Sohn des Bühnenmalers und Schauspielers Hans M.-H. (1906-1945) und dessen Ehefrau, der Pianistin Irene M.-H., geb. Sager (1899-1983). Ein jüngerer Bruder, der Fernsehautor und Fotograf Georg M.-H. (1937-1999).
M.-H. wuchs in der Künstlerkolonie am Laubenheimer Platz in Berlin auf. Der Vater war vor 1933 Mitglied der KPD und arbeitete als Bühnenmaler, stand aber auch selbst auf der Bühne, u. a. in Werner Fincks Kabarett „Die Katakombe“ und im Theaterkollektiv „Truppe 31“, das sich 1933 auflöste, nachdem eine seiner Produktionen verboten und etliche Ensemble-Mitglieder im Zuge einer Razzia verhaftet worden waren. Später arbeitete er unter
Heinrich George am Berliner Schiller-Theater. Die Mutter war Jüdin und hatte in Budapest und Berlin Klavier studiert. Sie genoss als Ehefrau eines „Ariers“ im „Dritten Reich“ einen gewissen Schutz und erteilte privaten Klavierunterricht. Der Vater wurde wenige Tage nach dem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944 verhaftet, vom Volksgerichtshof zu drei Jahren Gefängnis verurteilt und am 20.4.1945 unter nie geklärten Umständen erschossen. Die Mutter musste nach der Verhaftung ihres Mannes immer wieder untertauchen. Nach 1945 wurde sie Korrepetitorin am Deutschen Theater in Ost-Berlin, verlor diese Position aber im Zug des Berliner Mauerbaus 1961.
M.-H. wurde nicht religiös erzogen, doch wurde er zu seinem Schutz 1937 katholisch getauft und 1942 gefirmt. Gleichwohl wurde ihm als „Mischlingskind“ im selben Jahr der weitere Besuch der Oberschule verwehrt. Erst nach 1945 konnte er auf das Gymnasium zurückkehren und schließlich das Abitur ablegen. M.-H. begann bereits als Achtjähriger, sich literarisch zu betätigen und erste Gedichte zu schreiben, die er etwa dem „Blatt der Kinder“ einreichte. Im Alter von 14 Jahren stand er als Hauptdarsteller eines „Abenteuer-Märchens in 7 Bildern“ auf der Bühne eines Berliner Stadtteiltheaters. 1949 nahm M.-H. ein Studium der Musik- und Theaterwissenschaft an der Humboldt-Universität im Ostteil Berlins auf; um dem ideologischen Druck durch Partei und Staat zu entgehen, wechselte er 1951 an die Freie Universität in West-Berlin. Er promovierte 1956 mit einer Dissertation über Georg Abraham Schneider (1770-1839) und dessen Stellung im Musikleben Berlins. Anschließend trat er eine Stelle als Regieassistent an den Städtischen Bühnen in Wuppertal an.
Anfang der 1950er Jahre befand sich M.-H. aufgrund seiner Homosexualität, die er angesichts der massiven Homophobie der Nachkriegsgesellschaft nicht leben konnte, emotional in einer „totalen Sackgasse“ und war zeitweise in einer „suizidalen Stimmung“. 1955 entschloss er sich, sich in einem Brief seiner Mutter gegenüber zu öffnen und ihr von seiner Verzweiflung zu erzählen. Die Mutter, die aus ihrem beruflichen Umfeld homosexuelle Männer kannte, reagierte verständnisvoll: „Damit werden wir leben!“, und für den Sohn begann ein langjähriger, nach wie vor schwieriger, aber positiver Prozess der Umbewertung der eigenen Sexualität. Bis zu ihrem Tod 1983 sollte M.-H. die sehr enge Beziehung zu seiner Mutter beibehalten.
In Wuppertal war M.-H. bald ein anerkanntes Mitglied der städtischen „Theaterfamilie“. Gewisse Möglichkeiten, seine Homosexualität zu leben, boten sich ihm im nahen Düsseldorf und auf Reisen, etwa nach London und Amsterdam. Doch waren diese Möglichkeiten, insbesondere innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, aufgrund der Wirkmächtigkeit des Paragraphen 175 StGB, der erst 1969 entschärft und 1994 aufgehoben wurde, stark eingeschränkt. Zu seinen homosexuellen Freunden gehörten der Bühnenbildner Heinrich Wendel (1915-1980) und der Choreograf und Tänzer Erich Walter (1927-1983), die, obwohl sie privat ein Paar waren, nach wie vor möbliert und getrennt in winzigen Zimmern wohnten. 1957 lernte M.-H. den Drucker Walter Pfalz kennen, den er aus Angst vor einer öffentlichen Bloßstellung nur unter größten Schwierigkeiten in das Haus seiner Zimmerwirtin mitbringen konnte.
