Sohn eines Mechanikers und späteren Maschinenfabrikanten.
Besuch der Realschule in Darmstadt. Seit 1869 Lehre in einer Eisenwaren- und Maschinenhandlung in Ffm. Seit 1872 Ingenieurstudium an der TH Darmstadt. Kaufmännisch-technische Tätigkeit in einem Walzwerk im Siegerland, seit 1875 bei dem Maschinenimporthaus Biernatzki & Co. in Hamburg. Während eines Aufenthalts in den USA wurde K. 1879 durch den Besuch eines Hochradrennens in Boston dazu angeregt, die Einführung des Fahrrads in Deutschland zu fördern. Die Bedeutung des Fahrrads als Massenverkehrsmittel erkennend, eröffnete er am 1.3.1880 in Ffm. eine „Maschinen- und Velocipedhandlung“, die zunächst im ersten Stock des Hauses Bethmannstraße 8 ansässig war und aus England importierte Räder (u. a. der Marke „Herold“) verkaufte. Bereits 1881 beauftragte er die Maschinenfabrik Spohr & Krämer in Ffm., Fahrräder (und zwar zunächst Hoch- und Dreiräder) nach seinen Angaben zu fertigen. Er kann damit als Begründer der deutschen Fahrradindustrie gelten. Im Interesse einer Einführung „seines“ Produkts auf dem deutschen Markt setzte sich K. auch für die Etablierung des Radsports in Deutschland ein. Er trat selbst erfolgreich in Radrennen an und gründete 1881 den „1. Ffter Bicycle Club“ (FBC), den zweitältesten deutschen Fahrradclub, und die „Deutsche Bicycle-Union“, den Vorläufer des „Bunds Deutscher Radfahrer“, mit.
Um mit seiner eigenen Firma in die Fahrradproduktion einsteigen zu können, ließ K. ein Geschäftshaus in der Gutleutstraße 9 (Architekt:
Heinrich Theodor Schmidt, 1885-86; kriegszerstört) errichten, das neunstöckige „Fahrradhaus“, in dem es neben Verkaufs-, Büro- und Montageräumen auch eine Schul- und Schauradfahrbahn (im Dachgeschoss) gab; in dessen Nachbarschaft eröffnete er zudem ein „Velodrom“, einen teilweise überdachten Übungs- und Vergnügungsplatz für das fahrradfahrende wie -interessierte Publikum. 1886 begann K., unter Trennung von seiner bisherigen Partnerfirma Spohr & Krämer, mit der eigenen Fahrradproduktion. In jenem Jahr kam sein erstes Niederrad unter dem Namen „Adler“ auf den Markt, der fortan die Markenbezeichnung aller Artikel K.s wurde. Während der Werbeslogan „Radler, fahr Adler!“ beim breiten Publikum rasch wirkte, reagierten die Behörden noch lange mit Vorbehalten und Verboten auf das neue Verkehrsmittel; erst als K. die Einführung des Fahrrads beim preußischen Heer erreichte (und dort selbst die Ausbildung der Soldaten im Radfahren übernahm), gab auch die Obrigkeit allmählich ihre Widerstände gegen das Radfahren auf.
Für die rasch expandierende Herstellung erwarb K. 1887 ein größeres Gelände an der Höchster Straße (der heutigen K.straße) im neu ausgewiesenen Fabrikviertel vor der Galluswarte. Seit 1889 produzierte das Unternehmen mit 600 Beschäftigten in dem dort neu errichteten Werk. Als erster in Deutschland stattete K. seine Fahrräder mit Luftreifen nach Dunlop aus und gründete 1893 die später in Hanau ansässige „Dunlop Pneumatic Tyre Comp. GmbH“ mit. Seit 1894 stellte K.s Fabrik im Gallusviertel keine Hochräder mehr her, sondern nur noch Niederräder mit Polygonrahmen, Transport-Dreiräder und Damenfahrräder.
Der Größe seines Unternehmens Rechnung tragend, wandelte K. die Firma 1895 in eine Aktiengesellschaft um („Adler Fahrradwerke vorm. Heinrich Kleyer AG“, ab 1907 „Adlerwerke vorm. Heinrich Kleyer AG“), die er künftig als Generaldirektor leitete. 1898 wurde in den Adlerwerken das 100.000. Fahrrad produziert. Im selben Jahr begann K. als erster in Deutschland mit der serienmäßigen Produktion von Schreibmaschinen. Bereits 1896 hatte er die Herstellungsrechte für die „Empire“-Schreibmaschine des Amerikaners Wellington Parker Kidder gekauft und diese seitdem weiterentwickelt, um 1898 die erste in den Adlerwerken produzierte „Empire“ auf den Markt zu bringen. 1901 folgte eine – nun wie die Fahrräder „Adler“ genannte – Schreibmaschine, die erste deutsche Schreibmaschine von Bedeutung. K. war damit die Einführung eines weiteren Massenartikels in Deutschland gelungen. 1913 hatten die Adlerwerke mit ihrer dreireihigen Kleinschreibmaschine mit Stoßstangen einen weiteren großen Erfolg in der Büromaschinenbranche.
