Sohn des Stadtarztes Johann Hartmann S. (1655-1730) und dessen Ehefrau Anna Margarethe, geb. Raumburger (1682-1740). Bruder von
Heinrich Christian und
Johann Erasmus (von) S.Schulausbildung am Gymnasium im ehemaligen Barfüßerkloster. Der große „Christenbrand” zerstörte 1719 das Elternhaus in der Hasengasse. Obwohl der Rat dem Gesuch des Vaters 1723 stattgab und das Medizinstudium S.s mit einem Stipendium förderte, verzögerte sich nach der Katastrophe von 1719 dessen Immatrikulation aus Geldmangel bis ins Jahr 1730. Die Wartezeit wurde mit einer Hospitation beim Solmsischen Leibarzt Reich, anatomischen und chirurgischen Studien bei den Ffter Stadtärzten Büttner und
Grambs sowie Unterweisungen in praktischer Heilkunde durch den Vater überbrückt. 1730 Student der Medizin in Halle und Beginn des Tagebuchs „Observationes in me ipso et aliis factae”. Die Verstrickung in theologische Auseinandersetzungen führte im Juli 1731 zum Abbruch des Studiums. Der Lutheraner S. war in jungen Jahren von dem Separatisten Johann Konrad Dippel (1673-1734) beeindruckt und stand mit Pietisten, Inspirationsgemeinden und Herrnhutern in Verbindung. Tief religiös, verzichtete er auf Kirchgang und Abendmahl und geriet so in den Ruf, ein Sonderling zu sein. Im April 1732 kehrte S. nach Ffm. zurück und begann, dank einer Ausnahmeregelung auch ohne Doktordiplom, als Arzt zu praktizieren. Trotz Spannungen zwischen ihm und seiner Mutter zog er wieder in das Elternhaus zu den drei kleinen Hasen. Mit Unterstützung des älteren
Bruders promovierte S. nach erheblichen psychischen Problemen 1737 in Göttingen über das botanische Thema „De Lilii convallium eiusque inprimis baccae viribus” (Über die Heilkraft der Beeren des Maiglöckchens) zum Doktor der Medizin. Die Heimatstadt erteilte ihm nun offiziell die Zulassung als Arzt. 1742 wurde S. zum Physicus extraordinarius, 1751 zum Landphysikus und 1755 zum Physicus ordinarius ernannt. Schon bald war er ein gefragter Arzt.
Neben den ärztlichen Einkünften bildete das Erbe der ersten Ehefrau die Grundlage seines Vermögens. Am 7.6.1742 hatte S. Johanna Rebecca Riese, die Tochter eines wohlhabenden Ffter Juweliers, geheiratet und kurz darauf, am 20.6.1742, den Bürgereid abgelegt. Nach der Geburt einer Tochter am 19.10.1743 verstarb Johanna Rebecca S. am Kindbettfieber (26.10.1743). Die Tochter überlebte die Mutter nur um zwei Jahre und starb am 17.7.1745 an einer Hirnhautentzündung. Wohl auch zur Versorgung des Kindes hatte S. nach Ablauf des Trauerjahrs am 14.12.1744 mit Katharina Rebecca Mettingh, der Tochter des isenburgischen Regierungsrats Johann Jakob Mettingh, zum zweiten Mal den Bund der Ehe geschlossen. Aber auch die zweite Gattin verstarb am 11.12.1747 an den Folgen einer Geburt. Der im Juni 1747 entbundene Sohn war schon mit dreieinhalb Monaten Anfang Oktober 1747 verschieden. Nach diesen traurigen Ereignissen wagte es S. am 8.7.1754 noch einmal, in den Stand der Ehe zu treten, und heiratete die Witwe des kurpfälzischen Rats Johann Christoph Ruprecht, Antonetta Elisabetha, geb. Bach. Beide Ehepartner bereuten schon bald diesen Schritt und lebten seit dem 3.6.1756 getrennt voneinander. S.s dritte Ehefrau starb am 13.9.1756, nachdem er sie als Arzt bis zuletzt behandelt hatte.