Den beruflichen Durchbruch erlebte M.-H. mit der Regie von Verdis „Rigoletto“, seiner ersten eigenständigen Inszenierung, im Spätsommer 1959. In der Folge stieg er zum Zweiten Spielleiter der Städtischen Bühnen in Wuppertal auf. 1964 wechselte er als Oberspielleiter ans Badische Staatstheater Karlsruhe, von wo aus er auch zahlreiche Gastinszenierungen an anderen Bühnen übernahm. Walter Pfalz blieb in Wuppertal, und wenige Jahre später zerbrach ihre Beziehung, doch blieben die beiden bis zu Pfalz’ Tod freundschaftlich verbunden. 1969 lernte M.-H. bei einer Inszenierung in Duisburg den Eisenbahner Karl-Otto Klüter kennen, mit dem er bis zu seinem Lebensende eine enge Freundschaftsbeziehung unterhielt.
Angesichts des Vietnamkriegs, der Studentenproteste, der Notstandsgesetze und des Schah-Besuchs in der Bundesrepublik sowie der Schüsse auf Rudi Dutschke am 11.4.1968 in West-Berlin politisierte sich M.-H. und wurde zu einem „Linken“. Um diese Zeit kam das Theater als „hochsubventionierter Amüsierbetrieb für bürgerliche Kreise“ zunehmend in die Kritik. M.-H., der damals an einer Inszenierung von Verdis „Aida“ in Karlsruhe arbeitete, interpretierte die Oper als Antikriegsstück marxistisch um. Die Reaktionen des Publikums und der lokalen Presse auf die Premiere Ende 1970 waren niederschmetternd. Im „Karlsruher Anzeiger“ hieß es etwa: „Ägypter in Astronautenlook, Radames aus dem Lastenaufzug und Triumphmarsch mit Folterszenen – das war einfach zu viel (...) – und so gab es das für Karlsruhe seltene Ereignis, dass am Staatstheater Buh-Rufe ertönten. Sie sollten für Experimente am falschen Objekt eine Warnung sein (…).“ M.-H. war in der Folge „sehr karlsruhemüde“; zudem litt er immer wieder unter beruflicher Überlastung, weshalb er sich 1971 in klinische Behandlung begab. 1972 wechselte er als Oberspielleiter des Staatstheaters nach Braunschweig.
Nach der Uraufführung des Films „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ von Rosa von Praunheim (* 1942) auf den Berliner Filmfestspielen im Sommer 1971 und dessen Fernsehausstrahlungen 1972 und 1973 gründeten sich in zahlreichen deutschen Städten „schwule“ Aktionsgruppen, deren Mitglieder mit der entwürdigenden Selbstverleugnung, dem Doppelleben als vermeintlich „respektable Bürger“ und der Verleumdung der Subkultur als „unanständig“ brechen wollten. M.-H. schloss sich 1973 der „Arbeitsgruppe Homosexualität Braunschweig (AHB)“ an, obwohl er mit über 40 Jahren erheblich älter als die meisten seiner Mitstreiter war. Diese kannten die Diskriminierungserfahrungen Homosexueller aus der Nachkriegszeit in der Regel nicht aus eigener Erfahrung und standen ihren älteren Zeitgenossen durchaus skeptisch bis ablehnend gegenüber. Die Mitglieder der AHB klebten illegal Plakate (wobei M.-H. einmal von der Polizei erwischt wurde), besuchten Schulklassen, schrieben Zeitungsartikel, führten Straßenaktionen gegen den Paragraphen 175 StGB durch und luden 1975 die Hamburger Theatergruppe „Brühwarm“ nach Braunschweig ein. Die Gruppe übernachtete in der Wohnung von M.-H., und ihr mit schwulem Agitprop geschmückter Bus parkte direkt vor der Haustür.
Persönlich hatte M.-H. auch nach Jahren noch mit den Nachwirkungen des „Aida-Debakels“ in Karlsruhe zu kämpfen, und um 1975 entschloss er sich, seine Stellung als Regisseur aufzugeben, um in einen sozialen Beruf zu wechseln. Im Lauf von knapp 20 Jahren hatte er über 100 Opern inszeniert. Im Herbst 1975 erreichte ihn das Angebot, Studierende an der Ffter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in szenischem Spiel zu unterrichten, das er dankend annahm. Ein gutes halbes Jahr später, im Sommer 1976, wurde seine Stelle in eine H3-Professur umgewandelt. M.-H. zog in eine Wohnung in der Fichardstraße 34 im Ffter Nordend, nur wenige hundert Meter von der Hochschule entfernt.