Seit 1897/98 baute „Adler“ auch Motorräder. Das erste Benzin-Motor-Dreirad wurde 1899 vorgestellt; seit 1902 wurden in den Adlerwerken nur noch Motorzweiräder produziert (bis 1908). Seit der Präsentation des ersten Adler-Motorwagens auf der Ffter Automobilklub-Ausstellung 1900 betrieb K. zudem den Automobilbau, seit 1903/04 mit eigenen Motoren; auf der Internationalen Luftschiffahrt-Ausstellung 1909 wurden auch Prototypen von Luftschiffmotoren vorgestellt. Mit dem stetig vergrößerten Ffter Stammwerk, das sich nach mehreren Erweiterungsbauten (1896-1913) als monumentale Fabrikanlage mit zinnenbewehrten Türmen weithin zeigte, sowie zahlreichen Zweigwerken und Niederlassungen im In- und Ausland waren die Adlerwerke vor dem Ersten Weltkrieg zur Weltfirma aufgestiegen. Im Jahr 1914, als das Unternehmen rd. 7.000 Mitarbeiter beschäftigte, stammten 20 Prozent der in Deutschland zugelassenen Personenwagen von der Marke „Adler“. Während des Ersten Weltkriegs profitierte K. u. a. durch die Lieferung von Spezialwagen und -erzeugnissen an die Heeresverwaltung, und es wurde das 500.000. Fahrrad produziert. Um 1920 hatten die Adlerwerke rund 10.000 Beschäftigte an ihrem Ffter Stammsitz und in zehn Zweigwerken (in Breslau, Hamburg, Berlin, Leipzig, München, Hannover, Karlsruhe, Nürnberg, Königsberg und Stuttgart); die Ausdehnung der Ffter Fabrikationsanlagen konnte durch Übernahme der früheren Betriebsgebäude der Felten & Guilleaume Lahmeyer-Werke AG 1922 fast verdoppelt werden.
Angesichts der Wirtschaftskrisen der Zwanzigerjahre setzte K., zuletzt als Aufsichtsratsvorsitzender des Unternehmens, verstärkt auf den Automobilbau. In dieser Branche kam der Durchbruch für die Adlerwerke 1926, als der Fahrzeugbau auf Großserie umgestellt wurde, so dass pro Tag 60 Adlerwagen gefertigt werden konnten. Die neuen Personenwagentypen mit Vier- und Sechs-Zylinder-Motoren waren dennoch ständig ausverkauft. Seit 1927 arbeitete K. mit dem amerikanischen Karosseriewerk Ambi-Budd in Berlin-Johannisthal zusammen, von dem fortan alle Ganzstahl-Karosserien bezogen wurden. Im März 1932 erlebte K. noch das Debüt des „Adler Trumpf“ im Genfer Salon, des ersten Adlerwagens mit Frontantrieb und Schwingachsen.
Als soziale Leistungen für seine Beschäftigten schuf K. eine Betriebskrankenkasse und verschiedene Unterstützungsfonds, u. a. für Familien von Kriegsteilnehmern und -gefallenen; er ließ eine Kantine und Erholungsräume in der Fabrik einrichten und Arbeiterwohnhäuser bauen.
Mitglied in zahlreichen Aufsichtsräten, u. a. der Darmstädter Bank, der Köln-Ffter Versicherungs-AG und der Ffter Wohnungs-AG „Frankenallee“.
Träger einiger Orden, u. a. des Preußischen Adlerordens und des Kriegsverdienstkreuzes. 1930 Ehrenbürger der Ffter Universität.
Karikiert von
Lino Salini.
Villa K., repräsentatives Wohnhaus im Stil des Neobarock (Architekt:
Heinrich Theodor Schmidt, 1892), am Wiesenhüttenplatz 33 (erhalten, allerdings mit vereinfachtem Dachaufbau). Familiengrabstätte auf dem Ffter Hauptfriedhof (Gewann II 191).
Bei den Adlerwerken wurden die Automobilherstellung nach 1945 nicht wieder aufgenommen und die Fahrradproduktion 1954 eingestellt, während die erst Ende der Vierzigerjahre wiederbegonnene Motorradproduktion in den Fünfzigerjahren zunächst eine neue Blüte erlebte. Seit der Übernahme durch Grundig und den Zusammenschluss mit „Triumph“ 1957/58 konzentrierte sich das Unternehmen ganz auf die Herstellung und den Vertrieb von Büromaschinen. Mit dem Sieg des Computers in der modernen Bürotechnik gab die 1986 von dem italienischen Büromaschinenhersteller Olivetti übernommene „TA Triumph-Adler AG“ den traditionsreichen Standort im Gallusviertel 1992 auf. Die Schreibmaschinenherstellung wurde zunächst, in stark verkleinertem Umfang, im Stadtteil Griesheim fortgesetzt; 1998 wurde der Betrieb geschlossen und damit die Produktion in Ffm. beendet. Bereits 1993 hatte Olivetti die weiterhin börsennotierten Adlerwerke mit dem historischen Werksgelände in Ffm. an den Immobilieninvestor Roland Ernst und den Baukonzern Philipp Holzmann verkauft. Nach der Übernahme der Aktien durch die HBAG Real Estate 1999 firmierten die Adlerwerke in das an der Ffter Börse notierte Immobilienunternehmen „Adler Real Estate AG“ um, während die ehemaligen Werksgebäude im Gallusviertel zuvor separat veräußert worden waren. Teile des ursprünglichen Gebäudekomplexes, noch immer mit dem Schriftzug „Adlerwerke“, sind erhalten.
Firmenarchiv der Adlerwerke vorm. Heinrich Kleyer AG und der TA Triumph Adler AG im ISG.
K.straße am ehemaligen Sitz der Adlerwerke im Gallusviertel. K.quartier, eine Wohnsiedlung (seit 2013 in Planung) auf dem früheren Firmengelände des auf den
Fuldkonzern zurückgehenden Telekommunikationsunternehmens Avaya, im Gallusviertel. Heinrich-K.-Schule, eine berufliche Schule für Metalltechnik, Mechatronik, Fahrzeugtechnik und Augenoptik, im Nordend.
Frankfurter Biographie 1 (1994), S. 398f.,
).