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Schukowski, Wassili Andrejewitsch

Wassili Andrejewitsch Schukowski

Wassili Andrejewitsch Schukowski
Lithografie von Eduard Meyer nach einer Zeichnung von Franz Krüger (um 1840).

© Gleimhaus – Museum der deutschen Aufklärung, Halberstadt.
Schukowski (auch: Žukovskij, Joukoffsky u. ä.), Wassili Andrejewitsch. Dichter und Übersetzer. * 9.2.1783 Gut Mischenskoje bei Tula/Zentralrussland, † 24.4.1852 Baden-Baden, bestattet auf dem Friedhof des Alexander-Newski-Klosters in St. Petersburg.
Sch., uneheliches Kind des Gutsbesitzers Athanasius Ivanovich Bunin (1716-1791) und einer türkischen Leibeigenen, wurde von seinem Paten Andrew G. Schukowski († 1817) adoptiert. In Moskau, wo er von 1797 bis 1800 dem Adelspensionat der Universität angehörte, machte er die für ihn prägende Bekanntschaft des Schriftstellers und Historikers Nikolai Michailowitsch Karamsin (1766-1826). Erste Veröffentlichungen in der Zeitschrift „Europäischer Bote“, die von Karamsin herausgegeben und später (1808) von Sch. übernommen wurde. Aufgrund seiner literarischen Arbeiten, aber auch seiner zahlreichen Übersetzungen und Nachdichtungen von Werken der europäischen Literatur gilt Sch. als der „Vater der russischen Romantik“. An deren Beginn stehen seine freie Übersetzung von Thomas Grays „Elegy Written in a Country Church Yard“ (1802) sowie seine Balladen „Ljudmila“ (1808) und „Swetlana“ (1813), zwei Nachdichtungen von Gottfried August Bürgers „Lenore“.
Von 1812 bis 1813 nahm Sch. an den Feldzügen gegen Napoleon teil. Die Veröffentlichung patriotischer Werke, u. a. der Gedichte „Der Sänger im russischen Kriegslager“ und „Gott, schütze den Zaren“ (das in der Vertonung von Alexei Fjodorowitsch Lwow später als Hymne des zaristischen Russlands diente, 1833-1917), lenkte die Aufmerksamkeit des Hofs auf den Dichter. Er trat 1815 in den Dienst des Zarenhofs und war u. a. Vorleser der Zarenmutter, Russischlehrer der Prinzessin Charlotte von Preußen (als Zarin: Alexandra Fjodorowna, 1798-1860), die 1817 den späteren Zaren Nikolaus I. (1796-1855) geheiratet hatte, und seit 1826 Erzieher des Zarewitsch, des späteren Zaren Alexander II. (1818-1881). Seine Stellung nutzte Sch. auch, um sich für befreundete Schriftsteller einzusetzen, wie für Alexander Puschkin (1799-1837), zu dessen wichtigsten Förderern er gehörte.
Besonderes Interesse entwickelte Sch. für die deutschsprachige Literatur und Kultur. Er übersetzte Werke von Schiller, Goethe, Rückert, Kotzebue, Hebel, Uhland, Herder und de la Motte-Fouqué ins Russische. Ziel seiner gerühmten Lyrik-Übersetzungen war es, „keine genaue Reproduktion des Urtextes, sondern die Wiedererschaffung des ästhetischen ,Ideals’“ zu erreichen [Levin/Svijasov: Russische Übersetzungsliteratur (...), in: Kittel u. a. (Hg.): Übersetzung, Translation, Traduction 3 (2011), S. 2074]. Auf einer Reise nach Deutschland traf Sch. 1820 zahlreiche Vertreter der Romantik, etwa E. T. A Hoffmann, Jean Paul und Bettine von Arnim, persönlich. Daneben förderte er den Maler Caspar David Friedrich, den er in seinem Atelier in Dresden besuchte; er vermittelte dessen Werke nach Russland und erwarb selbst zahlreiche Stücke. 1821 bereiste er die Schweiz und fuhr in den kommenden Jahren mehrmals nach Weimar, dessen Erbgroßherzog Carl Friedrich (1783-1853) seit 1804 mit der russischen Großfürstin Maria Pawlowna (1786-1859), der Schwester des russischen Zaren Alexander I. (1777-1825), verheiratet war. In Weimar machte Sch. auch die Bekanntschaft mit Johann Wolfgang von Goethe, den er – von dessen Werken und Persönlichkeit nachhaltig beeindruckt – in den folgenden Jahren mehrmals besuchte. 1827 verfasste Sch. eine Ode („Dem guten großen Manne“) auf den Dichter. Im selben Jahr kam er nach Ffm. und besichtigte hier das Goethehaus.
