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Goldschmid, Edgar

Edgar Goldschmid

Edgar Goldschmid
Reproduktion einer Porträtzeichnung von Julius Hülsen (1915; Original im Besitz des HMF, Inv.-Nr. C21515).
Bildquelle: Institut für Stadtgeschichte, Ffm. (Sign. S7P Nr. 5350).

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Goldschmid (eigentl.: Goldschmidt), Edgar Isak Robert. Prof. Dr. med. Pathologe und Medizinhistoriker. Kunstsammler. Diese Angaben konnten anhand von Dokumenten zweifelsfrei bestätigt werden.* 14.12.1881 Ffm., † 26.5.1957 Lausanne (Schweiz), bestattet in Ffm.
Sohn des Kaufmanns und Bankiers Jacob Eduard G. (1851-1925) und dessen Ehefrau Fanny Auguste, geb. Hahn (1858-1923), die beide aus Ffm. stammten.
G. wurde in der elterlichen Wohnung in der Mainzer Landstraße 1 geboren. Nach dem Abitur am Lessing-Gymnasium in Ffm. (1900) studierte G. Medizin an den Universitäten Freiburg, Kiel, Berlin und München. In München schloss er sein Studium mit Staatsexamen und Approbation ab und promovierte er 1905 bei dem Pathologen Otto von Bollinger (1843-1909). Das Thema seiner Dissertation lautete: „Zur Kenntnis der Säuglingstuberculose“. Danach arbeitete G. in München u. a. als Volontär an der von Karl Posselt (1837-1916) geleiteten Hautklinik des Krankenhauses links der Isar. Anschließend verbrachte er einige Monate zur weiteren Ausbildung am Deutschen Krankenhaus in London. Seit 1906 war G. in Ffm. als Assistent am Pathologisch-anatomischen Institut der Dr. Senckenbergischen Stiftung unter der Leitung von Eugen Albrecht tätig. Nach dessen frühem Tod 1908 verfasste G. einen Nachruf für die Deutsche Medizinische Wochenschrift. Er blieb als Stellvertreter von Albrecht bis zum Winter 1908 in Ffm. und wechselte dann zu Ernst Friedberger (1875-1932), dem Leiter der Abteilung für experimentelle Therapie am Institut für Pharmakologie der Berliner Universität. Von 1910 bis 1913 war G. als Erster Assistent am Pathologischen Institut der Universität Genf bei Max Askanazy (1865-1940) beschäftigt.
Im Frühjahr 1913 kehrte G. an das Senckenbergische Pathologisch-anatomische Institut in Ffm. zurück, zu dessen Prosektor er ernannt worden war. An der neugegründeten Ffter Universität habilitierte er sich 1916. Seine Antrittsvorlesung hatte den Titel „Entwicklung der pathologisch-anatomischen Abbildung“. Von einer besonderen Habilitationsschrift wurde in Anbetracht der vorliegenden wissenschaftlichen Arbeiten G.s und der Kriegslage abgesehen. 1919 wirkte G. an dem von Bernhard Fischer (später: Fischer-Wasels) herausgegebenen Lehrbuch „Der Sektionskurs“ mit, das als „Kurze Anleitung zur pathologisch-anatomischen Untersuchung menschlicher Leichen“ (mit anatomischen Zeichnungen von Benno Elkan) konzipiert war. Im Jahr 1922 wurde G. zum nichtbeamteten außerordentlichen Professor für allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie ernannt. Zudem unterrichtete er für einige Jahre das Fach Gerichtsmedizin. G.s Kenntnisse in pathologischer Anatomie und sein Interesse an Medizingeschichte mündeten in die Herausgabe seines wohl bedeutendsten Werks, eines aufwendig gestalteten und reich bebilderten Buchs über die „Entwicklung und Bibliographie der pathologisch-anatomischen Abbildung“ (1925). Für das von seinen Ffter Kollegen Albrecht Bethe, Gustav von Bergmann (1878-1955), Gustav Embden und Alexander Ellinger herausgegebene „Handbuch der normalen und pathologischen Physiologie“ verfasste G. mindestens zwei Beiträge.
Nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten musste sich G. für das anstehende Sommersemester 1933 von der Universität Ffm. beurlauben lassen. Im September 1933 wurde ihm aufgrund seiner jüdischen Herkunft nach Paragraph 3 des nationalsozialistischen „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ die Lehrbefugnis entzogen. Bereits im Juli 1933 war G. auch aus dem Mitteldeutschen Kunstgewerbe-Verein ausgetreten, dem er aufgrund seiner Interessen als Kunstsammler angehört hatte. Noch im Jahr 1933 emigrierte G., der in Ffm. in einem von seinem Vater um 1903 erworbenen Haus in der Mainzer Landstraße 2/Ecke Taunusanlage gewohnt hatte (lt. Adr. 1908-34), in die Schweiz. Dort erhielt er – durch Fürsprache des Internisten Louis Michaud (1880-1956) – einen Lehrauftrag für Geschichte der Medizin an der Universität Lausanne. Diesen Lehrauftrag übte er bis zu seiner Emeritierung 1955 aus. Er veröffentlichte in medizinhistorischen Fachzeitschriften und korrespondierte mit Fachkollegen in aller Welt.
G. starb mit 75 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts in Lausanne. Er wurde am 31.5.1957 auf dem Jüdischen Friedhof Rat-Beil-Straße in Ffm. bestattet (Urnenbeisetzung; Block 7, Familiengrabstätte L. A. Hahn). Der schottische Arzt Edgar Ashworth Underwood (1899-1980), Medizinhistoriker und langjähriger Direktor des britischen „Wellcome Institute for the History of Medicine”, schrieb in einem Nachruf auf G. im „British Medical Journal”: „At Lausanne he had a fine library, and his house was full of paintings and silver from his father’s great collection. Art, music, and history remained the great passions of his life to the end.” („In Lausanne hatte G. eine vorzügliche Bibliothek, und sein Haus war voller Gemälde und Silber aus der ausgezeichneten Sammlung seines Vaters. Kunst, Musik und Geschichte blieben bis zuletzt die großen Leidenschaften seines Lebens.“)
Weitere wissenschaftliche Veröffentlichungen (in Auswahl): „Physiognomik in der Pathologie“ (Aufsatz, 1925), „Größe und Gewicht des Herzens unter normalen und pathologischen Verhältnissen“ (in: Handbuch der normalen und pathologischen Physiologie 7.1, 1926), „Verhalten der Gefäße beim Tod. Orte des Blutes“ (in: Handbuch der normalen und pathologischen Physiologie 7.2, 1927), „Wachsplastik und ihre Museen“ (Aufsatz, 1951), „The Influence of the Social Environment on the Style of Pathological Illustration“ (Aufsatz, 1952), „Célébrités médicales” (Aufsatz, 1952).
Die umfassende Francofurtensien-Sammlung aus dem Nachlass, die der Vater aufgebaut und G. fortgesetzt hatte, wurde am 22.10.1958 durch das Antiquariat Menno Hertzberger in Amsterdam versteigert (vgl. Auktionskatalog mit 363 Nummern, vor allem Bilder, Grafiken und Pläne mit Ffter Stadtansichten, aber auch Porträts, Karikaturen und Kostümzeichnungen, meist aus dem 17. und 18. Jahrhundert).