Gleich zu Beginn im Hauptstiftungsbrief vom 18.8.1763 nannte Johann Christian S. die schweren Schicksalsschläge, die „Ermangelung ehelicher Leibes-Erben” sowie die „Liebe zu meinem Vaterland” als Beweggründe, sein gesamtes Vermögen zur Hebung des Ffter Gesundheitswesens zu stiften. Unter dem 10.11.1746 notierte er im Tagebuch, dass er erstmals mit dem Kollegen Le Cerf über die Idee einer Stiftung gesprochen habe. Spätestens seit diesem Tag hatte sein Leben ein Ziel. Während Johann Christian S. mit dem älteren
Bruder in Wien über die juristische Absicherung der Stiftung korrespondierte, stand
Johann Erasmus S. dem Vorhaben reserviert gegenüber. Gemäß einer Zusatzverfügung vom 16.12.1765 gliederte sich die „Dr. S.ische Stiftung” in ein medizinisches Institut und ein „Bürger- und Beisassen-Hospital”. Zur Errichtung der Stiftungsgebäude erwarb S. am 1.2.1766 für 23.000 Gulden ein von Bleich- und Stiftstraße
[sic!] begrenztes Gelände am Eschenheimer Tor. Dass er sich zuerst den Forschungseinrichtungen widmete, begründete S. folgendermaßen: „Wenn der Tod mich überraschen sollte, ehe mein Werk vollendet ist, so wird das Krankenhaus nicht dabei leiden, desto eher aber möchte man vergessen, daß ich der Wissenschaft hier einen Tempel gründen wollte.” Die wissenschaftlichen Institute umfassten eine Anatomie, ein Chemielabor, einen botanischen Garten (hortus medicus) mit Gewächshaus, eine naturwissenschaftliche Bibliothek sowie eine Sammlung von Mineralien und Versteinerungen. S. verkaufte das ererbte Elternhaus in der Hasengasse und bezog 1768 das neu errichtete Stiftungshaus. Nach dem Willen des Stifters sollte sich in dem Gebäude später die Ffter Ärzteschaft (Collegium medicorum) jeden Monat einfinden, um über die Verbesserung des Medizinalwesens zu beraten. Am Stiftungsgebäude ließ S. eine Sonnenuhr mit der Inschrift „Me sol, vos umbra regit” (Mich leitet die Sonne, euch der Schatten) anbringen. Auf dem Dach der 1768 begonnenen Anatomie platzierte er sinnigerweise eine die Sense als Attribut in der Hand haltende Saturn-Statue.
Erst nach Fertigstellung dieses Ensembles wurde am 9.7.1771 der Grundstein für das Bürgerhospital gelegt. Den Gedanken, ein Drittel des 100.000 Gulden betragenden Stiftungskapitals für den Bau eines „Bürger- und Beisassen-Hospitals“ einzusetzen, hatte S. Anfang 1765 gefasst. Während sich das Hospital zum heiligen Geist um fremde Patienten kümmerte, bestand damals für einheimische Kranke ein empfindlicher Pflegenotstand. S. verfügte über die Konfessionsgrenzen hinweg, dass sowohl Lutheraner als auch Reformierte und Katholiken im Bürgerhospital Aufnahme finden sollten. Die Verwaltung des medizinischen Instituts übertrug S. den vier Stadtärzten. In Personalunion bildeten die vier Physici auch die noch um vier Ffter Bürger ergänzte Administration des Bürgerhospitals. Die Oberaufsicht über die „Dr. S.ische Stiftung” sollte jeweils der älteste Nachfahre seines Bruders
Heinrich Christian (von) S. ausüben. Falls dieser Familienzweig erlöschen sollte (was 1842 geschah), sollten die Dekane der juristischen und medizinischen Fakultät der Universität Gießen diese Aufgabe übernehmen. Vor den übergeordneten Testamentsvollstreckern sowie dem Stadtschultheißen, dem Senior der Bürgerrepräsentation und dem ersten Syndikus der Stadt hatten die Administratoren jährlich Rechenschaft abzulegen. Heute amtieren der Oberbürgermeister, der Stadtverordnetenvorsteher und der Stadtkämmerer sowie die Dekane der Fachbereiche Humanmedizin, Biologie und Rechtswissenschaft der Ffter Universität als Beirat.
Johann Christian S. hat die Eröffnung des Bürgerhospitals nicht mehr erlebt. Bei der Inspektion des gerade vollendeten Spitalturms stürzte er am 15.11.1772 vom Baugerüst in die Tiefe und brach sich dabei das Genick. Ausgerechnet die sterbliche Hülle des Stifters, der noch zu Lebzeiten eine Sektion des eigenen Leichnams untersagt hatte, wurde, da es sich um eine gewaltsame Todesursache handelte, am 17.11.1772 als erste in der Anatomie geöffnet. Tags darauf wurde S. im Botanischen Garten auf dem Gelände der Stiftung beigesetzt.
