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Breder, Reinhard

Gestapochef für den Regierungsbezirk Wiesbaden mit Sitz in Ffm. von 1943 bis 1945.

Reinhard Breder

Reinhard Breder
Fotografie.

© Hausarchiv des Vereins Deutscher Studenten Königsberg-Mainz.
Breder, Reinhard. Jurist. * 2.2.1911 Steinhagen/Westfalen, † 22.10.2002 Köln.
Sohn des Lehrers Hermann B. (1879-?).
1931 Abitur an der Lessing-Oberrealschule in Bielefeld. Zu Beginn seines Jurastudiums in Königsberg trat B. im SS 1931 dem völkischen Verein Deutscher Studenten (VDSt) bei. In der Reserve des Infanterie-Regiments Nr. 1 ließ er sich in der „Schwarzen Reichswehr“ vormilitärisch ausbilden, nachdem er bereits als Schüler seit 1924 dem Jungtrupp des Jungdeutschen Ordens und seit 1927 dem „Jungstahlhelm“ angehört hatte. Zum WS 1931/32 ging B. zum weiteren Studium nach Hamburg. Dort war er im SS 1932 und im WS 1932/33 Vorsitzender des VDSt Straßburg-Hamburg. Seine militärische Ausbildung setzte er beim Infanterie-Regiment Nr. 6 fort. Als „Sprecher der Jugend“ – er selbst sah sich als „politischen Studenten“ – beteiligte er sich während der Semesterferien in seiner Heimat an Wahlkämpfen für die DNVP, zumal sein Vater dem erweiterten DNVP-Landesvorstand angehörte. In Hamburg führte B. bei den AStA-Wahlen im WS 1932/33 die Korporationsliste „Nationaler Widerstandsblock“ an und wurde einer der beiden AStA-Vorsitzenden. Zum SS 1933 wechselte er nach Göttingen. Nachdem der dortige Waffenring beschlossen hatte, dass jeder Korporationsstudent zugleich Mitglied von SA, SS oder „Stahlhelm“ werden musste, trat B. – trotz bereits bestehender Mitgliedschaft im „Stahlhelm“ – im Mai 1933 der SS bei. Von Oktober 1933 bis Oktober 1934 war er Vororts-Führer der Vereine Deutscher Studenten; zugleich gehörte er bis 1935 dem Führerring des Kyffhäuser-Verbands der Vereine Deutscher Studenten an. Zum WS 1933/34 kehrte B. zurück nach Hamburg, wo er am 18.10.1935 die erste Staatsprüfung bestand. Er begann sein Referendariat am Amtsgericht Gütersloh und am Landgericht Bielefeld. Auf Empfehlung seines Bundesbruders, des Reichsstudentenführers Gustav Adolf Scheel (1907-1979), mit dem er seit einer Führertagung der Deutschen Studentenschaft im Schloss Salem im Dezember 1933 befreundet war, wurde B. 1936 Sachreferatsleiter für den Unterabschnitt Minden-Lippe des „Sicherheitsdiensts des Reichsführers SS“ (SD) in Bielefeld. Dort formulierte er u. a. die SD-Lageberichte. Am 1.5.1937 trat er der NSDAP bei. Die für das Referendariat vorgeschriebene Verwaltungsstation verbrachte er vom 1.11.1937 bis Mai 1938 beim SD in Düsseldorf. Seine „Große Amtsgerichts-Station“ absolvierte er anschließend (bis 1.9.1938) in Düsseldorf. Halbtags arbeitete er weiterhin beim SD. Sein Referendariat beendete er in Hamburg. Nach einem zweimonatigen Aufenthalt im Referendarslager in Jüterbog trat er am 1.2.1939 seine letzte Station beim Oberlandesgericht Blankenese an. Am 14.8.1939 bestand er in Hamburg das Assessorexamen.
Am 27.8.1939 wurde B. als SS-Oberscharführer vom SD in Düsseldorf „notdienstverpflichtet“, um beim SD in Köln eingesetzt zu werden. Dort wurde er zum SS-Untersturmführer befördert. Im März/April 1940 war er Prüfer der RSHA-Kurse für Anwärter für den Leitenden Dienst in Pretzsch/Elbe. Im April/Mai 1940 unternahm er eine Inspektionsreise im annektierten Polen, um dortige „Weiterbildungsmöglichkeiten“ für Mitarbeiter von Sicherheitspolizei und SD zu erkunden. Anschließend war er Referent des Ausbildungs- und Schulungswesens im Bereich des SD-Inspektionsbereichs Düsseldorf. Da er diese Position als „unwichtigen Nebenplatz“ ansah, wurde B. auf eigenen Wunsch ab 1.7.1940 persönlicher Referent des Sicherheitsinspekteurs beim SD in Hamburg. Im Dezember 1940 wurde er zum Regierungsassessor ernannt. Zum 1.12.1941 wurde er nach Düsseldorf versetzt, wo er halbtags als stellvertretender Leiter bei der Stapoleitstelle und halbtags beim Regierungspräsidenten tätig war. Zum 1.7.1942 wurde er zum Regierungsrat und zum SS-Sturmbannführer ernannt. Wiederum auf eigenen Wunsch erhielt er, nachdem der Amtschef des Reichssicherheitshauptamts (RSHA), Bruno Streckenbach (1902-1977), eine von B. erhoffte Verwendung als Landrat im Kempen-Krefeld abgelehnt hatte, eine Abordnung zu einem SD-Kampfkommando in Russland. So wurde er von Dezember 1942 bis März 1943 beim Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in Minsk/Weißrussland eingesetzt, insbesondere zur Partisanenbekämpfung, etwa bei der „Operation Winterzauber“ im Norden Weißrusslands. Im Februar 1943 war er als Leiter der Kraftwagenkolonne und eines Erschießungskommandos an der Liquidierung des Ghettos von Sluzk beteiligt. Von Anfang März 1943 bis Juli 1943 war er als Führer des seit dem Überfall auf die Sowjetunion berüchtigten Einsatzkommandos 2 der Einsatzgruppe A in Riga stationiert. Er erhielt die Kriegsverdienstkreuze II. Klasse mit Schwertern und I. Klasse.
