Sohn des Stadtarztes Johann Hartmann S. (1655-1730) und dessen Ehefrau Anna Margarethe, geb. Raumburger (1682-1740). Bruder von
Heinrich Christian (von) und
Johann Christian S.Abgebrochenes Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten Altdorf und Göttingen. Eignete sich als Autodidakt ein umfassendes juristisches und historisches Wissen an und galt, ohne dass er offiziell unter die Advokaten der Vaterstadt aufgenommen wurde, als einer der fähigsten Rechtsanwälte Fft.s. Die Patriziergesellschaft Alten-Limpurg betrieb 1745 die Umwandlung der Kann-Bestimmung, dass sich bis zu 14 Limpurger unter den 28 Ratsherren der ersten und zweiten Ratsbank befinden durften, in eine Muss-Bestimmung. Die Beweisführung, dass es sich dabei um ein historisches Anrecht handelte, sowie die Abfassung einer Denkschrift an den Kaiser übertrug die Patriziergesellschaft an S. Der Rechtsberater erhielt Zugang zum Archiv und Einblick in die Interna der Limpurger. S. missbrauchte das in ihn gesetzte Vertrauen und fertigte heimlich Abschriften von brisanten Archivalien an.
Nachdem er am 13.8.1745 den Bürgereid geleistet hatte, wurde S., von seinem einflussreichen Bruder
Heinrich Christian S. und dem Kopf der Ffter Patrizier Friedrich Maximilian von Lersner protegiert, am 5.9.1746 in den Rat gewählt. Das neue Ratsmitglied wandte sich kurz darauf gegen die ehemaligen Förderer und bekämpfte fortan mit allen Mitteln die Vormachtstellung der Alten-Limpurger im Rat. Johann Erasmus S. entpuppte sich nach dem Urteil seines Biographen
Georg Ludwig Kriegk als „der größte Rabulist, der jemals in Fft. gelebt hat”. S. attackierte den Rat immer aufs Neue, warf den Kollegen, teilweise zu Recht, Unfähigkeit, Korruption und andere Verfehlungen vor und schlug dabei einen äußerst beleidigenden Ton an. Die despotische Natur und den unmoralischen Lebenswandel S.s führte
Kriegk auf den ungünstigen Einfluss der Mutter zurück. Anfang 1747 verursachte S. einen Skandal, indem er eines Nachts seine Köchin Johanna Maria Katharina Agricola vergewaltigte. Die Köchin gebar daraufhin im Dezember 1747 eine Tochter. Als S. die Zahlung einer Entschädigung und die geforderten Alimente verweigerte, zeigte ihn die unglückliche Mutter vor dem Konsistorium an. S. suchte den Verdacht auf einen Bediensteten abzuwälzen und beschuldigte im Gegenzug die Köchin Agricola der Anstiftung zum Mord. Die Untersuchungsbehörde täuschte er mit einem gefälschten Protokoll. Der Winkelzug wurde durchschaut, der Ratsherr als Fälscher entlarvt. Obwohl der Betrugsversuch die Handhabe bot, den unliebsamen Kollegen aus dem Rat zu verstoßen, blieb S. weitere zwölf Jahre in Amt und Würden. Kaiser Franz I. erhob ihn trotz des Makels 1751 in den Freiherrnstand. Die Überlegenheit in juristischen und stadtgeschichtlichen Belangen und die Androhung, das Patriziat vor der Bürgerschaft und dem Kaiser bloßzustellen, sowie die schützende Hand seines
Bruders, des Reichshofrats, bewahrten S. zunächst vor der Verurteilung.
Der Kleinkrieg zwischen Rat und Ratsherr hielt unvermindert an. Eine weitere Etappe war beispielsweise die von S. 1754 anonym veröffentlichte Druckschrift „Die Hirten-Stimme an E. Hoch-Edlen Rath Uber die bevorstehende Wahl”, mit der er die Kandidaten für einen vakanten Ratssitz diskreditierte. Der Rat ordnete seinerseits die Verbrennung der „Hirtenstimme” durch den Henker an. Der Bürgerausschuss löste mit einer Anfrage am 23.6.1761 die Wiederaufnahme des Falls Agricola und die Strafverfolgung S.s aus. In der Folge wurde S. entgegen dem üblichen Anciennitätsprinzip bei einer Schöffenwahl übergangen (6.7.1761) und bei vollen Bezügen vom Ratsherrenamt suspendiert (10.9.1761), wogegen er beim Kaiser Berufung einlegte.
Die Angelegenheit war noch nicht entschieden, da manövrierte sich S. 1769 mit zwei anonymen Druckschriften endgültig ins Aus. In einem Rechtsstreit zwischen dem Metzgerhandwerk und dem Rat um den „Metzgerbruch” stellte er die Behauptung auf, dass der ganze Grund und Boden in und um Ffm. kaiserliches Gut sei, das die Stadt widerrechtlich in Besitz genommen habe. In der zweiten Publikation, die einen Streit innerhalb des Schuhmacherhandwerks betraf, traktierte S. den Rat derartig mit Verleumdungen, dass er am 28.2.1769 zur Bürgermeister-Audienz vorgeladen wurde. Nachdem er sich freimütig als Autor der fraglichen Schriften zu erkennen gegeben hatte, wurde S. sofort festgenommen und im südwestlichen Eckzimmer des ersten Stockwerks der Hauptwache inhaftiert. Die Anklageschrift vom 25.8.1769 listete ein wahres Sündenregister auf (Vergewaltigung, Verletzung der territorialen Gerichtsbarkeit, willkürliche Festhaltung einer Person, Fälschung, Rechtsbeistand zweier gleichzeitig miteinander streitender Parteien, Majestätsbeleidigung, Verleumdung, Mordversuch, Aufruhr, Erpressung, Diebstahl, Veruntreuung öffentlicher Gelder) und forderte die Todesstrafe. Obschon sein
Bruder ein Jahr zuvor in Wien gestorben war, erhielt S. von dort Unterstützung. Joseph II. setzte am 14.11.1769 den Fürsten Karl von Nassau-Usingen als kaiserlichen Kommissar zur Untersuchung der Ffter Vorkommnisse ein. Das Verfahren wurde vom Rat und von S. bewusst verschleppt. 1775 starb der Kommissar, ein Nachfolger wurde nicht berufen.
Während der Haft schrieb S. sein an katholischen Interessen ausgerichtetes Hauptwerk „Anhang zu von Mosers Abhandlung von der Reichsstädtischen Regiments-Verfassung” (Ffm./Leipzig 1773). Er unterhielt heimlich Kontakt zu seinen Parteigängern und beriet Katholiken wie Reformierte bei Auseinandersetzungen mit dem Ffter Rat. Ohne dass ein Urteil gesprochen worden war, verstarb Johann Erasmus von S. am 21.6.1795 an Altersschwäche. Ein Drittel seines Lebens hatte er hinter Gittern verbracht und wurde so zu einem der prominentesten Häftlinge der Ffter Stadtgeschichte.
Frankfurter Biographie 2 (1996), S. 379-381,
(redigierte Onlinefassung für das Frankfurter Personenlexikon).