Im Frühjahr 1977 eröffnete der kurz zuvor gegründete Verein „Kommunikationszentrum e. V.“ seine Räume in der Ffter Mercatorstraße unter dem Namen „Café Anderes Ufer“. Auch hier bemühte sich M.-H., wieder als einer der ältesten Mitstreiter, darum, das Projekt mit Leben zu füllen – und mitzufinanzieren. In den ersten fünf Jahren des Bestehens häuften sich Schulden von mehreren tausend Mark an, die M.-H. privat beglich. Ebenfalls 1977 wurde die Theatertruppe „Die Maintöchter“ gebildet, der M.-H. als eines der fünf Gründungsmitglieder angehörte. Die Truppe war eine Art „Selbsterfahrungstruppe mit dem Ziel öffentlicher Auftritte“ und widmete sich in selbst entwickelten Stücken mit einer erheblichen Portion Selbstironie dem Umgang Schwuler untereinander im „Anderen Ufer“ („Institut Intertuck“), Suiziden in der „Szene“ („Wieso?“) und den Widersprüchen zwischen „ewiger Liebe“ und „freier Sexualität“, in denen viele schwule Männer verfangen waren („Die Wildnis der Doris Gay“). Vor allem das letztgenannte Stück löste, da die „Maintöchter“ in Städten wie Berlin, Hamburg, Hannover und Nürnberg Gastspiele gaben, bundesweit Debatten aus. M.-H. wurde in der Folge als „Hannchen Mehrzweck“ weit über die Grenzen Fft.s hinaus bekannt. Sein schon damals allgemein üblicher Spitzname beruhte darauf, dass M.-H. wegen seiner vielfältigen Möglichkeiten eine Art Mehrzweckfunktion in der „schwul-lesbischen Szene“ ausübte, mal als Vorbild, mal als Kumpel beim Organisieren und mal als Retter aus finanzieller Not.
M.-H. nahm als Berater und Mentor auch großen Einfluss auf das 1975 gegründete Ffter Klappmaul Theater. Zwischen dem Figurentheater und den „Maintöchtern“ bestanden enge personelle wie räumliche Beziehungen, zumal mehrere Puppenspieler des Klappmaul Theaters die „Maintöchter“ mitbegründet hatten und hier mitwirkten. Zudem nutzte man die Probenräume in der Löwengasse in Bornheim gemeinsam und bildete so etwas wie „eine künstlerische Familie“.
1978 gehörte „Andreas Meyer-Hanno, Professor“ zu den 682 Männern – Arbeitern, Studenten, Angestellten und Beamten –, die sich in der Zeitschrift „Stern“ öffentlich zu ihrer Homosexualität bekannten. Vorbild der Aktion war der Aufmacher des „Stern“ von 1971 „Wir haben abgetrieben!“, eine von Alice Schwarzer initiierte Kampagne, an der sich 374 prominente und nicht prominente Frauen beteiligten, indem sie öffentlich erklärten, einen Schwangerschaftsabbruch vorgenommen zu haben.
1984 reagierten die „Maintöchter“ mit ihrem Stück „Tanz der Viren“ auf den Schock, den das noch neue Phänomen Aids vor allem unter schwulen Männern ausgelöst hatte, und kritisierten die Instrumentalisierung der damals noch tödlichen Virusinfektion durch konservative Kräfte. M.-H. wusste zu dieser Zeit bereits von seiner eigenen Infektion mit HIV und dichtete den Hamlet-Monolog selbstironisch in „Test oder nicht Test, das ist hier die Frage“ um. Zehn Jahre später sprach er bei einer Veranstaltung im Kölner Schwulen- und Lesbenzentrum SCHuLZ über seine Erfahrungen als „Langzeitüberlebender“.