Ab September 1943 leitete B. die Staatspolizeistelle für den Regierungsbezirk Wiesbaden mit Sitz in Ffm. Er unterstützte die Politik von Gauleiter Jakob Sprenger, die Stadt Ffm. „judenrein“ zu machen, indem er die Ffter Gestapo entsprechende, weit über die Anweisungen aus Berlin hinausreichende Maßnahmen ergreifen ließ: Die letzten verbliebenen Juden, die eigentlich vor Deportation noch geschützt waren (etwa weil sie in „Mischehe“ lebten oder „Weltkriegskämpfer“ waren), wurden systematisch überwacht und bespitzelt, um sie wegen Bagatell-„Delikten“ (wie z. B. Verdeckung des Judensterns) in Konzentrationslager einweisen zu können (vgl. Beate Meyer). Ingesamt wurden in seiner Amtszeit etwa 500 jüdische Ffter verschleppt. Ende August 1944 ließ B. im Rahmen der Aktion „Gitter“ im Zusammenhang mit dem Attentat vom 20. Juli mehr als 120 Sozialdemokraten, Liberale und Zentrumspolitiker verhaften. Zwölf der Inhaftierten kamen in Konzentrationslager, wo vier von ihnen, darunter die Frauenrechtlerin Johanna Tesch, ihr Leben verloren. Laut Volker Eichler war B. auch für den Massenmord an 87 Häftlingen im Arbeitserziehungslager Hirzenhain im März 1945 mitverantwortlich.
Kurz vor Kriegsende 1945 floh B. nach Norddeutschland und tauchte unter. Erst im März 1946 konnte er von US-Militärs verhaftet werden. Er kam in Kriegsgefangenschaft, zunächst in Gießen und Wiesbaden, später (ab Juli 1946) in Dachau und Fürth; bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen wurde er mehrfach als Zeuge verhört. Formal aus der Kriegsgefangenschaft entlassen, wurde er Ende 1947 ins Internierungslager Ludwigsburg und im Januar 1948 ins Internierungslager Darmstadt überführt. In einem Spruchkammerverfahren im Zuge der Entnazifizierung wurde B. am 28.2.1949 als „Hauptschuldiger“ angeklagt, jedoch am 12.4.1949 lediglich als „Belasteter“ eingestuft. Hiergegen legte er Berufung ein, die schließlich am 24.11.1953 zurückgewiesen wurde. Ostern 1949 aus der Internierung entlassen, wurde B. mit einem Berufsverbot als Anwalt belegt. In dem Prozess gegen der Ffter Judenreferenten Heinrich Baab vor dem Ffter Schwurgericht 1950 sagte B. als dessen früherer Vorgesetzter im Zeugenstand aus. Er selbst wurde damals wegen seiner Tätigkeit bei der Gestapo nicht weiter belangt. Wegen der Erschießung von sechs Fremdarbeitern, die nach den schweren Luftangriffen auf Ffm. im März 1944 beim Plündern festgenommen worden waren, wurde B. zusammen mit Hans Tauber (1900-?), in der NS-Zeit Polizeiverwaltungsinspektor und Kommandant des Arbeitserziehungslagers Heddernheim, vor dem Landgericht Ffm. angeklagt („B.-Tauber-Prozess“) und am 15.2.1951 freigesprochen: Zwar habe er – so die Urteilsbegründung – objektiv sechs Menschen getötet, aber „ohne Mörder zu sein“. In den Sechzigerjahren ermittelte die Ffter Staatsanwaltschaft gegen B. und den Gestapo-Abteilungsleiter Ernst Grosse wegen Verbrechen in deren Zeit bei der Gestapo, aber das Verfahren wurde ohne Anklageerhebung eingestellt.
Nach Gelegenheitsarbeiten in einem Bauunternehmen, bei einem Anwalt und bei der Vermittlung von Baugeldern sowie der Betreuung von Neusiedlern aus dem Osten arbeitete B. schließlich als Wirtschaftsjurist und Finanzberater. Seit Jahresbeginn 1954 leitete er die Zweigniederlassung Düsseldorf des Bankhauses Karl Meinhardt. Ab Mitte der 1970er Jahre war er freier Mitarbeiter einer Düsseldorfer Finanzierungsgesellschaft. Zum 1.1.1988 ging er in den Ruhestand.
Mitte der 1990er Jahre verfasste B. seine – unveröffentlicht gebliebenen – Lebenserinnerungen „Im Strudel meiner Zeit. Eine Erzählung aus vier Reichen“. Darin weist er persönliche Schuld im Zusammenhang mit Erschießungen und Deportationen von sich und relativiert die Tätigkeit der Ffter Gestapo.