Artikel aus: Frankfurter Personenlexikon, verfasst von Benjamin Kuntz.

Lexika: Bergmann, E. (Hg.): Ffter Gelehrten-Handbuch. Ffm. [1930].Bergmann: Ffter Gelehrten-Hdb. 1930, S. 60. | Bibliographie zur Geschichte der Ffter Juden 1781-1945. Hg. v. der Kommission zur Erforschung der Geschichte der Ffter Juden. Bearb. v. Hans-Otto Schembs mit Verwendung der Vorarbeiten von Ernst Loewy u. Rosel Andernacht. Ffm. 1978.Bibliogr. z. Gesch. d. Ffter Juden, S. 357, 467 (unter Goldschmidt). | Bonnet, Rudolf: Das Lessing-Gymnasium zu Ffm. Lehrer und Schüler 1897-1947. Ffm. 1954.Bonnet: Lessing-Gymnasium 1954, S. 34, Nr. 83. | Kallmorgen, Wilhelm: Siebenhundert Jahre Heilkunde in Ffm. Ffm. 1936. (Veröffentlichungen der Historischen Kommission der Stadt Ffm. XI).Kallmorgen, S. 280. | Walk, Joseph: Kurzbiographien zur Geschichte der Juden 1918-1945. München/New York/London/Paris 1988.Walk, S. 118.
Literatur:
                        
