Wenige Wochen nach der erfolgreichen Uraufführung seiner Komödie „Der Revisor“ in St. Petersburg am 19.4.1836 (wahrscheinlich nach dem julianischen Kalender) floh G. aus Russland, um auf Reisen zu gehen. Mit der Fahrt ins Ausland wollte er nach eigener Aussage „etwas für seine Gesundheit tun, sich zerstreuen und ablenken“, um dann, wenn er „einen festen Aufenthaltsort gefunden habe“, seine „künftigen Arbeiten gründlich zu überdenken“: „Es wird Zeit, daß ich mit mehr Überlegung schaffe.“ (Zit. nach Keil: Nikolai W. Gogol 1985, 3. Aufl. 1998, S. 75.) Auf dem Weg nach Süden kam G. im Juli 1836 erstmals durch Ffm. In einem Brief an die Mutter vom 14.7.1836 pries der ukrainische Autor, der seine Werke in russischer Sprache schrieb, die Internationalität der Mainstadt: „Frankfurt wird das
deutsche Paris genannt. Es ist ebenso geräuschvoll und von Ausländern besucht, die von allen Enden der Welt, aus Paris, London, Petersburg, Italien usw. hier zusammenströmen. Die Stadt ist sehr schön gebaut, gemütlich, hell und auf allen Seiten von schönen großen Gärten umgeben.“ (Zit. nach Adolf Heß: Gogol in Fft. In: FZ, Nr. 228, 19.8.1910, Drittes Morgenblatt, S. 2.) Besonders erwähnte er die „vorzügliche Oper“ und das Ffter Orchester, das „als eines der ersten in ganz Europa“ gelte. (Zit. nach: ebd.)
In den folgenden zwölf Jahren seines Lebens auf Reisen, u. a. mit längeren Aufenthalten in Rom, machte G. noch mehrfach Station in Ffm.: im Spätsommer 1841, im Sommer 1843, im Frühjahr und von September bis mindestens zum Jahresende 1844, von März bis mindestens Mai 1845, im Frühsommer und im Oktober 1846 sowie im Frühsommer 1847. So war Ffm. auch für ihn, wie er einmal schrieb, „der Nabel Europas, wo alle Wege zusammentreffen, so dass kein Reisender an ihm vorbeikommt, wohin er auch fährt“. (Zit. nach Florian Balke: Der Nabel Europas. In: FAZ, 8.5.2012, S. 37.) Meist logierte G. im „Hotel de Russie“ (später: Hotel „Russischer Hof“) auf der Zeil oder im „Weißen Schwan“ im Steinweg; er nutzte die Zwischenstopps in der Stadt zu Treffen mit seinem Freund, dem russischen Lyriker und Übersetzer
Wassili Andrejewitsch Schukowski (1841), ließ sich von dem Hanauer Arzt Johann Heinrich Klopp (1777-1853) behandeln, dessen Patient auch
Schukowski war, und fuhr von Ffm. aus weiter in die Bäder der Umgebung (Hanau, 1841; Homburg v. d. H., 1845; Schwalbach, 1846).
Während seines längeren Ffter Aufenthalts vom Herbst 1844 bis Frühsommer 1845, unterbrochen von einer Parisreise im Januar/Februar 1845, wohnte G. bei
Schukowski und dessen Familie in „Salzwedelsgarten vor dem Schaumaintor“ in Sachsenhausen, also in jenem Landhaus am Schaumainkai, das der Apotheker
Peter Salzwedel 1802/04 errichtet hatte und das heute (infolge des Erwerbs durch Georg Friedrich Metzler 1851) als Villa Metzler bekannt ist. „Sie fragen, was ich in Frankfurt mache?“, schrieb G. in einem Brief am 24.12.1844. „Ich kann Ihnen nur sagen, daß ich garnicht bemerke, daß ich in Frankfurt wohne; ich lebe da, wo mir nahestehende Menschen leben, und lebe meistens bei der Arbeit, teils in Briefen, teils in innerer Arbeit an mir selbst.“ (Zit. nach Adolf Heß: Gogol in Fft. In: FZ, Nr. 228, 19.8.1910, Drittes Morgenblatt, S. 1.) Das hier ungenannte Werk, an dem er damals arbeitete, war der zweite Teil seines als Trilogie angelegten Romans „Die toten Seelen“, dessen erster Teil 1842 (dt. 1846) erschienen war. Über seine Eindrücke und das Leben in Ffm. berichtete G. in seinen Briefen an Mutter und Schwestern. Darin schilderte er auch Ereignisse wie das Hochwasser infolge der Schneeschmelze (28.3.1845), in dessen Folge „halb Frankfurt unter Wasser“ stand, die Straßen zu „Kanälen“ wurden und das Haus „wie mitten im Meer“ lag, weshalb er nicht ausgehen konnte (vgl. ebd., S. 2). Einmal erwähnte G., dass ihn in Ffm. „eine Menge verschiedener deutscher Gogols“ aufsuchte, tatsächlich Angehörige der Ffter Kaufmannsfamilie Gogel, die aufgrund der Namensähnlichkeit irrtümlich die an ihn adressierte Post erhalten hatten (14.12.1844).
In der Ffter Zeit durchlebte G. eine schwere gesundheitliche und künstlerische Krise. Im Herbst 1844 und erneut im Frühjahr 1845 verschlechterte sich sein Gesundheitszustand dramatisch. Als sein Herz- und Pulsschlag zeitweise aussetzten, verlangte er nach einem Priester, bei dessen Eintreffen aus Wiesbaden er sich jedoch wieder erholt hatte. Im Juli 1845, bald nach seiner Abreise aus Ffm., verbrannte G. eine Fassung des zweiten Teils von „Die toten Seelen“. Stattdessen griff er zunächst den in Ffm. entstandenen Plan eines Briefbands auf; das Buch, „sein bedauerlichstes Werk“ (Florian Balke), erschien 1847 (dt. 1913/14) unter dem Titel „Ausgewählte Stellen aus dem Briefwechsel mit Freunden“ und fügte der Reputation des Verfassers schweren Schaden zu. Weiterhin, auch nach seiner Rückkehr nach Russland 1848, arbeitete G. am zweiten Teil von „Die toten Seelen“, den er zu Jahresbeginn 1852 fertiggestellt hatte. Im Februar 1852, wenige Tage vor seinem Tod, verbrannte er erneut das Manuskript, so dass nur Bruchstücke des zweiten Teils überliefert sind. Seit Erscheinen seiner gesammelten „Werke“ (1843) hatte der Autor keine seiner literarischen Arbeiten mehr gelten lassen und veröffentlicht. Sein von ihm anerkanntes und deshalb überliefertes Werk aber zählt zur Weltliteratur.
Gedenktafel (2012) an der heute zum Museum Angewandte Kunst gehörenden Villa Metzler zur Erinnerung an den Aufenthalt G.s und
Schukowskis in Ffm.
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Frankfurter Biographie 1 (1994), S. 269,
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