S. besuchte von 1863 bis 1866 die Berliner Akademie und setzte in den drei darauffolgenden Jahren seine Studien an der Kunstschule in Karlsruhe fort. Dort knüpfte er erste Kontakte zu
Hans Thoma. Zurück in Berlin, gewann S. 1871 den Michael-Beer-Preis für Historienmalerei, der ihm eine einjährige Italienreise ermöglichte. 1873 folgte er seinem Freund
Thoma nach München. Von 1875 bis 1876 lebte S. wieder in Berlin. Auf der Rückreise von einem Rügenaufenthalt machte er 1876 die Bekanntschaft des Ffter Architekten
Simon Ravenstein. Dieser schlug ihm vor, in Ffm. als Dekorationsmaler seiner im Westend entstehenden Bauten zu arbeiten – eine Tätigkeit, die seit kurzem auch
Hans Thoma für
Ravenstein ausübte. So kam S. 1876 nach Ffm. und bezog zunächst gemeinsam mit
Thoma Wohnung und Atelier in der Mainzer Landstraße. Die Wohngemeinschaft endete schon bald infolge von
Thomas Heirat. In diesen ersten Ffter Jahren verdiente S. seinen Lebensunterhalt als Porträt- und Dekorationsmaler. 1880 heiratete er seine langjährige Verlobte, die Berlinerin Ida Wöhler (1851-1923). Dem Ehepaar wurden die vier Töchter Marie (heiratete 1910 den Schriftsteller
Alfons Paquet), Luise, Rose und Ida-Luise sowie die beiden Söhne August und Wilhelm geboren. 1885 konnte S. ein von
Ravenstein erbautes Wohnhaus mit großem Atelier in der Wolfsgangstraße 152 erwerben. Dort wohnte er Wand an Wand mit seinem Freund
Hans Thoma bis zu dessen Wegzug nach Karlsruhe 1899.
Mittlerweile war S. ein recht anerkannter Künstler, der zahlreiche größere Aufträge erhielt. 1892 schuf er ein Wandgemälde (Kreuzigung Christi) im St. Theobaldi-Stift in Wernigerode, 1894 malte er die Grabkirche zu Ober-St.-Veit bei Wien aus („Die sieben Werke der Barmherzigkeit”), 1905 folgten Wandgemälde („Der gute Hirte” und „Der Herr des Weinbergs”) für die Hospitalkirche in Stuttgart. In Ffm. entstand von 1900 bis 1904 in der Aula des Kaiser-Friedrichs-Gymnasiums (heute: Heinrich-von-Gagern-Gymnasium) ein Zyklus von Wandgemälden, die das humanistische und das christliche Erziehungsideal versinnbildlichen. Von 1912 bis 1918 malte S. die Sachsenhäuser Lukaskirche mit Szenen aus dem Lukasevangelium aus (21 Gemälde auf Leinwand, die der Architektur eingefügt wurden).
S. gilt als wesentlicher Fortsetzer der deutschen christlichen Malerei in der Nachfolge der Nazarener. Sein Werk ist ungeheuer vielfältig, sowohl hinsichtlich der Technik als auch der Thematik. Mit gleicher Intensität wie der religiösen Malerei widmete sich S. der Porträtmalerei und der Landschaftsmalerei, zu der er auf ausgedehnten Reisen, vor allem in den Taunus und in den Hunsrück, seine Vorstudien sammelte. In fast all seinen Arbeiten tritt das melancholische, grüblerische Naturell des religiösen Künstlers S. zutage, sogar in seinen Kinderporträts. Während der NS-Zeit war S. verfemt, und seine Arbeiten wurden aus öffentlichen Sammlungen entfernt, da er eine jüdische Großmutter hatte.
Gemälde S.s in Ffm. u. a. im HMF, in der Städtischen Galerie und im Städel, das grafische Werk in einer beinah vollständigen Sammlung im Kupferstichkabinett des Städelschen Kunstinstituts. Die Wandmalereien S.s im Heinrich-von-Gagern-Gymnasium und die Fassadenmalerei an dem Haus Reuterweg 100 sind erhalten. Dagegen sind folgende baudekorative Arbeiten von S. heute verloren: Kolossalköpfe der sieben Planeten am Wohn- und Geschäftshaus „Zum Kaiser Karl“ (Architekt:
Simon Ravenstein, 1882; kriegszerstört), die – zusammen mit den von
Thoma geschaffenen Köpfen der sieben Todsünden – dem Haus den Namen „Fratzeneck“ einbrachten; Fassadenbilder bedeutender Persönlichkeiten aus der Ffter Geschichte am Wohn- und Geschäftshaus Bavaria (mit dem Café Bauer) an der Hauptwache/Ecke Schillerstraße (Architekt:
Simon Ravenstein, 1884; kriegszerstört 1944) u. a.
1906 Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät der Universität Halle.
Selbstbildnis (Öl auf Holz, 1877), Selbstbildnis in einem Doppelporträt mit seiner Frau Ida S. (Gouache auf Holz, 1897) und Selbstbildnis (Öl auf Holz, 1910; im Besitz der Adolf und Luisa Haeuser-Stiftung für Kunst- und Kulturpflege), alle im S.-Haus.
Nach S.s Tod wurde sein Erbe unter seinen sechs Kindern aufgeteilt. Die jüngsten, unverheirateten Töchter, Rose (1891-1983) und Ida-Luise (1893-1970), blieben im Elternhaus in der Wolfsgangstraße 152 wohnen, wo sie einen Teil des künstlerischen und schriftlichen Nachlasses als „S.-Archiv“ im ungeteilten Familienbesitz verwalteten. Um das Werk des Vaters auf Dauer zusammenzuhalten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, gründete Rose S. 1978 eine gemeinnützige Stiftung, in deren Besitz zunächst die beiden Anteile von ihr und ihrer verstorbenen Schwester Ida-Luise (also etwa ein Drittel) übergingen. Mit der Auflösung des ungeteilten Familienbesitzes nach Roses Tod 1983 kaufte die Stadt Ffm. die restlichen zwei Drittel des Hauses. Wichtige Stücke aus künstlerischen Nachlass erwarb zudem die Adolf und Luisa Haeuser-Stiftung für Kunst- und Kulturpflege, um sie dem S.-Haus als Dauerleihgaben zu überlassen. Unter der Trägerschaft der S.-Stiftung wurde das S.-Haus 1987 als Museum eröffnet. Dort ist u. a. S.s Atelier als das einzige original erhaltene Maleratelier aus dem 19. Jahrhundert in der Rhein-Main-Region zu besichtigen.
Grabstätte (mit einem Grabstein „Heimkehr des verlorenen Sohnes“ nach eigenem Entwurf von S.) auf dem Ffter Hauptfriedhof (Gewann E 577a).
2012 Retrospektive „Wilhelm S. Natur und Religion“ im Museum Giersch.
S.straße in Sachsenhausen.
Frankfurter Biographie 2 (1996), S. 424f.,
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