Als M.-H. 1993 emeritiert wurde, konnte er seine Zeit verstärkt für homopolitische Ziele nutzen, wie die Realisierung des „Ffter Engels“, der an der Schäfergasse (heute: Klaus-Mann-Platz) 1994 als erstes Mahnmal in der Bundesrepublik Deutschland für die schwulen und lesbischen Opfer des Nationalsozialismus errichtet wurde. Im Jahr zuvor war M.-H. mit der Römerplakette der Stadt Ffm. und dem Rosa-Courage-Preis der Osnabrücker Kulturtage „Gay in May“ ausgezeichnet worden (1993). Am 15.12.2000 verlieh ihm Bundespräsident Johannes Rau das Bundesverdienstkreuz am Band für sein Lebenswerk; überreicht wurde ihm die Auszeichnung durch die spätere Ffter Bürgermeisterin Jutta Ebeling.
M.-H. hat sich vor allem durch die Gründung zweier Initiativen weit über die Stadt Ffm. und seine eigene Generation hinaus nachdrücklich einen Namen gemacht: die „Homosexuelle Selbsthilfe e. V.“ (HS) und die „Hannchen-Mehrzweck-Stiftung für homosexuelle Selbsthilfe“ (hms). Weil sich das zuständige Finanzamt weigerte, die Ziele des 1980 gegründeten Vereins „Homosexuelle Selbsthilfe“ als gemeinnützig anzuerkennen, beschloss die Mitgliederversammlung, den Anspruch auf Gemeinnützigkeit aufzugeben, damit auch individuelle Rechtskostenhilfe etwa für Mustergerichtsverfahren gegen Diskriminierung geleistet werden kann. Fielen bis 1994 noch Verfahren gegen den Paragraphen 175 StGB an, unterstützt die HS heute (2020) vor allem Geflüchtete, die ihr Heimatland aufgrund Verfolgung wegen ihrer sexuellen Identität verlassen mussten. 1991 hatte M.-H. zunächst geplant, eine Art Altersheim für schwule Männer zu errichten. Nachdem er die Pläne verworfen hatte, brachte er fast sein gesamtes Vermögen in die „Hannchen-Mehrzweck-Stiftung“ ein, die das Siegel der Gemeinnützigkeit hat und auf Dauer angelegt ist. Ursprünglich war in der Satzung nur von Schwulen und Lesben die Rede, denen die Stiftung zugutekommen sollte. Im Zuge der Diversifizierung einerseits der bundesdeutschen Gesamtgesellschaft und andererseits der traditionell lediglich als schwul und lesbisch wahrgenommenen „LSBTIQ*-Community“ fördert die Stiftung seit der Jahrtausendwende satzungsgemäß alle Projekte, in denen es um die Auseinandersetzung mit Themen der Geschlechterkategorien geht. Die hms verfolgt das Ziel, das soziokulturelle Leben im Bereich der geschlechtlichen Vielfalt in der Bundesrepublik Deutschland auf eine stabile Grundlage zu stellen und ihm eine dauerhafte Perspektive zu sichern.
M.-H. zog sich 2001 aus der aktiven Mitarbeit in seiner Stiftung wie in anderen Vereinen weitgehend zurück, um sich der Vortragstätigkeit und dem Schreiben widmen zu können. Er warb aber nach wie vor um Spenden und Zustiftungen für die hms. Infolge altersbedingter Erkrankungen und seiner Infektion mit dem HI-Virus musste er in seinen letzten Lebensjahren mehrfach in Krankenhäusern behandelt werden. M.-H. starb 2006 im Alter von 74 Jahren in einer Ffter Klinik, wurde auf eigenen Wunsch aber auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof in Berlin-Schöneberg beigesetzt.
Schriften: „Georg Abraham Schneider (1770-1839) und seine Stellung im Musikleben Berlins. Ein Beitrag zur Musikgeschichte der preußischen Hauptstadt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts“ (Dissertation, 1956, im Druck 1965), „Theaterakten im Deutschen Zentralarchiv II zu Merseburg“ (in: Kleine Schriften der Gesellschaft für Theatergeschichte, 1956) und „Lenya’s Return to Berlin“ (übers. v. Lys Symonette, in: Kurt Weill Newsletter, 1985). Übersetzungen: „Die Prinzessin von Trapezunt“ (Buffo-Oper von Jacques Offenbach, ca. 1975) und „La Fedeltà Premiata“ („Die belohnte Treue“, Schäferspiel von Joseph Haydn, dt. Übersetzung mit Frithjof Haas, 1981). Videos mit Inszenierungen von M.-H.: „Das lange Weihnachtsmahl“ (Oper von
Paul Hindemith, ca. 1985) und „Za’khani – Integrales Musiktheater für Soli und Kammerensemble“ (Musik von Hans-Joachim Hespos, 1986).
Nachlass im Schwulen Museum Berlin.
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