Schönemann, Anna Elisabeth, gen. Lili (auch: Lise), verh. Freifrau von Türckheim. ~ 23.6.1758 Ffm., † 6.5.1817 Krautergersheim bei Straßburg.
Tochter des Ffter Bankiers Johann Wolfgang Sch. (1717-1763), dessen Vorfahren zu Beginn des 17. Jahrhunderts aus Südhessen zugewandert waren, und dessen Ehefrau Susanna Elisabeth, geb. d’Orville (1722-1782), deren Familie, ursprünglich aus dem Stift Cambrai stammend, sich in der Mitte des 17. Jahrhunderts in Ffm. und Offenbach niedergelassen hatte.
Sch. erhielt eine vorzügliche Erziehung, wuchs „im Genuß aller geselligen Vorteile und Vergnügungen” auf und meisterte spielerisch die Etikette. Sie bildete einen Mittelpunkt des Rokoko-Salons im 1770 neuerbauten Sch.’schen Haus zum Liebeneck (Großer Kornmarkt 15; zerstört 1944), in dem sich die erste Gesellschaft Fft.s und zur Messezeit die Geschäftsfreunde des Bankhauses zusammenfanden. Hier lernte sie zur Jahreswende 1774/75
Goethe kennen, der durch die Bucherfolge von „Götz” und „Werther” auf literarischem Gebiet die Welt des Rokoko einzureißen begann. Sch. beeindruckte den 25-Jährigen durch ihre kapriziöse Anmut und natürliche Freundlichkeit. Um sie öfter sehen zu können, nahm er am gesellschaftlichen Leben in ihrem Elternhaus teil oder machte sich auf den Weg am Main entlang über die Gerbermühle nach Offenbach, wo die Familie im parkartigen Anwesen von Lilis Onkel Johann Georg d’Orville und dessen Frau Jeanne Rahel, geb. Bernard, Gesellschaften gab. Verlobung Ostern 1775. Doch dem Verhältnis, das beiderseits von tiefen Empfindungen bestimmt war, standen äußere Umstände entgegen: Konfession und gesellschaftliche Formen der Familien passten nicht zueinander, und das junge Genie selbst, das mit der fassadenhaften Geselligkeit im Hause Sch. und mit der Rolle seiner Braut auf diesem Schauplatz nicht zurechtkam, zog die Aussicht auf eine Realisierung seiner künstlerischen Berufung in Weimar einer Bindung als Familienvorstand und Anwalt in seiner Vaterstadt vor. Auflösung der Verlobung im Oktober 1775.
Goethe bezeichnete im Alter die äußeren Umstände als „nicht unüberwindbar” und bekannte sich mehrmals zu Sch. als seiner ersten und einzigen wahrhaften Liebe. Darüber hinaus ist Sch. als „
Goethes Lili” in die Weltliteratur eingegangen. Sie ist Gestalt der „Lili-Lieder” (z. B. „An Belinden”, „Lilis Park”, 1775) und der Lebenserinnerungen „Dichtung und Wahrheit”, worin
Goethe ein bereits leicht verklärtes Bild des Verhältnisses zeichnet. Auch hat man Wesenszüge der Verlobten und die Problematik der Beziehung in anderen Werken
Goethes wiedererkannt („Stella”, „Iphigenie”, „Claudine von Villa Bella”, „Erwin und Elmire”).
Sch. galt in der
Goethe-Forschung lange als kokettes Mädchen aus reichem Hause, das nicht wert gewesen wäre, Lebensgefährtin des großen Dichters zu werden. Diese Ansicht änderte sich, als der Blick stärker auf ihren weiteren Lebensweg gelenkt wurde. Nach einer gescheiterten Verlobung mit einem elsässischen Hüttenbesitzer heiratete Sch. 1778 den Straßburger Bankier Bernhard Friedrich Freiherr von Türckheim (1752-1831), der seine Lehrjahre im Ffter Bankhaus Sch. verbracht hatte. Nach dem Zusammenbruch des Bankhauses Sch. 1784 erfuhr Lili zwar Demütigungen durch die Schwiegereltern, doch ihre Ehe, aus der fünf Kinder hervorgingen, verlief glücklich. Während des Terreurs 1794 folgte sie mit den Kindern ihrem nach Deutschland geflohenen Mann, und im Juli 1794 hielt sich die wieder vereinte Familie für einige Wochen in Ffm. auf. 1817 starb Elisabeth, gen. Lili, von Türckheim, die ihren Ehemann beim Wiederaufbau des Straßburger Bankhauses unterstützt hatte, auf dem 1800 erworbenen Türckheim’schen Landgut Krautergersheim.
Reste der früheren d’Orville’schen und Bernard’schen Parkanlagen in Offenbach sind erhalten. Dort, am Eingang des heutigen „Liliparks“, befindet sich eine Gedenktafel für
Goethe und Lili Sch. (gestiftet von Offenbachs Bürgern und Bürgerinnen, 1932). Zur Mainseite steht das erst später errichtete
Metzler’sche Badehaus (von
Nicolas Alexandre Salins de Montfort, 1798), das im Volksmund auch „Lilitempel“ genannt wird.
Lili-Sch.-Steige am Bornheimer Hang.
Frankfurter Biographie 2 (1996), S. 325f.,
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