Sohn des Kaufmanns und Bankiers Jacob Eduard G. (1851-1925) und dessen Ehefrau
Fanny Auguste, geb. Hahn (1858-1923), die beide aus Ffm. stammten.
G. wurde in der elterlichen Wohnung in der Mainzer Landstraße 1 geboren. Nach dem Abitur am Lessing-Gymnasium in Ffm. (1900) studierte G. Medizin an den Universitäten Freiburg, Kiel, Berlin und München. In München schloss er sein Studium mit Staatsexamen und Approbation ab und promovierte er 1905 bei dem Pathologen Otto von Bollinger (1843-1909). Das Thema seiner Dissertation lautete: „Zur Kenntnis der Säuglingstuberculose“. Danach arbeitete G. in München u. a. als Volontär an der von Karl Posselt (1837-1916) geleiteten Hautklinik des Krankenhauses links der Isar. Anschließend verbrachte er einige Monate zur weiteren Ausbildung am Deutschen Krankenhaus in London. Seit 1906 war G. in Ffm. als Assistent am Pathologisch-anatomischen Institut der Dr. Senckenbergischen Stiftung unter der Leitung von
Eugen Albrecht tätig. Nach dessen frühem Tod 1908 verfasste G. einen Nachruf für die Deutsche Medizinische Wochenschrift. Er blieb als Stellvertreter von
Albrecht bis zum Winter 1908 in Ffm. und wechselte dann zu Ernst Friedberger (1875-1932), dem Leiter der Abteilung für experimentelle Therapie am Institut für Pharmakologie der Berliner Universität. Von 1910 bis 1913 war G. als Erster Assistent am Pathologischen Institut der Universität Genf bei Max Askanazy (1865-1940) beschäftigt.
Im Frühjahr 1913 kehrte G. an das Senckenbergische Pathologisch-anatomische Institut in Ffm. zurück, zu dessen Prosektor er ernannt worden war. An der neugegründeten Ffter Universität habilitierte er sich 1916. Seine Antrittsvorlesung hatte den Titel „Entwicklung der pathologisch-anatomischen Abbildung“. Von einer besonderen Habilitationsschrift wurde in Anbetracht der vorliegenden wissenschaftlichen Arbeiten G.s und der Kriegslage abgesehen. 1919 wirkte G. an dem von
Bernhard Fischer (später: Fischer-Wasels) herausgegebenen Lehrbuch „Der Sektionskurs“ mit, das als „Kurze Anleitung zur pathologisch-anatomischen Untersuchung menschlicher Leichen“ (mit anatomischen Zeichnungen von
Benno Elkan) konzipiert war. Im Jahr 1922 wurde G. zum nichtbeamteten außerordentlichen Professor für allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie ernannt. Zudem unterrichtete er für einige Jahre das Fach Gerichtsmedizin. G.s Kenntnisse in pathologischer Anatomie und sein Interesse an Medizingeschichte mündeten in die Herausgabe seines wohl bedeutendsten Werks, eines aufwendig gestalteten und reich bebilderten Buchs über die „Entwicklung und Bibliographie der pathologisch-anatomischen Abbildung“ (1925). Für das von seinen Ffter Kollegen
Albrecht Bethe, Gustav von Bergmann (1878-1955),
Gustav Embden und
Alexander Ellinger herausgegebene „Handbuch der normalen und pathologischen Physiologie“ verfasste G. mindestens zwei Beiträge.
Nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten musste sich G. für das anstehende Sommersemester 1933 von der Universität Ffm. beurlauben lassen. Im September 1933 wurde ihm aufgrund seiner jüdischen Herkunft nach Paragraph 3 des nationalsozialistischen „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ die Lehrbefugnis entzogen. Bereits im Juli 1933 war G. auch aus dem Mitteldeutschen Kunstgewerbe-Verein ausgetreten, dem er aufgrund seiner Interessen als Kunstsammler angehört hatte. Noch im Jahr 1933 emigrierte G., der in Ffm. in einem von seinem Vater um 1903 erworbenen Haus in der Mainzer Landstraße 2/Ecke Taunusanlage gewohnt hatte (lt. Adr. 1908-34), in die Schweiz. Dort erhielt er – durch Fürsprache des Internisten Louis Michaud (1880-1956) – einen Lehrauftrag für Geschichte der Medizin an der Universität Lausanne. Diesen Lehrauftrag übte er bis zu seiner Emeritierung 1955 aus. Er veröffentlichte in medizinhistorischen Fachzeitschriften und korrespondierte mit Fachkollegen in aller Welt.
G. starb mit 75 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts in Lausanne. Er wurde am 31.5.1957 auf dem Jüdischen Friedhof Rat-Beil-Straße in Ffm. bestattet (Urnenbeisetzung; Block 7, Familiengrabstätte L. A. Hahn). Der schottische Arzt Edgar Ashworth Underwood (1899-1980), Medizinhistoriker und langjähriger Direktor des britischen „Wellcome Institute for the History of Medicine”, schrieb in einem Nachruf auf G. im „British Medical Journal”: „At Lausanne he had a fine library, and his house was full of paintings and silver from his father’s great collection. Art, music, and history remained the great passions of his life to the end.” („In Lausanne hatte G. eine vorzügliche Bibliothek, und sein Haus war voller Gemälde und Silber aus der ausgezeichneten Sammlung seines Vaters. Kunst, Musik und Geschichte blieben bis zuletzt die großen Leidenschaften seines Lebens.“)
Weitere wissenschaftliche Veröffentlichungen (in Auswahl): „Physiognomik in der Pathologie“ (Aufsatz, 1925), „Größe und Gewicht des Herzens unter normalen und pathologischen Verhältnissen“ (in: Handbuch der normalen und pathologischen Physiologie 7.1, 1926), „Verhalten der Gefäße beim Tod. Orte des Blutes“ (in: Handbuch der normalen und pathologischen Physiologie 7.2, 1927), „Wachsplastik und ihre Museen“ (Aufsatz, 1951), „The Influence of the Social Environment on the Style of Pathological Illustration“ (Aufsatz, 1952), „Célébrités médicales” (Aufsatz, 1952).
Die umfassende Francofurtensien-Sammlung aus dem Nachlass, die der Vater aufgebaut und G. fortgesetzt hatte, wurde am 22.10.1958 durch das Antiquariat Menno Hertzberger in Amsterdam versteigert (vgl. Auktionskatalog mit 363 Nummern, vor allem Bilder, Grafiken und Pläne mit Ffter Stadtansichten, aber auch Porträts, Karikaturen und Kostümzeichnungen, meist aus dem 17. und 18. Jahrhundert).
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