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Weil, Ernst

Ernst Weil in München (1955)
Ernst Weil in seinem Atelier in München
Fotografie von Renate Bruhn, später verh. Zimmermann (1955).
© Nachlass Ernst Weil.
Ernst Weil in Paris (1957)
Ernst Weil in Paris
Fotografie (1957).
© Nachlass Ernst Weil.
Weil, Ernst Christian. Prof. Zeichner und Maler. Hochschullehrer. * 18.11.1919 Ffm., † 1.9.1981 Gran Canaria, bestattet in Ffm.
Zweites Kind des Postamtmanns Johann Philipp Christian, gen. Hans, W. (1886-1956) und dessen Ehefrau Emma Adolfina, geb. Büttner (1891-1972). Eine Schwester: Hildegard W. (1917-1957). Verheiratet in erster Ehe (1943-48) mit der aus einer Münchner Künstlerdynastie stammenden Bildhauerin Annemarie Rosa Josepha Gisela W., geb. Adam (1922-1977), in zweiter Ehe (1950-64) mit der Künstlerin Marie-Luise W., geb. Heller (1918-2009), in dritter Ehe (1969-78) mit der Sekretärin Christine W., geb. Bauer (ca. 1939-1994). Ein Sohn aus erster Ehe, der von der zweiten Ehefrau adoptiert wurde: Thomas W. (* 1944), Architekt und Designer.
W. wurde in der Markgrafenstraße 17, dem Haus der Großeltern, in Bockenheim geboren. Er besuchte die Kaufungerschule und anschließend (1930-38) das Wöhler-Realgymnasium. Bereits als Kind war er künstlerisch interessiert, er zeichnete, malte und spielte Klavier und Geige. Die frühesten Bilder im Werkverzeichnis stammen aus seiner Schulzeit. 1938 Abitur. Reichsarbeits- und anschließend Kriegsdienst. Teilnahme am Frankreichfeldzug (1940), dann am Russlandfeldzug in Kiew (1941) und Stalingrad (1942). Während Fronturlauben studierte W. ein Semester Kunstgeschichte in Ffm. (1941/42) und zwei Trimester Architektur an der TH Stuttgart (1942/43), u. a. bei Paul Schmitthenner (1884-1972). An allen seinen Einsatzorten im Krieg fertigte er Zeichnungen an, vornehmlich Landschaften, seltener Porträtstudien, darunter einige Selbstporträts. Erkrankung 1942 an Malaria, 1943 an Lungentuberkulose, Scharlach und Diphtherie. Lazarettaufenthalt, Kur in Ehrwald und Ausmusterung. Ab Herbst 1944 Aufenthalt in Oberitalien. Bei Kriegsende 1945 Flucht vor der Gefangenschaft durch italienische Partisanen nach Garmisch-Partenkirchen, wo seine Frau Annemarie lebte. Von 1945 bis 17.4.1946 Tätigkeit als Angestellter beim Reichsbahndienst in Ffm.
Vom Sommersemester 1946 bis 1950 Studium an der Akademie der Bildenden Künste in München, die aufgrund von Kriegszerstörungen in Schloss Haimhausen im Landkreis Dachau ausgelagert war (1946-49). Schüler in Zeichnen und Maltechnik bei Xaver Fuhr (1898-1973) und Hans Gött (1883-1974). Zum Wintersemester 1947/48 Wechsel in die Klasse von Willi Geiger (1878-1971), dessen Meisterschüler er 1949/50 war.