1841 heiratete Sch. Elisabeth von Reutern (1821-1856), die älteste Tochter des Malers Gerhardt von Reutern (1794-1865), und schied aus dem aktiven Hofdienst aus; künftig erhielt er eine jährliche Rente von 8.000 Talern. Zunächst ließ er sich bei seinen Schwiegereltern in Düsseldorf nieder, siedelte aber 1844 nach Ffm. über. Dort wohnte er in dem Haus am Schaumainkai 15, das der Apotheker Peter Salzwedel 1802/04 errichtet hatte und das heute (infolge des Erwerbs durch Georg Friedrich Metzler 1851) als Villa Metzler bekannt ist. Der Umzug nach Ffm. war auch von dem Wunsch Sch.s motiviert, sich hier in die Behandlung des Hanauer Arztes Dr. Johann Heinrich Klopp (1777-1853) zu begeben, um seine zahlreichen körperlichen Beschwerden zu lindern. Klopp, Leibarzt des hessischen Kurfürsten und Mitbegründer der Wetterauischen Gesellschaft für Naturforschung in Hanau, verordnete Sch. und dessen Frau wiederholt längere Kuraufenthalte, etwa in Bad Schwalbach und Bad Ems, und verschrieb dem Dichter, in Anlehnung an Hahnemanns homöopathische Lehre, Eisenpillen und regelmäßige Bewegung.
Sch.s Absicht, nach einigen Jahren wieder nach Russland zurückzukehren, scheiterte auch an der zunehmenden Verschlechterung des Gesundheitszustands seiner Frau, die 1842 die Tochter Alexandra und 1845 – in Ffm. – den Sohn Paul geboren hatte. Sch. verfasste 1847 sein Testament und übergab ein Exemplar der Stadtkanzlei in Ffm. Doch bewirkten die Kuren und der Aufenthalt in Ffm. eine allgemeine Verbesserung seines Zustands, so dass er an der begonnenen Übersetzung von Homers „Odyssee“ ins Russische fortfahren konnte, deren größter Teil in Ffm. entstand. Als Vorlage diente ihm eine Interlinear-Übersetzung, die der Düsseldorfer Philologe und Gymnasiallehrer Karl Grashof (1799-1874) aus dem Altgriechischen anfertigt hatte und in der jedem griechischen Wort eine deutsche Bedeutung zugestellt ist.
Sch. führte in Ffm. ein offenes Haus. Zu den zahlreichen Besuchern und Gästen gehörte der Freund und Schriftstellerkollege Nikolai Gogol, der ab 1844 für einige Monate im zweiten Stock des Hauses Quartier fand, um dort an der Fortsetzung seines Romans „Die toten Seelen“ zu arbeiten, und dem Sch. Auszüge der Übersetzung der „Odyssee“ vortrug. Auch Joseph von Radowitz (1797-1853), der spätere preußische Außenminister und damalige preußische Militärbevollmächtigte am Deutschen Bundestag in Ffm., gehörte zu den Bekannten Sch.s, der über Radowitz eine biographische Skizze verfasste. Der Schwiegervater Gerhardt von Reutern zog schließlich nach Ffm. und nutzte Räume im Salzwedel’schen Haus als Atelier.
Die Revolution von 1848 und die Tatsache, dass Ffm. zum Sitz der Nationalversammlung auserkoren wurde, bestärkten in Sch. den Wunsch, die Stadt zu verlassen. Aufgrund seiner konservativ-christlichen Einstellung sah er die revolutionären Ereignisse mit tiefem Abscheu. Dabei befürwortete Sch. durchaus gesellschaftliche Reformen, allerdings auf dem Boden der historischen Ordnung; diese Auffassung soll er auch seinem Zögling und späteren Zaren Alexander II. vermittelt haben, der während seiner Regentschaft die Leibeigenschaft in Russland abschaffte.
Die ersehnte Rückkehr nach Russland schob Sch. 1848 allerdings wegen einer dort grassierenden Cholera-Epidemie auf. Er wählte Baden-Baden als Wohnort, wo er mit kurzen Unterbrechungen (u. a. durch einen Aufenthalt in der Schweiz auf der Flucht vor den Folgen der Revolution im Sommer 1849) den Rest seines Lebens verbrachte.
Sch.s Witwe Elisabeth zog nach St. Petersburg, wo ihr Mann auch begraben wurde. Aus einer illegitimen Beziehung der Tochter Alexandra Wassiljewna Schukowskaja [später (seit 1875) verh. von Wöhrmann, 1842-1899], Hofdame in St. Petersburg, mit dem Großfürsten Alexei Alexandrowitsch (1850-1908), dem vierten Sohn des Zaren Alexander II., entsprang der Sohn Alexei (1871-1931), den Zar Alexander III. später zum Grafen Belewski(-Schukowski) erhob. Der Sohn Paul Wassiljewitsch Sch. [auch: von Joukowsky u. ä., 1845-1912] war als Bühnenbildner und Schriftsteller tätig. Er lernte in Neapel 1880 Richard und Cosima Wagner kennen und entwarf Szenenbilder und Kostüme für die Uraufführung des „Parsifal“ (1882).
Gedenktafel (2012) an der heute zum Museum Angewandte Kunst gehörenden Villa Metzler zur Erinnerung an den Aufenthalt Sch.s und Gogols in Ffm.