Arnsberg, Paul: Die Geschichte der Ffter Juden seit der Französischen Revolution. Hg. v. Kuratorium für Jüdische Geschichte e. V., Ffm. Bearb. u. vollendet durch Hans-Otto Schembs. 3 Bde. Darmstadt 1983.Arnsberg: Gesch. d. Ffter Juden 1983, Bd. III, S. 158f. | Bauer, Thomas: „Mit lebhaftem Bedauern und aufrichtigem Dank“. Der Mitteldeutsche Kunstgewerbe-Verein in der Zeit des Nationalsozialismus. Ffm. 2016.Bauer: Mitteldt. Kunstgewerbe-Verein in der Zeit d. NS 2016, S. 67. | Biermanns, Nico/Groß, Dominik: Pathologen als Verfolgte des Nationalsozialismus. 100 Portraits. Hg. im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Pathologie. Stuttgart [2022].Biermanns/Groß: Pathologen als Verfolgte d. Nationalsozialismus 2022, S. 63f. | British Medical Journal (BMJ). Bisher 8450 Nummern. London 1840-2024.Nachruf von Edgar Ashworth Underwood in: British Medical Journal 1957, Nr. 5033, S. 1478. | Die jüdischen Schüler und Lehrer am Lessing-Gymnasium 1897-1938. Dokumentation zur Ausstellung der Archiv-AG des Lessing-Gymnasiums Ffm. Begleitdokumentation erstellt von Flavio M. Mazzante. Ffm. 1998.Die jüd. Schüler u. Lehrer am Lessing-Gymnasium 1998, S. 67. | Dokumente zur Geschichte der Ffter Juden 1933-1945. Hg. v. der Kommission zur Erforschung der Geschichte der Ffter Juden. Ffm. 1963.Dok. z. Gesch. d. Ffter Juden 1963, S. 66f., 543. | Drexler, Siegmund/Kalinski, Siegmund/Mausbach, Hans: Ärztliches Schicksal unter der Verfolgung 1933-1945 in Ffm. und Offenbach. Eine Denkschrift. Ffm. 1990.Drexler/Kalinski/Mausbach: Ärztl. Schicksal 1990, S. 30. | Heuer, Renate/Wolf, Siegbert (Hg.): Die Juden der Ffter Universität. Mit einem Vorw. v. Notker Hammerstein. Unter Mitarbeit von Holger Kiehnel u. Barbara Seib. Ffm./New York 1997. (Campus Judaica 6).Heuer/Wolf (Hg.): Juden d. Ffter Univ. 1997, S. 120f. | Die Abiturienten des Lessing-Gymnasiums Ffm. von Ostern 1900. Zur 30jährigen Erinnerungsfeier, Ffm., 19. April 1930. Zusammengestellt von Adolf Kraetzer. Berlin 1930.Kraetzer (Hg.): Abiturienten d. Lessing-Gymnasiums 1930, S. 8. | Kuntz, Benjamin/Jenss, Harro: Ffter Charakterköpfe. Die Scherenschnitte der Rose Hölscher in 39 Biographien. Berlin/Leipzig 2023.Kuntz/Jenss: Ffter Charakterköpfe 2023, S. 78-81. | Schweizerische medizinische Wochenschrift (SMW) / Journal suisse de médecine / Swiss medical weekly. Jg. 1=50 bis 24=73 und 74-130. Basel 1920-2000. Fortgesetzt u. d. T.: Swiss medical weekly. Bisher Jg. 131-154. Basel 2001-2024.Nekrolog von Karl Reucker in: Schweizerische medizinische Wochenschrift 87 (1957), H. 31, S. 1028.
Quellen: Adressbuch der Stadt Ffm., 1832-2003.Adr. 1908, T. I, S. 120; 1913, T. I, S. 150; 1914, T. I, S. 156; 1933, T. I, S. 213; 1934, T. I, S. 205. | Hessisches Landesarchiv (HLA), Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden (HHStAW).HLA, Hess. Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Steuerakten, Best. 676 Nr. 4162 (Edgar Goldschmid, um 1930-41). | ISG, Bestand NS-Verfolgte (Best. A.54.03), 1945-58.ISG, NS-Verfolgte 1.983. | ISG, Personalakten der Stadtverwaltung (Best. A.11.02), ab ca. 1900.ISG, PA 11.740, 16.537, 24.467 u. 66.078. | ISG, Dokumentationsmappe in der Sammlung S2 (mit Kleinschriften, Zeitungsausschnitten und Nekrologen zu einzelnen Personen und Familien).ISG, S2/3.210. | Universitätsarchiv Ffm. (UAF), Archiv der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Ffm.Universitätsarchiv Ffm., Rektoratsakten, Best. 4 Nr. 1240. | Universitätsarchiv Ffm. (UAF), Archiv der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Ffm.Universitätsarchiv Ffm., Akten des Kurators: Personalhauptakten, Best. 14 Nr. 581.
Internet: Hessische Biografie, Kooperationsprojekt des Instituts für Personengeschichte in Bensheim und des Hessischen Instituts für Landesgeschichte in Marburg zur Erstellung einer umfassenden personengeschichtlichen Dokumentation des Landes Hessen. https://www.lagis-hessen.de/pnd/11754888XHess. Biografie, 1.12.2024. | Wikipedia, Die freie Enzyklopädie, Hg.: Wikimedia Foundation Inc., San Francisco/Kalifornien (USA). https://de.wikipedia.org/wiki/Edgar_GoldschmidWikipedia, 1.12.2024.

GND: 11754888X (Eintrag der Deutschen Nationalbibliothek).
© 2024 Frankfurter Bürgerstiftung und bei dem Autor/den Autoren
Empfohlene Zitierweise: Kuntz, Benjamin: Goldschmid, Edgar. In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), https://frankfurter-personenlexikon.de/node/6609

Stand des Artikels: 6.12.2024
Erstmals erschienen in Monatslieferung: 12.2024.