Von 1950 bis 1957 freischaffender Maler in München, wobei die Grundlage seiner Arbeiten weiterhin Zeichnungen bildeten, die oft auf Reisen entstanden. Die Darstellungen wurden von ihm immer stärker abstrahiert und in Geraden, Winkel, Kuben und Kugeln übertragen, Elemente des Kubismus, die farbig voneinander abgesetzt den Bildaufbau tektonisch gliederten. Zudem arbeitete W. von 1950 bis 1957 als Grafiker und Pressezeichner, u. a. für „Die Neue Zeitung“ und die Süddeutsche Zeitung, und von 1954 bis 1962 als Illustrator für Zeitschriften und Bücher, etwa für die Verlage Langen Müller und Heimeran. Buchillustrationen: „Kleines Handgepäck“ von Siegfried von Vegesack (1956), „Drei taube Tanten“ von Elisabeth Castonier (1957), „Seifenblasen“ von Victor Aubertin (1960) u. a. In Zusammenarbeit mit dem Regisseur Fritz Eichler (1911-1991) produzierte W. Werbetrickfilme für die Firma Braun (1953-56). Auch künstlerisch beschäftigte er sich mit dem Medium Film und schuf mindestens einen Experimentalfilm („Das gezeichnete Trompetensolo“, 1954). Zusätzlich war er als Innenraumgestalter tätig und entwarf Wandbilder und Raumdesigns, u. a. für die Deutsche Verkehrsausstellung (1953), das Universum-Kino (1953) und einen Laden des Nähmaschinenherstellers Pfaff (1953/54), alle in München, sowie Porzellandekor für die Firma Rosenthal (1955). Reisen: Frankreich (u. a. mit Besuch bei Picasso in Vallauris, 1953), Italien (1951), Belgien (1958).
1953 gehörte W. zusammen mit Arthur Fauser, Georg Heck u. a. zu den Gründungsmitgliedern der Frankfurter Sezession. Anders als die Benennung als Sezession vermuten lässt, setzten sich die Mitglieder nicht für eine bestimmte gemeinsame Kunstrichtung ein; es ging ihnen um bessere Vernetzung, öffentliche Wirksamkeit und Erneuerung der durch die NS-Zeit und den Zweiten Weltkrieg zerstörten Strukturen des Ffter kulturellen Lebens. Die erste Jahresausstellung der Ffter Sezession fand vom 28.10. bis 21.11.1953 in der Galerie von Hanna Bekker vom Rath statt. Außer im Jahr 1963 nahm W. an allen 13 Ausstellungen der Ffter Sezession teil. Er blieb Mitglied bis zur Auflösung der Ausstellungsgemeinschaft 1966.
Einen Ruf als Gastdozent an die University of Louisville in Kentucky lehnte W. 1957 ab. Stattdessen verwirklichte er im Juli 1957 seinen schon lang gefassten Entschluss, nach Paris überzusiedeln. Auf der Suche nach einem Atelier fand er in einem Hinterhof im Künstlerviertel Montparnasse eine Turnhalle, die allabendlich von Boxern und Fechtern genutzt wurde. Dort konnte er tagsüber ungestört arbeiten, und am Abend zeichnete er die Sportler und beteiligte sich am Training. Es entstand eine expressive Werkserie dynamischer Zeichnungen von Boxern, ausgeführt in schnellen, kurzen Strichen und Schraffuren mit schwarzem Filzstift auf Papier. Der große Erfolg blieb für W. in Paris allerdings aus. Nach einem Brand der Turnhalle 1958 und deren Abriss musste er sich mit kleineren Ateliers, zeitweise im Umkreis von Paris, begnügen. 1961 wurde W. mit Verdacht auf einen neuen Tuberkulose-Ausbruch zum Pausieren gezwungen. 1962 verlor er 23 neue Bilder bei einem Brand am Eröffnungsabend in der Galerie Munot in Schaffhausen. Nach mehrfachem Wohnsitzwechsel innerhalb von Frankreich lebte W. um 1964/65 wieder als freischaffender Maler in Paris.