Artikel aus: Frankfurter Personenlexikon, verfasst von Sebastian Martius.

Lexika: Brandt, Robert/Chotjewitz-Häfner, Renate: Literarisches Fft. Schriftsteller, Gelehrte und Verleger – Wohnorte, Wirken und Werke. (Der Dichter und Denker Stadtplan.) Jena/Berlin 1999. (Literarische Stadtpläne).Lit. Ffm., Nr. 49. | Richel, Arthur: Katalog der Abteilung Fft. [der Ffter Stadtbibliothek]. Bd. 2: Literatur zur Familien- und Personengeschichte. Ffm. 1929.Richel, S. 286 (unter Joukoffsky).
Literatur:
                        
Das Museum. Belletristisches Beiblatt zur „Ffter Presse“. Ffm. 1871-80.Das Museum 1871, Nr. 278 u. 280, o. S. | Ffter Museum. Süddeutsche Wochenschrift für Kunst, Literatur und öffentliches Leben. 5 + 1 Jahrgänge. Ffm. 1855-59, 1861.Ffter Museum 2 (1856), S. 214. | Kahlenborn, Ulrike: Goethes Lyrik in russischer Übersetzung. V. A. Zukovskij und F. I. Tjutcev als bedeutendste Goethe-Übersetzer der russischen Romantik. München 1985. (Slavistische Beiträge 185).Kahlenborn: Goethes Lyrik in russischer Übersetzung 1985, S. 46-62. | Kittel, Harald u. a. (Hg.): Übersetzung, Translation, Traduction. Ein internationales Handbuch zur Übersetzungsforschung. 3 Teilbände. Berlin 2004-11.Levin, Jurij Davidovč/Svijasov, E. V.: Russische Übersetzungsliteratur des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts: Theorie und Praxis. In: Kittel u. a. (Hg.): Übersetzung, Translation, Traduction 3 (2011), S. 2074-2081. | Seidlitz, Carl von: Wasily Andrejewitsch Joukoffsky. Ein russisches Dichterleben. 2. Aufl. Mittau 1872.Seidlitz: Wasily Andrejewitsch Joukoffsky 1872, S. 3-13, 18, 28, 56-60, 108, 129, 163-168, 187-214.
Quellen: Ffter Allgemeine Zeitung. Ffm. 1949-heute.Balke, Florian: Der Nabel Europas. Fft. erinnert an Wassili Schukowski und Nikolai Gogol (...). In: FAZ, 8.5.2012, S. 37. | ISG, Dokumentationsmappe in der Sammlung S2 (mit Kleinschriften, Zeitungsausschnitten und Nekrologen zu einzelnen Personen und Familien).ISG, S2/11.651 u. 18.976.
Internet: Historisches Lexikon der Schweiz, Bern. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D41483.phpHist. Lex. d. Schweiz, 9.2.2018. | Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. https://de.wikipedia.org/wiki/Wassili_Andrejewitsch_SchukowskiWikipedia, 9.2.2018.

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Empfohlene Zitierweise: Martius, Sebastian: Schukowski, Wassili Andrejewitsch. In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), https://frankfurter-personenlexikon.de/node/4577

Stand des Artikels: 10.2.2018
Erstmals erschienen in Monatslieferung: 02.2018.