Artikel aus: Frankfurter Personenlexikon, verfasst von Marc Zirlewagen.

Lexika: Klee, Ernst: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Aktualisierte Ausgabe. Ffm. 2005. (Fischer 16048 : Die Zeit des Nationalsozialismus).Klee: Personenlex. zum Dritten Reich 2005, S. 73. | Zirlewagen, Marc: Biographisches Lexikon der Vereine Deutscher Studenten. Band 1: Mitglieder A-L. Norderstedt 2014.Marc Zirlewagen in: Zirlewagen: Biograph. Lex. d. Vereine Dt. Studenten 1 (2014), S. 101-103.
Literatur:
                        
Justiz und NS-Verbrechen. Sammlung deutscher Strafurteile wegen nationalsozialistischer Tötungsverbrechen 1945-2012. 49 Bde. Amsterdam/[Berlin] 1968-2012.Justiz u. NS-Verbrechen 8 (1972), S. 193-217. | Kundrus, Birthe/Meyer, Beate (Hg.): Die Deportation der Juden aus Deutschland. Pläne – Praxis – Reaktionen 1938-1945. Göttingen 2004. (Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus 20).Meyer, Beate: Handlungsspielräume regionaler jüdischer Repräsentanten (1941-1945). Die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland und die Deportationen. In: Kundrus/Meyer (Hg.): Die Deportation d. Juden aus Deutschland 2004, S. 63-85.
Quellen: Breder, Reinhard: Im Strudel meiner Zeit. Eine Erzählung aus vier Reichen. Unveröffentlichtes Manuskript, um 1995.Breder: Im Strudel meiner Zeit (unveröffentl. Autobiographie, um 1995). | Ffter Allgemeine Zeitung. Ffm. 1949-heute.Riebsamen, Hans: Aktion „Gitter“. Als das NS-Regime zurückschlug. In: FAZ, Internetausgabe (www.faz.net), Rhein-Main, 22.7.2016. | Idsteiner Zeitung. Mainz 1901-45 und 1949-heute.Karteikarten mit Fotos der Idsteiner Zwangsarbeiter berühren besonders. Volker Eichler referiert im Geschichtsverein über Auflösung der Gestapo. In: Idsteiner Zeitung, 15.4.2005. | ISG, Dokumentationsmappe in der Sammlung S2 (mit Kleinschriften, Zeitungsausschnitten und Nekrologen zu einzelnen Personen und Familien).ISG, S2/1.659. | ISG, Dokumentationsmappe in der Sammlung S3 (mit Kleinschriften, bes. Zeitungsausschnitten, zur Ortsgeschichte).ISG, S3/23.167 (Prozess gegen die Gestapo-Leute Breder und Tauber, ab 1947). | Korrespondenz d. Verf.Korrespondenz d. Verf. mit dem Hess. Hauptstaatsarchiv Wiesbaden.
Internet: Ffm. 1933-1945, Internetportal zur Geschichte der Stadt Ffm. im Nationalsozialismus, Projekt des ISG im Auftrag des Dezernats für Kultur und Freizeit der Stadt Ffm. https://www.frankfurt1933-1945.de/beitraege/prozesse/beitrag/einstellung-aus-mangel-an-beweisen-was-wurde-aus-den-tatbeteiligten-an-den-deportationen-aus-frankfurt-am-main/
Hinweis: Artikel von Heike Drummer/Jutta Zwilling: „Einstellung … aus Mangel an Beweisen …“: Was wurde aus den Tatbeteiligten an den Deportationen aus Ffm.? (mit einer Kurzbiographie von Reinhard Breder), 1.1.2011.
Ffm. 1933-1945, 21.7.2022.
| Wikipedia, Die freie Enzyklopädie, Hg.: Wikimedia Foundation Inc., San Francisco/Kalifornien (USA). https://de.wikipedia.org/wiki/Reinhard_BrederWikipedia, 13.7.2018. | Yad Vashem, Internationale Holocaust-Gedenkstätte, Jerusalem. http://db.yadvashem.org/deportation/supervisorsDetails.html?language=de&itemId=5260774Yad Vashem, 13.7.2018.

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Empfohlene Zitierweise: Zirlewagen, Marc: Breder, Reinhard. In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), https://frankfurter-personenlexikon.de/node/10667

Stand des Artikels: 13.7.2018
Erstmals erschienen in Monatslieferung: 07.2018.