Seit 1965 wirkte W. als Professor für freie Malerei an der Nürnberger Akademie der Bildenden Künste mit dortigem Atelier. Sein Unterricht basierte auf der Vermittlung von Form- und Farblehre sowie Themenbereichen der Kunstgeschichte. Er beschäftigte sich in dieser Zeit intensiv mit den Farblehren von Johann Wolfgang Goethe, Isaac Newton (1643-1727), Johannes Itten (1888-1967), Adolf Hölzel (1853-1934) und Philipp Otto Runge (1777-1810); außerdem tauschte er sich mit dem Physiologen und Farbforscher Rupprecht Matthaei (1895-1976) aus. So entstanden Textentwürfe zu einer eigenen Farblehre. In seiner künstlerischen Arbeit in Nürnberg entwickelte W. eine neue Werkgruppe von stark farbigen Raumkonstruktionen, die in Synthese konstruktiv-geometrischer und organischer bzw. informeller Elemente entfernt noch an Landschaften erinnern. Zudem erprobte W. in der Nürnberger Zeit neue künstlerische Techniken. In Zusammenarbeit mit der „Gobelin-Manufaktur Nürnberg“ entstanden zwischen 1965 bis 1981 acht Bildteppiche nach Entwürfen W.s, und er beschäftigte sich mit moderner Offset-Lithografie als künstlerischem Medium. Zwischen 1968 und 1972 schuf W. die Werkgruppe der „Zahlenbilder“. Das von ihm entwickelte Farbsystem bestand aus additiven Ziffernfolgen, die sich auf die gestalterischen Inhalte der Bilder bezogen. Die Zahlencodes, die ursprünglich nur als persönliche Kompositionshilfe für W. fungierten, wurden zusätzlich als kryptische Bildtitel geführt. Seit 1965 hatte W. das Amt als Pressereferent der Nürnberger Akademie inne. Im Akademiestreit, der durch die 68er Revolte ausgelöst wurde und mehr als ein Jahr andauerte, sprach er sich deutlich für Reformen des Lehrplans aus und geriet dadurch zunehmend in die Schusslinie der konservativen Akademieleitung. Nach heftigen Meinungsverschiedenheiten gab er das Amt als Pressereferent 1969 auf.
Kurz vor seinem Lebensende kehrte W. zur Figur zurück. Trotz zweier Herzinfarkte (1966 und 1980) und einiger Nervenzusammenbrüche (in den 1970er Jahren) kam sein Tod überraschend. Am ersten Tag eines Urlaubs auf Gran Canaria erlag er seinem dritten Herzinfarkt. Bis zuletzt war er künstlerisch tätig.
Zahlreiche Ausstellungsbeteiligungen (ab 1947), u. a. fast jährlich bei der Großen Kunstausstellung im Haus der Kunst in München (ab 1948), und Einzelausstellungen (ab 1951), u. a. im Musée Grimaldi (heute: Musée Picasso) in Antibes (mit Marie-Luise Heller, 1955), in der Galerie von Etta und Otto Stangl in München (1955, 1958 und 1961), im Musée Jacquemart-André in Paris (1956), in der Gallery Seventy-Five in New York (1957), in einer ersten Retrospektive im Museum Morsbroich in Leverkusen (1959) und in der Galerie im Rahmhof in Ffm. (1972).
Seit 1948 Mitglied der „Neuen Gruppe“ in München. Seit 1951 Mitglied im Deutschen Künstlerbund in Berlin. Seit 1966 Mitglied der Künstlergruppe „Der Kreis“ in Nürnberg. Seit 1976 Mitglied im Kunstverein Erlangen. 1976 wurde W. in die Jury des Deutschen Akademischen Austausch-Dienstes (DAAD) gewählt.
Das Werkverzeichnis von W. beinhaltet rund 820 Kunstwerke. W. war der Meinung, dass „eine rein gegenstandslose Malerei nicht möglich“ sei. So verlieren seine Werke trotz teilweise hohem Abstraktionsgrad nie den Bezug zur wahrnehmbaren Dingwelt oder zur menschlichen Figur und verbinden spontane Geste mit sorgfältiger Konstruktion. Trotz seiner frühen Anerkennung, seines beeindruckenden Lebenslaufs und eines identifizierbaren Stils geriet sein Werk in Vergessenheit und ist heute weitgehend unbekannt.
Das Städel Museum besitzt von W. das Ölbild „Garten im Gewitter“ (1955) und die Kohlezeichnung „Felsenküste“ (1956), die im Rahmen der Ffter Künstlerförderung 1956/57 erworben wurden.
Bestattet in der Familiengrabstätte auf dem Friedhof Bockenheim in Ffm. (Gewann 3 Nr. 91); das Grab steht unter Denkmalschutz.
