Familie schwedischer Herkunft. Der Urgroßvater Christoffer Björkman (1650-1729) kam als Sekretär des schwedischen Residenten beim Schwäbischen und Oberrheinischen Kreis 1672 nach Ffm. und stieg später (1689) selbst zum schwedischen Residenten beim Oberrheinischen und Fränkischen Kreis in Ffm. auf; zudem wurde er Regierungsrat des (damals in Personalunion mit Schweden verbundenen) Herzogtums Pfalz-Zweibrücken (seit 1694). Er wurde 1691 geadelt mit dem Familiennamen Adlerflycht (d. i. Adlerflug; als sprechender Name in der Bedeutung von „guter, kraftvoller Flug“) und erhielt 1727 das Ffter Bürgerrecht.
Justinian von A. war ein Sohn von Johann Christoph von A. (1729-1786) und dessen Ehefrau Susanna Maria, geb. von Günderrode (1729-1796). Der Vater erwarb beträchtlichen Grundbesitz in Ffm. und Umgebung, wurde 1755 in die Ganerbschaft des Hauses Alten-Limpurg aufgenommen, gehörte seit 1766 dem Rat der Stadt an und war seit 1771 Schöff sowie 1783 und 1785 Älterer Bürgermeister.
Jurastudium in Leipzig (seit 1779) und Göttingen (seit 1781). Praktikant am Reichskammergericht. Regierungsassessor in Homburg, dann in Hanau. Seit 19.1.1787 Ffter Bürger. Von 1797 bis 1806 Landgräflich Hessen-Kasselischer (bzw. seit 1803: Kurhessischer) Geheimer Legationsrat und Gesandter am Kurrheinischen und Oberrheinischen Kreis mit Sitz in Ffm. Verlust dieses Postens infolge der französischen Besetzung und der Aufhebung der Reichsverfassung. Unter Dalberg war A. als Angehöriger der Ganerbschaft Alten-Limpurg im Oberappellationsgericht des Großherzogtums Fft. vertreten (ab 1808). In freistädtischer Zeit war er Stadtgerichtsvizedirektor (1817-24 und 1828/29) und Kuratelgerichtsrat (1825/26).
Seit 1816 Senator. Von 1819 bis zu seinem Tod Schöff. Daneben 1821, 1822, 1825 und von 1827 bis 1829 Mitglied der Gesetzgebenden Versammlung.
A.s Bedeutung für Ffm. beruht vor allem auf seiner umfangreichen Abhandlung über „Das Privatrecht der freien Stadt Fft. In systematischer Ordnung vorgetragen (...)“ (1.-4. Teil, 1824; 5. und letzter Teil: „Der Civilprozeß der freien Stadt Fft.“, 1832 posthum erschienen). Fft. fehlte, besonders nach der Konstituierung als Freie Stadt, ein grundlegendes Rechtswerk neueren Datums. Es standen lediglich die Rechtskommentare des Ffter Juristen
Johann Philipp Orth von 1731-75 zur Verfügung. A.s Anliegen war, die bisher existierenden, aber unsystematischen Rechtskommentare im Zusammenhang darzustellen und – vor allem unter Berücksichtigung der freistädtischen Verfassung (Konstitutionsergänzungsakte) – zu aktualisieren. A.s „Privatrecht“ war daher kein eigenständiges neues Rechtswerk. Durch die umfassende und vergleichende Darstellung von herkömmlichem Stadtrecht und neuzeitlicher Rechtsauffassung geht A.s „Privatrecht“ jedoch über bloße Kompilation hinaus. Die noch zu A.s Lebzeiten erschienenen Teile des „Privatrechts“ befassen sich vornehmlich mit dem Personen- und Sachenrecht, während der letzte Abschnitt, den er vier Tage vor seinem Tod abschloss, das Ffter Zivilprozessrecht beschreibt. Das „Privatrecht“ galt mindestens bis zum Ende der Freien Stadt 1866 als Standardwerk zum Ffter Recht.
A.s Persönlichkeit liegt weitgehend im Dunkeln. Es existieren kaum Briefe und keine Porträts von ihm.
Belegt ist, dass A. den A.hof, den 1763 erbauten (und 1866 abgebrochenen) Sommersitz seiner Familie am Oeder Weg, zwischen 1797 und 1800 an den Bankier Jacob Friedrich, gen. Cobus, Gontard vermietete, den Ehemann von
Susette Gontard,
Hölderlins „Diotima“. Während
Hölderlins Aufenthalt in Homburg (seit September 1798) tauschten
Susette und
Hölderlin sommers, zuletzt am 8.5.1800, an der Gartenhecke des A.hofs ihre Briefe aus.
Grabstätte auf dem Ffter Hauptfriedhof (Gewann A an der Mauer 277).
Aus der 1797 geschlossenen Ehe A.s mit der Malerin Susanna Maria Rebecca
Elisabeth von A., geb. von Riese (1775-1846), stammten vier Kinder, von denen der einzige Sohn und eine Tochter im Kleinkind- bzw. Säuglingsalter starben. Die älteste Tochter, Johanna Maria Sophia von A. (1801-1838), heiratete den Verleger Johann
Georg Freiherr Cotta von Cottendorf (1796-1863), die zweite, Christi(a)ne Philippine
L(o)uise Thekla von A. (1805-1876), den Diplomaten Christoph Conrad von Thienen(-A.; 1804-1884).
Mit Justinian und seinem Bruder Carl Friedrich Christian von A. (1764-1835) erlosch die männliche Linie der Familie. Damit der Name weiter existiert, durften sich A.s Tochter Luise und ihr Ehemann Christoph Conrad von Thienen künftig (seit 1840) „von Thienen-A.“ nennen. Die Tochter aus dieser Ehe, Elisabeth von Thienen-A. (1837-1865), heiratete 1859 den Landschaftsmaler Ludwig von Gleichen-Rußwurm (1836-1901), einen Enkel
Schillers. Deren Sohn wiederum war der Schriftsteller und Kulturphilosoph Alexander von Gleichen-Rußwurm (1865-1947), der seit 1895 mit seiner Cousine Sophia, geb. von Thienen-A. (1867-1952), verheiratet war und im Familiengrab A. auf dem Ffter Hauptfriedhof bestattet ist.
Familiennachlass im ISG.
A.straße und A.platz im Nordend auf dem früheren Gebiet des A.hofs. Seit 1876 A.schule, eine Realschule, in der gleichnamigen Straße; die Schule bestand bis zur Vereinigung mit der Klinger-Oberrealschule 1932 und Umbenennung in „Adolf-Hitler-Schule“ 1933.
Frankfurter Biographie 1 (1994), S. 15,
).