Drei zeitgenössische Ölporträts (von Friedrich Ludwig Hauck, 1748; von
Anton Wilhelm Tischbein, der das Anatomiegebäude als Hintergrund wählte, 1771; von demselben Künstler, 1772) sowie ein kurioses Wachsporträt (von dem Wachsbossierer Christian Benjamin Rauschner, 1772) im Besitz der Dr. S.ischen Stiftung. Marmorbüste (von
Friedrich Hausmann, 1899) im Besitz der Dr. S.ischen Stiftung.
S.s Nachruhm basiert auf den Stiftungen der Jahre 1763/65. Der Verkauf des Stiftungsareals am Eschenheimer Tor führte 1907 zur Verteilung der einzelnen Institute über das Stadtgebiet. Das Bürgerhospital bezog an der Nibelungenallee ein größeres Gebäude. Die Gebeine des Stifters wurden dorthin umgebettet und fanden an der Außenwand der Spitalskapelle eine neue Ruhestätte. Im Sitzungszimmer der Administration im Bürgerhospital wird in einem Schrein die Totenmaske S.s (von Christian Benjamin Rauschner, 1772) verwahrt. Der Botanische Garten wurde in die Nachbarschaft des Palmengartens verlegt, die Anatomie dem Städtischen Krankenhaus in Sachsenhausen angegliedert. Das „Dr. S.ische Anatomische Institut” der Universität Ffm. setzt die Tradition fort, befindet sich aber nicht mehr im Besitz der Stiftung. Die in den Etat der Stadt- und Universitätsbibliothek übernommene S.ische Bibliothek und das Naturmuseum S. fanden an der Viktoriaallee (heute: S.anlage) einen neuen Standort. Seit 2005 sind die Ffter Stadt- und Universitätsbibliothek und die S.ische Bibliothek zur „Universitätsbibliothek Johann Christian S.“ zusammengeschlossen. Auf Initiative der Stiftungsadministration entstand 1938 als Einrichtung der Ffter Universität das „S.ische Institut für Geschichte der Medizin”. Die S.-Nachfolgeinstitute für Pathologie, Anatomie, Botanik und Geschichte der Medizin an der Goethe-Universität werden noch heute von der „Dr. S.ischen Stiftung” finanziell unterstützt. Außerdem fördert die Stiftung das in S.s 300. Geburtsjahr 2007 eingerichtete „Dr. S.ische Institut für Neuroonkologie“ und das von ihr 2010 gestiftete „Dr. S.ische Chronomedizinische Institut SCI“, das erste chronomedizinische Institut in Deutschland. Die „S. Gesellschaft für Naturforschung“, von Ffter Bürgern 1817 gegründet als „S.ische Naturforschende Gesellschaft“ (bis 2008), verleiht u. a. die S.-Medaille in Eisen (seit 1917), Silber und Gold (seit 1992) für besondere Verdienste um ihre Organisation und Ziele.
Ein Teil des Nachlasses S.s, der dessen 53 Tagebücher (1730-72), über 600 Mappen mit weiteren Aufzeichnungen und Privatbibliothek umfasst, befindet sich als Depositum der Dr. S.ischen Stiftung im Archivzentrum der UB Ffm. In einem von der Dr. S.ischen Stiftung (2010-16) sowie der Stiftung Polytechnische Gesellschaft und der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung (2013-16) finanzierten Projekt wurden die Tagebücher digitalisiert, teilweise transkribiert und online publiziert.
Wohlfahrtsmarke der Deutschen Bundespost mit S.s Porträt in der Reihe „Helfer der Menschheit” (1953). Briefmarke der Deutschen Post zum 300. Geburtstag S.s (2007). Jubiläumsstele zum 250-jährigen Bestehen der Dr. S.ischen Stiftung (Design von Udo Wuttke, 2013) vor der Dr. S.ischen Pathologie auf dem Gelände der Universitätsklinik Ffm.
S.anlage am künftigen S.-Campus (auch: S.-Quartier) mit dem S.museum im Westend an der Grenze zu Bockenheim. S.turm, ein Bürohochhaus (von „Cyrus Moser Architekten”, 2019-21), auf dem Gelände des 2014 gesprengten AfE-Turms der Universität an der S.anlage/Robert-Mayer-Straße im Westend. „Dr. S.isches Stipendium zur Förderung des medizinisch-naturwissenschaftlichen Erfahrungsaustausches”, gegründet von der Dr. S.ischen Stiftung anlässlich ihres 225-jährigen Bestehens (1989).
2011 wurde ein Asteroid nach S. benannt.
Denkmalbüste (von
August von Nordheim, 1863) im Foyer des S.museums.
Frankfurter Biographie 2 (1996), S. 377-379,
(redigierte Onlinefassung für das Frankfurter Personenlexikon).