Schriftlicher Nachlass im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg. Im Nachlass sind 114 Skizzenbücher W.s aus den Jahren 1936 bis 1981 erhalten.
1983 und 2020 Retrospektiven in Nürnberg. 1993 Einzelausstellung in der Galerie von François Knabe in Ffm. 2021 Ausstellung in der Galerie Hanna Bekker vom Rath in Ffm. 2023 Retrospektive „Spontan und konstruktiv – Ernst Weil (1919-1981)“ im Museum Giersch der Goethe-Universität in Ffm.

Artikel aus: Frankfurter Personenlexikon, verfasst von Claudia Olbrych.

Lexika: Rödel, Volker: Die Ffter Stadtteil-Friedhöfe. Hg. v. Denkmalamt der Stadt Ffm. u. d. Ffter Denkmalforum in Zusammenarb. m. d. Landesamt für Denkmalpflege in Hessen. Supplementband zur Denkmaltopographie Stadt Ffm. Ffm. [Copyright 2007]. (Beiträge zum Denkmalschutz in Ffm., Bd. 16; / Teil der Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland). Denkmaltop. Stadtteilfriedhöfe, S. 16. | Seuphor, Michel: Knaurs Lexikon abstrakter Malerei. [Mit einer ausführlichen Darstellung der Geschichte der abstrakten Malerei. Aus dem Französischen übertragen u. bearb. v. Alfred P. Zeller.] München/Zürich 1957.Seuphor: Knaurs Lexikon abstrakter Malerei 1957, S. 302. | Vollmer, Hans: Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler des XX. Jahrhunderts. 6 Bde. Leipzig 1953-62.Vollmer 5 (1961), S. 98f.
Literatur:
                        
Dippel, Andrea (Hg.): Ernst Weil. Das malerische Werk. Mit einem Werkverzeichnis der Gemälde. [Katalog zur Ausstellung in der Kunstvilla im KunstKulturQuartier, Nürnberg, 2020.] Wien 2020. (Schriftenreihe der Kunstvilla im KunstKulturQuartier 12).Dippel (Hg.): Ernst Weil. Das malerische Werk 2020. | Domes, Laura (Hg.): Spontan und konstruktiv. Ernst Weil (1919-1981). Eine Ausstellung des MGGU – Museum Giersch der Goethe-Universität in Ffm., 31. März bis 27. August 2023. Ffm. [Copyright 2022].Domes (Hg.): Spontan u. konstruktiv. Ernst Weil 2022. | Ernst Weil 1919-1981. Eine Ausstellung der Albrecht-Dürer-Gesellschaft Nürnberg in der Norishalle Nürnberg vom 16. Sept. bis 23. Okt. 1983. Hg.: Albrecht-Dürer-Gesellschaft Nürnberg u. Thomas Weil. Nürnberg 1983.Kat. Ernst Weil 1983. | Ludwig, Horst G.: Lust der Linie 1950-2000. Marie-Luise Heller. Werkverzeichnis. München 2000.Ludwig: Lust der Linie. Marie-Luise Heller 2000. | Müller, Ina: Ernst Weil. Leben und Werk. 4 Bde. Diss. Heidelberg 1998.Müller: Ernst Weil 1998.
Internet: Ernst Weil, Internetseite zu Leben und Werk, hg. v. Atelier Thomas und Claudia Weil, Friedberg/Bayern. http://www.ernstweil.deErnst Weil, 7.8.2023. | Städel Museum, Ffm. https://sammlung.staedelmuseum.de/de/person/weil-ernst
Hinweis: Eintrag zu Ernst Weil in der digitalen Sammlung.
Städel, 7.8.2023.
| Wikipedia, Die freie Enzyklopädie, Hg.: Wikimedia Foundation Inc., San Francisco/Kalifornien (USA). https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_WeilWikipedia, 7.8.2023.

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Empfohlene Zitierweise: Olbrych, Claudia: Weil, Ernst. In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), https://frankfurter-personenlexikon.de/node/11726

Stand des Artikels: 15.7.2024
Erstmals erschienen in Monatslieferung: 08.2023.